Trommeln für ihre Gemeinschaftsschulen (von links): Franz Dury, Stephanie Schick, Peter Singer, Stefanie Heß, Ralf Schneider, Kristin Hauser, Willy Schmidt, Katharina Hirt, Mario Munding und Alexander Hermann aus dem Schulamtsbezirk Donaueschingen. Foto: Heinig

Rektoren ziehen Zwischenbilanz. "Kinder vom Land" werden selbstständiger, teamfähiger und sozialer

Villingen-Schwenningen/Rottweil - Acht Schuljahre lang sind viele Erfahrungen mit der von Rot-Grün eingeführten Gemeinschaftsschule gemacht worden. Es sind auch messbare Erfolge erzielt worden, wie die Schulleiter von sechs der acht Gemeinschaftsschulen (GMS) im Bezirk des Staatlichen Schulamts Donaueschingen meinen.

Aber: Nicht nur Eltern, auch viele Grundschullehrer durchschauten die Schulart noch nicht komplett, schildert Willy Schmidt, Rektor der Konrad-Witz-Schule (Rottweil), seine Erfahrungen. Anders lasse sich die Verunsicherung von Eltern nicht erklären, die sich auf der Suche nach einer weiterführenden Schule fürs Gymnasium als die für ihr Kind vermeintlich beste Möglichkeit entscheiden. Schulrat Ralf Schneider berichtet, dass die Übergangs-quote auf Gymnasien in seinem Bezirk bei bis zu 60 Prozent liege. Alarmierend: Knapp 40 Prozent dieser Schüler kehren nach wenigen Schuljahren überfordert um – im Fachjargon "abschulen" genannt. "Es steckt trotzdem Potenzial in ihnen. Ein solches Scheitern könnte man jedem ersparen", sagt Stephanie Schick, Rektorin der Goldenbühlschule (VS-Villingen).

An der GMS lernt jeder Schüler auf seinem persönlichen Niveau, kann Hauptschul- und mittleren Bildungsabschluss erreichen oder sich für einen späteren Übergang zum Gymnasium vorbereiten. Dabei komme es bei einzelnen Schülern immer wieder zu "erstaunlichen Entwicklungen", sagt Mario Munding, Konrektor an der Eschachschule (Dunningen). Aus undisziplinierten Schülern würden soziale, aus "Chaoten" strukturierte junge Menschen.

Rektorin Katharina Hirt erklärt den Begriff des "Lern-Begleiters", der Kritiker irritiert und an Qualifikationen zweifeln lässt: "Das sind ausgebildete Lehrer mit der Zusatzaufgabe der individuellen Beratung von Schülern und Eltern." Das pädagogische Konzept sehe vor, dass jeder Schüler die persönliche Zuwendung des Lehrers oder der Lehrerin erfahre, sein Fortkommen besprechen und selbst gestalten könne.

Gelernt wird an der GMS im Klassenverbund, in Gruppen oder auch an Einzel-arbeitsplätzen und das parallel auf dem G-, dem fortgeschrittenen M- und dem gymnasialen E-Niveau. Die Schüler gehen damit einen angstfreien Weg, denn in der GMS gibt es dank Lernentwicklungsberichten keine Noten – und es bleibt niemand sitzen. "Es gibt nicht den guten und den schlechten Schüler. Jeder Schüler hat seine Stärken", behauptet Hirt.

Pädagogen plädieren dafür, "dass man sich nicht wieder etwas Neues ausdenkt"

Die Bickebergschule (VS-Villingen) von Alexander Hermann gehört zu den GMS-Startern. Die ersten Abschlüsse auf Haupt- und Mittlerem Bildungsniveau wurden 2018 erreicht und brauchten den Vergleich mit herkömmlichen Schularten nicht zu scheuen. Zumindest was die Noten angeht. Bei den "weichen" Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und Sozialverhalten seien seine Schüler aber deutlich weiter, stellt Hermann fest, was Rückmeldungen aus Industrie und Wirtschaft bestätigten.

Franz Dury, Chef der Lucian-Reich-Schule in Hüfingen, ist deshalb vom gemeinsamen Lernen leistungsunter-schiedlicher Schüler überzeugt, und Stefanie Heß, Konrektorin an der Konrad-Witz-Schule, erlebt es täglich, dass Schüler einander helfen und dabei "ihr Wissen ungemein vertiefen". Für die Gemeinden Dauchingen, Niedereschach und Deißlingen sei die GMS ein Glücksfall gewesen, sagt Peter Singer, Rektor der Gemeinschaftsschule Eschach-Neckar. Die "Kinder vom Land" müssen jetzt nicht mehr eine weiterführende Schule "in der Stadt" erreichen. Dass alle Schularten mit der wachsenden Heterogenität von Schulklassen zu kämpfen haben, zeige, dass von Realschulen und Gymnasien inzwischen Lernelemente des GMS-Konzepts übernommen werden.

Das Abitur kann man an den Gemeinschaftsschulen im Schulamtsbezirk bislang (noch) nicht machen. Gymnasiale Lehrkräfte haben aber alle. Die Schüler mit entsprechendem Niveau können aber jederzeit auf Berufs- oder allgemeinbildende Gymnasien wechseln und nebenbei auch noch ein Jahr bis zum Abitur gewinnen, aus G8 also G9 machen. GMS-Lehrer entwickeln Lerneinheiten und Lernwegelisten gemeinsam, in enger Absprache und mit dem gleichen Ziel: "An der Gemeinschaftsschule wird kein Kind alleine gelassen", wie Katharina Hirt verspricht.

Schmidt wünscht sich dafür aber mehr Unterstützung von der Schulpolitik – speziell ein Absenken des Klassenteilers von derzeit 28 Schülern. Generell plädieren alle GMS-Pädagogen dafür, dass sich das erarbeitete System jetzt etablieren kann und "man sich nicht wieder etwas Neues ausdenkt". Alle genannten Schulen laden zudem ein: "Jeder darf zu uns kommen und zuschauen, wie wir arbeiten."