Auch Audi – hier die Produktion in Neckarsulm. zahlt weniger Gewerbesteuer. Foto: dpa

Der Rekordverlust von VW führt dazu, dass Einnahmen aus der Gewerbesteuer einbrechen. Die Misere von VW wirkt sich auch auf die Steuerzahlungen der hoch profitablen VW-Töchter Audi oder Porsche aus.

Stuttgart - Der Abgasskandal von VW zwingt auch Städte und Gemeinden mit Standorten des Konzerns zu einem Sparkurs. Weil der Wolfsburger Automobilkonzern im vergangenen Jahr den höchsten Verlust der Unternehmensgeschichte eingefahren hat, sind die Gewerbesteuerzahlungen eingebrochen. Dies trifft auch Standorte von hoch profitablen Töchtern wie Audi und Porsche, weil die Steuern auf alle Standorte des Konzerns verteilt werden. Viele Kommunen schlagen einen Sparkurs ein und erhöhen die Abgaben, wie eine Umfrage ergeben hat.

In Wolfsburg, wo das größte Werk und die Zentrale des Konzerns angesiedelt sind, zahlen Besserverdienende mehr für die Kinderbetreuung. 720 000 Euro soll das pro Jahr bringen. Auch das Halten von Hunden kostet mehr: Die Steuer für den ersten Hund steigt um 20 Prozent, für einen zweiten oder dritten um 24 Prozent. Der Gewerbesteuerhebesatz, zuletzt erhöht 1980, soll nicht steigen, „um die örtliche Wirtschaft gerade in den aktuell schwierigen Zeiten nicht noch weiter zu belasten“. Jedoch steigt die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) von 270 auf 320 Punkte, der Hebesatz bei der Grundsteuer B (bebauter oder unbebauter Grundbesitz) zieht um 30 auf 450 Punkte an. Die letzte Anpassung liegt gut 20 Jahre zurück. Wer sein Auto in der Innenstadt auf städtischen Parkflächen abstellt, muss mehr bezahlen: 10 Cent pro Stunde. Ebenso wird das Baden teurer; für Kinder und Jugendliche bleiben die Preise aber konstant.

In Neckarsulm sind die goldenen Zeiten vorbei

Auch in Neckarsulm, wo 16 000 Audi-Mitarbeiter beschäftigt sind, scheinen die goldenen Zeiten vorerst vorbei zu sein. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen von der Mediathek bis zum Busbahnhof hat die Stadt in den vergangenen zehn Jahren neu gebaut. Im Jahr 2014 weihte man gegenüber dem bestehenden Freizeitbad sogar noch ein Sportbad mit 50-Meter-Becken ein. „Das würde man heute vielleicht nicht mehr machen“, meint der Kämmerer Jürgen Kaufmann.

Als im Herbst die ersten Informationen über das Dieseldesaster bei VW bekannt wurden, handelte er prompt. Bereits für das damals laufende Jahr 2015 senkte der Kämmerer seine Gewerbesteuerprognose von 72 auf 54 Millionen Euro und reduzierte die Erwartungen für 2016 auf ein ähnliches Niveau. Oberbürgermeister Joachim Scholz (parteilos) brachte im Gemeinderat ein Sparpaket durch, das Kürzungen über alle Bereiche und Ämter vorsieht. So müssen sich Eltern auf eine jährliche Steigerung der Kindergartengebühren um 25 Prozent gefasst machen. Allerdings wurden diese Gebühren seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angehoben. Gegenwärtig kostet der Kitabesuch für Kinder unter drei Jahren in Neckarsulm 99 Euro pro Monat. Der Landesrichtsatz beträgt 241 Euro.

Stuttgarts Stadtkämmerer Föll hält sich bedeckt

Nachdem inzwischen die Abrechnung für 2015 vorliegt, zeigt sich, dass der Abgasskandal zumindest 2015 weniger tiefe Spuren in der Kasse hinterlassen hat als befürchtet. 69 Millionen Euro und damit fast so viel Gewerbesteuer wie zunächst kalkuliert, landeten in der Stadtkasse. Im laufenden Jahr sind bisher 54 Millionen Euro eingegangen. Das dürfte den anderen starken Steuerzahlern zu verdanken sein, die in der Stadt mit 26 000 Einwohnern ansässig sind. Das könnte sich allerdings ändern. Die Discounterkette Lidl will ihre Deutschland-Zentrale 2019 von Neckarsulm nach Bad Wimpfen verlegen.

Stuttgarts Stadtkämmerer Michael Föll hält sich beim Thema Gewerbesteuereinnahmen der VW-Tochter Porsche mit Hinweis auf das Steuergeheimnis bedeckt. Die Stadt plant unverändert – wie bei der Haushaltsaufstellung für 2016 im Dezember des vergangenen Jahre – mit insgesamt 560 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen von allen Gewerbesteuerzahlern.

Ende 2015 hatten Föll und Oberbürgermeister Fritz Kuhn den Ansatz um 40 Millionen Euro gegenüber der vorherigen Finanzplanung für 2016 reduziert – was mit Porsche zusammenhängt, aber nicht nur. Die 40 Millionen sind der Saldo von positiven und negativen Veränderungen bis Ende 2015. Bei den negativen Veränderungen gab es noch andere Verursacher als Porsche. Der Zuffenhausener Autobauer gilt weiterhin als Gewerbesteuerzahler, wenn auch mit reduzierten Überweisungen.

In Weissach im Kreis Böblingen, wo etwa 5500 Mitarbeiter im Entwicklungszentrum von Porsche beschäftigt sind, wird in diesem Jahr vorsichtshalber nur mit Gewerbesteuereinnahmen von 1,5 Millionen Euro geplant. Im vergangenen Jahr waren es 40 Millionen Euro. In Weissach werden Subventionen, die Bürgern früher gewährt wurden, verschwinden, wie etwa das Baukindergeld für Familien in Höhe von 5000 Euro je Kind. Auch weitere Zuschüsse, etwa für Musikunterricht, fallen weg.

Die Streichung dieser Subventionen steht nach Angaben von Weissachs Bürgermeister Daniel Töpfer aber nicht im Zusammenhang mit einem zurückgegangenen Gewerbesteueraufkommen. „Wir hätten diese auch bei gleichbleibenden Gewerbesteuerzahlungen streichen müssen“, sagt Töpfer und weist darauf hin, dass er nach seinem Amtsantritt in Weissach 2014 feststellen musste, dass die Kommune seit vielen Jahren ein erhebliches strukturelles Defizit von rund 10 Millionen Euro habe.

Dieses Defizit müsse die Kommune abbauen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen schrieben dabei vor, dass bei der Haushaltskonsolidierung zwingend zunächst die freiwilligen Leistungen wie das Baukindergeld zu reduzieren beziehungsweise ganz zu streichen seien. „Die Auswirkungen des VW-Skandals und die von uns angenommene deutliche Reduzierung des Gewerbesteueraufkommens unseres größten Steuerzahlers tragen natürlich nicht zur Entspannung bei, sondern verschärfen die Rahmenbedingungen zusätzlich“, sagt der Bürgermeister.