Nicht nur das Ergebnis der Sozialdemokraten im Bund ist historisch schlecht, auch Saskia Esken verliert im Wahlkreis im Vergleich zu 2021 viele Stimmen. Konsequenzen zieht die SPD-Co-Vorsitzende offenbar keine aus der Schlappe – zumindest nicht in Form eines Rücktritts. Auch die Spitze des Kreisverbands stützt sie. Ein Kritiker meldet sich indes zu Wort.
Drei Parteien sind die Verlierer dieser Bundestagswahl: Die FDP trifft es besonders hart; sie lag 2021 noch bei 11,4 Prozent, und scheitert nun an der Fünf-Prozent-Hürde. Die SPD stellt bisher den Bundeskanzler, kommt nun aber lediglich auf 16,4 Prozent (2021: 25,7). Das Ergebnis der Grünen schrumpft ebenfalls, um mehr als drei Prozent auf nun 11,6 im Bund. Die Ergebnisse im Landkreis Calw, der mit dem Kreis Freudenstadt den Wahlkreis 280 Calw bildet, fallen entsprechend aus. Bei allen drei Parteien.
Und noch etwas hat das Trio gemeinsam: Alle Parteien waren an der zerbrochenen Ampelkoalition beteiligt. Dann enden die Gemeinsamkeiten.
Situation im Bund FDP-Chef Christian Lindner zieht Konsequenzen aus dem Wahldebakel und erklärt noch am Sonntag, sich aus der Politik zurückzuziehen. Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, kündigt am Montag an, er wolle in seiner Partei keine wichtige Funktion mehr übernehmen. Bei den Sozialdemokraten teilt Noch-Kanzler Olaf Scholz mit, an Verhandlungen für eine mögliche Koalition mit der Union und an einer möglichen neuen Regierung nicht mitzuwirken. Anders sieht es an der SPD-Spitze aus. Die bleibt offenbar so, wie sie ist – mit Lars Klingbeil und Saskia Esken. Sie habe mehr als fünf Jahre mit großer Freude an der Geschlossenheit der Partei gearbeitet, sagte Esken laut Deutscher Presse-Agentur. „Und das gedenke ich auch weiter zu tun.“
Landeslistenplatz sichert Wiedereinzug ins Parlament
Nun ist Saskia Esken nicht nur Co-Vorsitzende der Bundes-SPD, sondern auch Abgeordnete für den Wahlkreis Calw. Weil sie auf der Landesliste auf Platz eins stand, zieht sie trotz eines Ergebnisses von nur 12,9 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis und 12,2 Prozent der Zweitstimmen wieder in den Bundestag ein.
Das sagt der Kreisverband Im Landkreis Calw liegen die Sozialdemokraten ebenfalls bei 12,2 Prozent, 12,6 Prozent der Erststimmen entfallen auf Esken. Das bedeutet in etwa sechs Prozentpunkte weniger Zweitstimmen als 2021 (18,6) und etwa fünf Prozentpunkte weniger Stimmen für die Kandidatin (2021: 17,2). Die beiden SPD-Kreisvorsitzenden Daniela Steinrode und David Mogler stehen dennoch weiter hinter Saskia Esken. Noch am Wahlabend hätten sie sich in einer Videokonferenz mit ihr ausgetauscht.
Zum Wahlergebnis teilen die beiden mit: „Es war abzusehen, dass wir uns schwer tun nach dem Ampel-Aus.“ Die Umfragen waren entsprechend. „Der Wahlkampf wurde massiv auf das Thema Migration beschränkt, hier hat man als Regierungspartei grundsätzlich das Nachsehen.“
Esken eine „starke Stimme in Berlin“
Die Wahlniederlage habe „sicherlich nicht“ an den „sehr aktiven“ Wahlkämpfern vor Ort gelegen. Verantwortlich für das Ergebnis sehen sie „die Stimmung im Land, die schwierige Kommunikation der Erfolge durch die Ampel. Der Wunsch nach einem Politikwechsel“.
Trotz ihres schwachen Ergebnisses erklären Steinrode und Mogler: „Saskia Esken ist sowohl Bundesvorsitzende als auch unsere Kandidatin für diesen Bundestagswahlkampf gewesen. Sie war und ist für den Wahlkreis eine starke Stimme in Berlin.“ Die Fördermittel, die durch Esken für die Kommunen in den Kreisen Calw und Freudenstadt generiert worden seien, „sind eine große Leistung“.
Darüber hinaus sei Eskens Verdienst, „Ruhe in die SPD zu bringen und die Partei zu einen“, seit sie 2019 den Parteivorsitz übernommen hat. „Eine starke Frau und eine sichere Bank für uns in Berlin.“
Der Kreisverband werde „unserer Bundestagsabgeordneten, Parteivorsitzenden und langjährigen Begleiterin“ nicht in den Rücken fallen. Ob Saskia Esken nicht zurücktreten sollte als Co-Vorsitzende? „Das ist allein Sache des Bundesvorstandes und von Saskia Esken.“
Im Kreis regt sich Widerstand
Kritik aus den eigenen Reihen Auch wenn die Kreis-Spitze hinter Esken steht: Es regt sich Widerstand im Landkreis Calw. Manfred Stehle, langjähriges SPD-Mitglied und vor seiner Pensionierung Amtschef im baden-württembergischen Integrations- und Kultusministerium, meldet sich zu Wort.
Das hatte er schon einmal getan, nämlich als Saskia Esken im Sommer 2024 ankündigte, ein viertes Mal für den Bundestag kandidieren zu wollen. Dabei hatte sie 2020, damals schon Parteichefin, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, sie kandidiere nun ein drittes Mal, und „danach bin ich raus“. Es folgte bekanntlich der Rücktritt vom Rücktritt – und die herbe Niederlage am Sonntag.
Esken sollte ihre Entscheidung „dringend überdenken“
Manfred Stehle ist der Meinung, die SDP-Co-Chefin muss nun Konsequenzen ziehen. „Für die Wahlschlappe der SPD ist nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz, sondern die gesamte Parteispitze verantwortlich.“ Ein Gesicht des Niedergangs der ehemaligen Volkspartei sei „die Calwer MdB Saskia Esken, die auch im Wahlkreis CW/FDS als Verliererin dasteht“. Der von Esken selbst geforderte personelle und inhaltliche Neuanfang der Partei „kann erfolgreich nur mit neuem Führungspersonal gelingen“. Aus Sicht des Althengstetters sollte Esken ihre Entscheidung, Co-Vorsitzende bleiben zu wollen, „dringend überdenken“. Er meint: „Seit Sonntag lässt sich nicht mehr wegdiskutieren, dass Saskia Esken nicht nur in der Wählerschaft keinerlei Rückhalt hat, sondern dass sich auch immer mehr SPD-Mitglieder von ihr abwenden.“
Stimmen aus Berlin Und was sagt Saskia Esken? Sie ist trotz mehrfacher Anfragen unserer Redaktion nicht zu erreichen. Für Sonntagabend war ein Telefontermin geplant, allerdings nach Redaktionsschluss. Weil zuvor die Ergebnisse aus dem Wahlkreis noch nicht vorlagen, ließ Esken unserer Redaktion zwei Statements zum Bundesergebnis zukommen. Darin sagte sie: „Wir werden dieses Wahlergebnis jetzt gemeinsam in der SPD in der Geschlossenheit und in der auch Ehrlichkeit miteinander beleuchten und überlegen, wie wir uns weiterentwickeln wollen, wie wir uns inhaltlich, wie wir uns organisatorisch und wie wir uns personell auch erneuern werden.“ Und weiter: „Das tun wir gemeinsam und nicht in der Öffentlichkeit, sondern in unseren Gremien.“
AfD gehört „raus aus den Parlamenten“
Das Ergebnis der Bundestagswahl sei für die SPD „ausgesprochen schmerzhaft, es ist ein bitterer Abend“, meinte Esken. „Mit so einem Ergebnis haben wir nicht gerechnet und müssen jetzt auch damit umgehen.“ Was Demokraten aber aus ihrer Sicht erschrecken muss, sei die hohe Zustimmung zur AfD. „Das muss auch unser gemeinsamer Auftrag sein, diese Partei wieder dahin zu drängen, wo sie hingehört: raus aus den Parlamenten.“
Ein Telefonat am späten Wahlabend ergab sich nicht mehr, auch die wiederholte Bitte um ein Gespräch und gestellte Fragen zum Wahlkreisergebnis und zu ihrer Zukunft blieben bislang unbeantwortet.