Dominik Plumettaz von Lauwarm verteidigt seine Band gegen alle Vorwürfe. Foto: Lauwarm/PR

Die Schweizer Reggae-Band Lauwarm kam in Bern in heißes Wasser: Ihr wird kulturelle Aneignung vorgeworfen. Ein Konzert wurde abgebrochen.

Der Musiker Dominik Plumettaz muss gerade in vielen Schweizer Medien etwas klarstellen: „Wir sind keine Rassisten.“ Dass er das für seine Band Lauwarm je würde erklären müssen, damit hätte er bis vor Kurzem nicht gerechnet. Lauwarm machen unter anderem Reggae-Musik, einige Bandmitglieder tragen aus Sympathie für die afrokaribische Kultur Jamaikas Dreadlocks. Genau das ist ihnen am 18. Juli zum Verhängnis geworden. Und nicht, weil eine Schlägerbande volkstümelnder Neonazis sie als Ziel ausgemacht hätte. Ein Konzert von Lauwarm in der Berner Brasserie Lorraine wurde von der Veranstalterin abgebrochen – wegen „kultureller Aneignung“. Mehrere Gäste hätten sich „unwohl gefühlt“.

Weiße Musiker, so die Beschwerde einiger Gäste, dürften weder Dreadlocks tragen noch Reggae spielen. Ihnen fehle die leidvolle historische Erfahrung der rassistischen Ausgrenzung. Man kann aus diesen Aussagen ablesen, dass den über Lauwarm Erzürnten das Verständnis realer musikalischer Entwicklungslinien mit ihrem ständigen Hin und Her zwischen den Kulturen abgeht. Man kann konstatieren, dass sie die Hoffnung auf ein von kulturellem Austausch befördertes solidarisches Zusammenrücken der Menschheit aufgegeben haben. Wer böswillig ist, mag auch die Hysterie penetranter Wichtigtuer am Werk sehen. Die Genossenschaft Brasserie Lorraine als Veranstalterin aber erkennt nun bei sich „Sensibilisierungslücken“ und entschuldigt sich dafür, die Konzertbesucher nicht vor Lauwarm geschützt zu haben.

Gab’s das nicht schon mal?

Dominik Plumettaz hat den Konzertabbruch anders erlebt. Das Publikum habe nicht verstanden, warum die Band nicht weiterspielen dürfe, sagt er in Interviews, von den Beschwerdeführern sei nichts zu sehen und zu hören gewesen. Im Internet wird der Fall nun heftig diskutiert, es gibt breite Polemik und alle einschlägigen Argumente gegen kulturelle Grenzziehungen, Tabuzonen und Ausschlussfanatismen.

Das wundert wenig, denn der Fall Lauwarm erinnert an die Ausladung der deutschen Musikerin Ronja Maltzahn von einer Fridays-for-Future-Demo im März 2022. Ihr Auftritt war nicht mehr erwünscht, weil sie als Weiße Dreadlocks trägt. Auch damals gab es einen Sturm der Entrüstung und des Spotts. Das scheint bei manchen, so zeigt der Fall Lauwarm, aber nur den Willen bestärkt zu haben, eine extrem spalterische Variante der Wokeness weiter zu befördern.