Aufgrund einer Gesetzesänderung darf Klärschlamm aus kommunalen Kläranlagen ab dem Jahr 2029 in Kraftwerken nicht mehr mitverbrannt werden, um den enthaltenen Phosphor als Rohstoff rückgewinnen zu können. Deshalb bedarf es auch für Villingen-Schwenningen und die Region einer neuen Lösung.
Villingen-Schwenningen - Die Klärschlämme der Kläranlagen Villingen und des Abwasserzweckverbandes (AZV) Oberer Neckar werden bisher nach erfolgter europaweiter Ausschreibung an die Firma BRS geliefert. Die Firma BRS betreibt direkt neben der Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Oberer Neckar in Deißlingen eine Biovergärungsanlage. Der angelieferte Klärschlamm wird von der Firma BRS getrocknet und danach der momentan noch zulässigen Mitverbrennung in Zementwerken zugeführt.
Der Anliefervertrag des Abwasserzweckverbandes Oberer Neckar läuft noch bis zum 31. Dezember 2022 und hat eine beidseitige Verlängerungsoption um ein weiteres Jahr. Der Anliefervertrag der Stadt Villingen-Schwenningen für die Kläranlage Villingen läuft ebenfalls bis zum 31. Dezember 2022, auch hier besteht eine einjährige Verlängerungsoption. Da der Gesetzgeber die Mitverbrennung von Klärschlämmen in Kraft- oder Zementwerken ab dem Jahr 2029 verbietet, bedarf es für die Entsorgung und Verwertung einer anderen Lösung.
Änderung ab dem Jahr 2029
Zulässig ist ab 2029 in Abhängigkeit von der Phosphorkonzentration nur noch die thermische Verwertung in sogenannten Monoverbrennungsanlagen (MonoV). Nach entsprechender Verbrennung besteht die Möglichkeit den Phosphor aus den Verbrennungsrückständen (Asche) herauszulösen und damit den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor als Rohstoff für den Wirtschaftskreislauf zurückzugewinnen.
In der Sitzung des Technischen Ausschusses am vergangenen Dienstag erläuterte Bürgermeister Detlev Bührer, dass die Stadt Villingen-Schwenningen gewillt ist, die Optionen bis 2023 für beide Kläranlagen zu ziehen. "Bis Ende 2023 müssen wir den jeweils zuständigen Landratsämtern – für die Kläranlage Villingen ist das das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis und für die Anlage in Deißlingen das Landratsamt Rottweil – erklären, welchen Weg wir bei der Klärschlamm-Entsorgung zukünftig einschlagen wollen", so Bührer.
Zwei Lösungsansätze
Hierzu gibt es zwei Ansätze, die zur Diskussion stünden. Die eine Herangehensweise, so Bührer, sei, dass sich Kommunen und Klärwerksbetreiber zusammenschließen, die Entsorgung gemeinsam ausschreiben und einen gemeinsamen Abnehmer finden. "Das heißt, sie würden interkommunal zusammenarbeiten." Der entsprechende Abnehmer könne sich bei der Ausschreibung dann auch nur auf alle Kommunen bewerben, die in diesem Zusammenschluss enthalten sind, würde jedoch mit der Kommune einen eigenen Vertrag abschließen. "Die Laufzeiten wären aber identisch, sodass nach Ablauf der Vertragslaufzeit dann wieder gemeinsam, interkommunal ausgeschrieben werden kann", erklärte Bührer.
Für den Verbraucher, der letztlich über Gebühren für die Entsorgung aufkommt, sei sicherlich interessant, dass die Vertragslaufzeiten "sehr lange" sind. Bührer vergleicht den Ansatz mit der Abfallwirtschaft und erläuterte, dass von Laufzeiten von zehn Jahren mit Verlängerungsoptionen bis auf 20 Jahre gerechnet werde. Zwar heiße das nicht, dass die Gebühren konstant auf demselben Niveau seien, da hier – wie auch bei der Abfallentsorgung – eine prozentuale Steigerung festgelegt sei, dennoch würden solch lange Verträge eine Sicherheit bieten.
"Kleine Maßnahme" als Präferenz
Die beschriebene Variante bezeichnete Bührer als "kleine Maßnahme auf kurzem Weg". Doch es gibt auch noch eine andere Option. "Man kann sich interkommunal auch zusammenschließen, um die Klärschlammentsorgung und Phosphor-Rückgewinnung selbst durchzuführen." Das müsste ein kommunaler Zweckverband gegründet werden. Der Unterschied sei, dass dieser Zweckverband dann die entsprechende Anlage selbst planen, bauen und betreiben müsste. Innerhalb Baden-Württembergs gebe es beide Ansätze, da das Land veranlasst habe, dass sich die Klärwerksbetreiber regional zusammenfinden, um einen gemeinsamen Weg zu gehen, berichtete Bührer.
Während im Raum Freiburg und Böblingen Zweckverbände gegründet wurden, gebe es in Karlsruhe, Stuttgart und Mannheim beispielsweise private Firmen, die entsprechende Entsorgungsanlagen betreiben, führte Bührer aus. Er selbst, machte deutlich, dass er die interkommunale Ausschreibung als bessere Lösung sieht. "Man kann zwar einen neuen Zweckverband gründen, aber dann haben wir die laufenden Kosten des Zweckverbandes, denn wir brauchen dann eine Zweckverbandsverwaltung, eine Leitung und ein Rechnungswesen. Das kostet alles zusätzliches Geld."
Bührer ist überzeugt, dass ein privates Unternehmen eine solche Anlage wesentlich günstiger bauen und betreiben kann, als das ein kommunaler Zweckverband könnte. Bei einem Treffen in der Neckarhalle Ende Oktober mit den interessierten Kommunen habe es weitestgehend denselben Tenor gegeben, so Bührer. Ein weiterer Grund für die vorgeschlagene Lösung sei, dass das Preisniveau der in anderen Regionen für die Entsorgung in etwa dem entspreche, was für die Stadt Villingen-Schwenningen heute auch schon bezahle. "Das bedeutet, es würde sich preislich nicht viel ändern, was positiv für den Gebührenzahler wäre."
Zustimmung aus den Fraktionen
Das Vertrauen in dieser Sache sprach Stadtrat Klaus Martin der Stadtverwaltung stellvertretend für die CDU-Fraktion aus. "Wir teilen die Auffassung, dass die kommunale Lösung auch für die Gebührenzahler wohl die bessere sein wird." Auch für Helga Baur (Grüne) ist klar, dass das der richtige Weg ist: "Für die Bürger wird natürlich der Kostenpunkt eine Rolle spielen und für uns als Grünen-Fraktion ist es zudem auch die Ökologie." Baur bezog sich dabei auf die Tatsache, dass die Klärschlämme zur Entsorgung nicht "durch ganz Deutschland" gefahren werden müssten, sondern durch die regionale Ansiedelung entsprechender Firmen die Wege kurz blieben. Zustimmung für die vorgeschlagene Vorgehensweise gab es auch aus den anderen Fraktionen, sodass das Fachgremium letztlich einstimmig die Empfehlung an den Gemeinderat aussprach.