Bereits am Dienstag wurden mehrere hundert Flüge gestrichen, auch Obama musste umplanen.

London/Brüssel/Berlin - Gut ein Jahr nach dem großen Vulkanasche-Chaos werden in Deutschland voraussichtlich wieder tausende Fluggäste am Boden bleiben. Die Aschewolke des isländischen Vulkans Grímsvötn mache eine Luftraumsperrung über Norddeutschland am Mittwochmorgen sehr wahrscheinlich, sagte Markus Beyer vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Dienstag. Endgültig beschließen müsse das jedoch die Deutsche Flugsicherung.

Beyer sagte, es gebe Vorhersagen, dass gegen 8 Uhr am Morgen der Wert der Aschekonzentration in der Luft über Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie dem Norden Brandenburgs und Sachsen-Anhalts so hoch sei, dass ein Flugverbot nötig werde.

Kein Chaos wie im vergangenen Frühjahr

Die Aschewolke war zum Abend weiter südlich gezogen - auch Richtung deutsche Küste. Ein Chaos wie im Frühjahr 2010 soll es allerdings nicht geben, vor allem weil ein neues Drei-Zonen-Modell weniger Flugverbote vorschreibt.

Bereits am Dienstag wurden in Europa mehrere hundert Flüge gestrichen - betroffen war allerdings zunächst vor allem Großbritannien. Insgesamt rechnete die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol mit rund 500 abgesagten Flügen. „Das ist eine erste Schätzung, die endgültige Zahl wird von der Bewegung der Wolke abhängen“, sagte eine Sprecherin von Eurocontrol in Brüssel.

Seite 2: Grímsvötn-Wolke verflüchtigt sich schneller

Nach Expertenansicht wird die Aschewolke wesentlich weniger Flugzeuge am Boden halten als im Frühjahr 2010. Der Ausbruch des Grímsvötn sei zwar um ein Vielfaches heftiger, die Wolke verflüchtige sich aber wesentlich schneller, sagte Vulkanforscherin Gillian Foulger von der Universität Durham. „Weil es so groß losging, geht es auch schneller wieder zurück“, sagte sie.

US-Präsident Obama unter den Leidtragenden

Bis Mittag waren im britischen Luftraum rund 250 Flüge gestrichen worden. Am Morgen hatte der Kernbereich der Aschewolke - in dem Flüge nicht mehr erlaubt sind, weil die Asche Flugzeuge beschädigen kann - den Norden Großbritanniens und Teile Irlands erreicht. Allerdings ließen die Behörden nicht den gesamten Luftraum schließen. Prominentester Leidtragender war US-Präsident Barack Obama, der vorzeitig von Irland nach London abreiste.

Der spanische Fußballmeister FC Barcelona wollte wegen der Aschewolke seine Anreise nach London zum Finale der Champions League gegen Manchester United vorziehen und bereits am Dienstagabend oder Mittwoch nach London fliegen. Dort treffen die Katalanen am Samstag im Wembley-Stadion auf das Team von Alex Ferguson.

Island hatte am späten Montagabend seine internationalen Flughäfen wieder geöffnet. Der Grímsvötn war am Dienstag nach Angaben isländischer Experten weiterhin aktiv und schürte die Angst vor neuen Problemen im Luftverkehr - 14 Monate nach dem Flugchaos, das der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausgelöst hatte.

Seite 3: Streit um einheitliche Grenzwerte

Im Frühjahr 2010 hatte dieser mit seiner Asche wochenlang Teile des internationalen Flugverkehrs gestoppt. Damals fehlten Grenzwerte für die Aschekonzentrationen in der Atmosphäre. Inzwischen wurden dafür drei Zonen festgelegt - und das Fliegen in Arealen mit geringer Konzentration ist erlaubt. Fluggesellschaften beklagen aber, dass es nach wie vor keinen einheitlichen Grenzwert gibt, bei dem alle Flugzeuge am Boden bleiben müssen.

In Deutschland wurde von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine kritische Marke festgelegt. Bei mehr als 2,0 Milligramm Aschebelastung pro Kubikmeter Luft darf nicht mehr geflogen werden - es sei denn, Triebwerk- und Flugzeughersteller geben grünes Licht.

SPD übt Kritik an Verkehrsminister Ramsauer

Die SPD vermisste bei Ramsauer ein funktionierendes Krisenmanagement. „Die neue Aschewolke kommt eindeutig zu früh für Ramsauer“, sagte Fraktionsvize Florian Pronold „Handelsblatt Online“. Der Verkehrsminister habe eine einheitliche europäische Regelung angekündigt - nun sollen nationale Richtwerte darüber hinwegtäuschen.

Die Wetterverhältnisse in Island machten es schwierig, die Größe und Höhe der Wolke genau einzuschätzen, sagten Meteorologen des Landes. Aber Radaranzeigen zeigten, dass die Aschewolke nicht mehr so hoch wie kurz nach dem Ausbruch des Grímsvötn am Samstag war. Experten gingen von fünf bis sieben Kilometern aus. Für Dienstag war ein Erkundungsflugzeug über die Region geplant.

Passagiere harren an Flughäfen aus

Jeder Staat entscheidet selbst darüber, ob er seinen Luftraum schließt - die EU-Luftsicherheitsexperten geben nur Empfehlungen ab. So können die Fluggesellschaften beantragen, bei einer mittleren Aschekonzentration noch zu fliegen. Es hätten einige Anträge vorgelegen, hieß es von der britischen Luftfahrtaufsicht CAA. Mehrere Fluggesellschaften - darunter KLM, British Airways, Ryanair, Easyjet, der Lufthansa-Partner BMI, Loganair, Eastern Airways und Aer Lingus - strichen am Dienstagmorgen Flüge von und nach Schottland. 400 Menschen mussten über Nacht am Flughafen Edinburgh ausharren.

Die Lufthansa musste zum Mittag nur zwei Flüge absagen. Bei Air Berlin gab es nur geringe Verspätungen. Ryanair strich den Flug vom schottischen Edinburgh zum Hunsrück-Flughafen Hahn und zurück. Es war nach Airline-Angaben ihr erster betroffener Flug.