1999 feiert ein 22 Jahre alter Michael Ballack beim Länderspiel gegen Schottland sein Debüt im schwarz-weißen Trikot. Der gebürtige Görlitzer wird in Bremen von Teamchef Erich Ribbeck für Dietmar Hamann eingewechselt. Das Spiel endet 0:1. Foto: Baumann

Der unfreiwillige Abschied von Michael Ballack aus der National-Elf ist eskaliert.

Leverkusen/Berlin - Schmutzige Scheidung und heftige Schuldzuweisungen: Der unfreiwillige Abschied von Michael Ballack aus der Nationalmannschaft ist am Wochenende zu einem Rosenkrieg eskaliert, aus dem nicht nur der langjährige DFB-Kapitän, sondern auch Bundestrainer Joachim Löw und der Deutsche Fußball-Bund schwer beschädigt hervorgehen. Durch seinen Generalsekretär Wolfgang Niersbach wies der Verband am Samstag die harsche Kritik des 98-maligen Nationalspielers an seinem Karriereende in der DFB-Elf entschieden zurück. Ballack wiederum legte einen Tag später per Pressemitteilung nach, warf Löw eine „Hinhaltetaktik“ und dem DFB unverhohlen eine Lüge vor. In der Causa steht Aussage gegen Aussage.

„Ich finde es schade, jetzt erneut Aussagen lesen zu müssen, die nicht der Wahrheit entsprechen und auf die ich reagieren muss“, verkündete Ballack in einer langen Presseerklärung, die von seinem Arbeitgeber Bayer Leverkusen verschickt wurde. Niersbach sei bei keinem der Gespräche dabei gewesen, die er mit Bundestrainer Löw geführt habe, erklärte Ballack. „Wenn der Bundestrainer Wolfgang Niersbach erzählt haben sollte, er habe bei unserem Gespräch am 30. März zu mir gesagt: 'Micha, das war's für dich und lass das jetzt mal sacken', oder 'Ich plane nicht mehr mit dir', dann ist das schlichtweg nicht wahr. Das genaue Gegenteil war der Fall.“

Laut Ballack habe Löw in dem Gespräch vermittelt, „dass er mich nach meinen Verletzungen wieder auf einem guten Weg sieht und durchaus daran glaubt, dass ich es in jedem Fall noch einmal schaffen kann, in die Nationalmannschaft zurückzukehren“. Löw habe ihn „motiviert und aufgefordert, nicht hinzuschmeißen“. Die „Hinhaltetaktik des Bundestrainers“ habe nicht zu Löws Aussagen gepasst. Zudem habe Teammanager Oliver Bierhoff im Frühjahr in einer TV-Sendung „sinngemäß“ gesagt, „dass man sich nicht alle Türen zuschlagen wolle und Michael Ballack noch sehr wichtig werden könne“.

Seite 2: Ballack wollte offenbar zurücktreten

Ballack erklärte erstmals öffentlich, dass er sich im Mai entschlossen habe, zurückzutreten, was er Löw und Niersbach auch mitgeteilt habe. „Wir vereinbarten, dass ich in der Sommerpause meinen Rücktritt selbst bekanntgeben dürfe. Ein genaues Datum, geschweige denn eine Frist, stand dabei nie zur Debatte“, so Ballack.

Die zuvor von Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler geäußerte Hoffnung auf ein „versöhnliches Ende“ des Konflikts platzte am Sonntagnachmittag mit einem lauten Knall. „Als Joachim Löw mich im Urlaub letzte Woche nicht erreichte, musste ich plötzlich von Wolfgang Niersbach eine Stunde vor Veröffentlichung der Pressemitteilung des DFB per SMS erfahren, dass der Bundestrainer 'nicht mehr mit mir plant'. Drei Tage vor meinem Urlaubsende, wissend, dass ich danach wieder uneingeschränkt erreichbar bin und man genügend Zeit hat, bis die Bundesliga-Saison wieder beginnt, hat man konträr zu unserer Absprache diese Pressemitteilung verfasst“, ließ Ballack verbreiten - und warf dem DFB vor, gegen die Abmachung seines selbst zu verkündenden Rücktritts verstoßen zu haben.

Nun wolle er das Thema abschließen „und mich voll und ganz auf meine Ziele mit Bayer 04 Leverkusen konzentrieren“, schloss das Communiqué. Völler hatte vor dem Trainingsauftakt noch erklärt: „Ich weiß, wie stur Michael Ballack ist. Ich habe mit Michael gesprochen und die Hoffnung auf ein versöhnliches Ende noch nicht aufgegeben.“

Darauf hoffte zunächst auch Niersbach noch, der am Samstag in einem Interview auf der DFB-Homepage mit aller Schärfe auf Ballacks erste Vorwürfe reagiert hatte. „Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, schon gar nicht für Begriffe wie „Scheinheiligkeit“ und „Farce“, die er in diesem Zusammenhang gewählt hat“, sagte der Generalsekretär. „Aus meiner Sicht sind alle Gespräche absolut korrekt und fair verlaufen.“ Löw selbst ging auf die Angriffe nicht näher ein. „Ich weiß genau, was in meinen Gesprächen mit Michael besprochen wurde. An meinen Aussagen wird sich nichts ändern.“

Detailliert stellte dafür Niersbach die DFB-Sicht dar, wie und wann die Treffen mit dem langjährigen Kapitän stattfanden. Seit dem 30. März wisse Ballack, dass Löw ohne ihn plane. „Es wurde gemeinsam - ich betone: gemeinsam - vereinbart, zunächst Stillschweigen zu bewahren, Michael auch Zeit zu geben, nochmals in aller Ruhe nachzudenken, um dann in einem abschließenden Gespräch mit Joachim Löw festzulegen, wie die Entscheidung letztlich kommuniziert werden sollte“, sagte der Generalsekretär.

Seite 3: Vorwurf der Scheinheiligkeit

Nach den Länderspielen zum Abschluss der Saison gegen Uruguay, Österreich und Aserbaidschan Anfang Juni habe sich Ballack laut Niersbach äußern wollen. Doch gab es seitdem keinen Kontakt mehr. Am Donnerstag teilte Löw dann über den DFB mit, dass er künftig auf den 98-maligen Nationalspieler verzichten werde. Einen Tag später warf Ballack dem Bundestrainer „Scheinheiligkeit“ vor und lehnte ein Abschiedsspiel gegen Brasilien am 10. August als „Farce“ ab.

„Es ist schade, dass er jetzt so reagiert. Wir haben in den vergangenen Wochen wirklich gute und offene Gespräche geführt“, sagte Niersbach. „Danach konnten wir davon ausgehen, dass es durchaus auch in seinem Interesse lag, noch einmal als Kapitän der Nationalmannschaft aufzulaufen.“

Der DFB hätte ihm sogar angeboten, sowohl gegen Uruguay Ende Mai als auch gegen Brasilien zu spielen, um somit auf 100 Länderspiele zu kommen. Das wollte Ballack aber nicht, „weil ihm die Zahl nicht so wichtig war, dass er sie unter allen Umständen erreichen wollte - so jedenfalls hat er es mir vermittelt“, berichtete der Funktionär.

Ballack hatte sein letztes Spiel im DFB-Trikot am 3. März 2010 beim 0:1 gegen Argentinien bestritten, die anschließende WM verpasste er wegen einer Fußverletzung. Beim Turnier in Südafrika und in der Zeit danach unterstrich das junge DFB-Team mit seiner Spielweise, dass es Ballack als „Capitano“ nicht mehr braucht.