Volker (links) und Siegfried Kauder sind das einzige Geschiwster-Paar im deutschen Bundestag. Doch dem Jüngeren der beiden ist das Lachen momentan vergangen. Foto: Seeger

Während Volker Kauder das Bundestagsmandat in der Tasche hat, bläst seinem kleinen Bruder der Wind ins Gesicht.

Rottweil/Villingen/Berlin - Sie sind Politiker durch und durch, besitzen das schwarze Parteibuch und sitzen gemeinsam im Bundestag. Doch ungleicher könnten sich die Brüder Volker (63) und Siegfried Kauder (61) zurzeit nicht präsentieren. Keine Frage: In dieser Verfassung würden sie dem literarischen Vorbild Dr. Jekyll und Mr. Hyde Konkurrenz machen: hier der Gute, dort der vermeintlich Böse.

 

Dabei haben beide dasselbe Ziel: Sie wollen bei der nächsten Wahl wieder in den Bundestag ziehen. Während es jedoch als so gut wie sicher gilt, dass Volker Kauder als Kandidat für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen nominiert wird und zum siebten Mal hintereinander das Direktmandat erringen wird, ist bei Siegfried Kauder der Ausgang völlig offen. Der Jüngere der beiden kämpft um sein politisches Überleben. Und wie.

»Ob ich diesen Streit schlichten kann, weiß ich noch nicht«, antwortet Erwin Teufel auf die Frage, ob er im Konflikt zwischen Siegfried Kauder und der Parteibasis eine Lösung wisse. Der ehemalige Ministerpräsident soll innerhalb der gespaltenen Partei im Wahlkreis Schwarzwald-Baar und Siegfried Kauder vermitteln.

Knackpunkt: Bei der Nominierungsversammlung in St. Georgen erreichte eine knappe Mehrheit, dass die Versammlung vertagt wurde. Der einzige Kandidat Siegfried Kauder wurde nicht nominiert. Zuvor sollen Schlichtungsgespräche stattfinden. Die Gespräche haben schon begonnen, bestätigt Teufel jetzt. »Aber das wird lange dauern.« Die Nominierung soll im November stattfinden. Die Kluft ist tief.

So war es nicht immer: Früher waren die Mitglieder des Kreisverbands äußerst zufrieden mit ihrem Vorsitzenden. Siegfried Kauder war ein erfolgreicher Strafverteidiger in Villingen-Schwenningen, als Erwin Teufel ihn fragte, ob er nicht für die CDU stärker aktiv werden wolle. Daraufhin mischte der jüngere Bruder von Volker Kauder sich in die Politik ein, wurde Stadtverbands- und später Kreisvorsitzender.

2002, als der damalige Bundestagsabgeordnete Meinrad Belle aus Krankheitsgründen nicht mehr kandidierte, wurde Siegfried Kauder zum Bundestagsabgeordneten gewählt, 2009 wurde er Vorsitzender des Rechtsausschusses. Fleiß, Talent und Engagement, zum Beispiel im Fluglärmstreit mit der Schweiz sowie als Opferanwalt, wurden ihm bescheinigt. Die Mitglieder waren spürbar stolz auf ihren Vorsitzenden.

Seit ungefähr zwei Jahren ist das anders geworden. Siegfried Kauder und sein Führungsstil gerieten in die Kritik. So soll die dritte Ehefrau des Bundestagsabgeordneten im Auftrag ihres Mannes der langjährigen ehemaligen Kreisgeschäftsführerin Lucia Grießhaber ein wenig freundlich formuliertes Hausverbot ausgesprochen haben, als sie in der Kreisgeschäftsstelle aushelfen wollte.

Ohne Absprache mit der Partei teilte Siegfried Kauder mit, dass er 2013 erneut für den Bundestag kandidieren wolle. Inzwischen waren in der CDU Zweifel darüber aufgekommen, ob Siegfried Kauder den Herausforderungen des Amtes noch gewachsen sei. Doch der 61-Jährige verneinte stets Fragen nach einer Krankheit.

»Die Schlichtung ist keine dankbare Aufgabe«, sagt denn auch Erwin Teufel. »Es ist klar, dass ich keine Partei ergreife.« Mit Volker Kauder ist er befreundet: »Aber ich habe nie mit ihm über seinen Bruder in dieser Situation gesprochen, aus Feinfühligkeit und Rücksichtnahme«, sagt er.

Volker, das ist zweifellos der Gute, zumindest der Bessere des Brüderpaars. Er sitzt seit 1990 im Bundestag und hat es dort zu etwas gebracht. 2005 war sein Jahr: Zunächst wurde er Generalsekretär der CDU, dann, nach der Wahl von Angela Merkel zur Kanzlerin, bestimmte ihn die Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Das ist er seitdem und auch die politischen Gegner bescheinigen ihm, einen ordentlichen Job zu machen.

Stolz auf ihren Abgeordneten sind die Menschen auch in Volker Kauders Wahlkreis. Warum auch nicht: Er muss zu allen erdenklichen Themen vor den Kameras etwas sagen und auch in der überörtlichen Presse ist er präsent.

Aber nicht nur dort. Volker Kauder weiß, wo seine Wurzeln sind. Regelmäßig nimmt er Termine im Wahlkreis wahr. Sommers tourt er durch die beiden Landkreise Rottweil und Tuttlingen, hört den Menschen zu und lässt sich berichten, wo ihnen der Schuh drückt.

Kauder, in Hoffenheim geboren und über Singen, Immendingen und Freiburg nach Tuttlingen gekommen, demonstriert den Schulterschluss mit der Basis. Das hat er seinem jüngeren Bruder voraus. Der Unionsfraktionschef zeigt, dass er ziemlich gut zwischen der großen Berliner Politik und den kleinen Nöten der Menschen im Wahlkreis umschalten kann. Das nimmt man ihm ab, dafür wird er geschätzt und deswegen wird er vermutlich am Freitagabend wieder nominiert, zum siebten Mal hintereinander.