Alex Kopf vom Historischen Verein erinnerte in einem Vortrag daran, dass bis Mitte des 20. Jahrhunderts 13 Zigarrenfabriken in Ichenheim standen. Vor allem Frauen waren dort beschäftigt – für sie war es ein willkommener Hinzuverdienst.
In zweiwöchigem Rhythmus bietet die Generationen-Gemeinschaft Ichenheim im ökumenischen Gemeindehaus einen Nachmittag mit Unterhaltungs- und Gesprächsangeboten an. Wilma Heitz begrüßte dazu als Referenten Alex Kopf vom historischen Verein, der sich eingehend mit dem Leben und den Menschen in früheren Zeiten in Ichenheim befasst und dies auch für seine beliebten Historischen Dorfrundgänge zusammengefasst hat.
In seinem Vortrag schilderte Kopf den Gästen, wie die Tabakindustrie Anfang des 20. Jahrhunderts in Baden der Industriezweig mit den meisten Beschäftigten war. In Ichenheim bauten damals viele Landwirte Tabak an und in den 1890er-Jahren entstand in der Ringstraße die erste Zigarrenfabrik. Sie gehörte den Gebrüdern Bernhard aus Offenbach, Werkmeister war Johan Paul Ebe. Das Gebäude, in dem 15 Frauen Arbeit fanden, wurde im Dorf „s’Ebes“ genannt. Der Rohtabak wurde mit Fuhrwerken angeliefert und auf dem Rückweg nahm der von Pferden gezogene Wagen die fertig gerollten Zigarren mit nach Offenburg; wo sie sortiert und verpackt wurden.
Die Wurth-Brüder Max, Otto und Julius prägten die Zigarrenfabriken
„Vor allem Frauen fanden Arbeit in den 13 Zigarrenfabriken, die nach und nach im Dorf entstanden“, so Referent Kopf. Die Wickelmacherinnen verdienten für 100 Zigarrenrohlinge umgerechnet etwa eine Deutsche Mark, die Zigarrenmacherinnen bekamen für 100 Zigarren 1,20 Deutsche Mark. Für die Frauen war dies eine willkommene Möglichkeit zum Hinzuverdienst, allerdings auch eine Mehrbelastung, denn sie hatten viel zu leisten mit dem Haushalt, der Kindererziehung und meist der eigenen Landwirtschaft mit Tabakanbau. Bis zu acht Stunden arbeiteten sie täglich in den Fabriken, dabei sangen sie neben der Arbeit manchmal alte Volkslieder und tauschten auch Neuigkeiten aus. „Die Zigarrenfabriken waren damals so etwas wie das Amtsblatt für das Dorf“, so Kopf in seinem mit vielen lustigen Anekdoten gespickten Vortrag.
Er zählte die genauen Standorte die 13 Zigarrenfabriken auf, die Namen und Familienzusammenhänge ihrer Gründer und erwähnte auch die Zahl der Mitarbeiter. Keine Familie im Dorf habe die Zigarrenfabriken so stark geprägt wie die Wurth-Brüder Max, Otto und Julius. Alle drei hatten an verschiedenen Standorten Zigarrenfabriken, Julius Wurth betrieb darüber hinaus zeitweise mit seinem Bruder Otto unter dem Namen Rheinische Tabakmanufaktur eine Handelsfirma.
In den Wirren des Zweiten Weltkriegs musste die Zigarrenproduktion vielfach eingestellt werden. 1948 nahmen nahezu alle Zigarrenfabriken im Dorf ihren Betrieb wieder auf. Ende der 1950er-Jahre wurden durch die Einführung der Vollautomatisation die kleinen Betriebe unrentabel. Für sie gab es vom Staat eine Liquidationshilfe in Form einer Steuerrückvergütung und daraufhin wurden 1957 in Ichenheim die Zigarrenfabriken aufgegeben. Nur die Firma von Max und Walter Wurth produzierte noch bis 1963.
Viel Beifall der Zuhörer war der Lohn für den unterhaltsamen und informativen Vortrag über „ein einst blühendes Gewerbe“, wie es der Referent Kopf nannte.
Fabriken in Ichenheim
Gebrüder Bernhard in der Ringstraße: Heinrich Weißkopf in der Bahnhofstraße, später verkauft an die Firma Geiger aus Oberweier; Wilhelm Bläsi und August Jäger in der Schopfheimerstraße, später führte August Jäger diesen Betrieb alleine weiter und richtete in der Bahnhofstraße eine Fabrik in einem Haus ein, ab 1933 führte sein Sohn, der ebenfalls August hieß, den Betrieb weiter, dann als er zur Wehrmacht musste, sein Bruder Christian; Georg und Mina Jäger auf dem Ottenweier Hof, später wurde die Fabrik in die Magdalenenstraße 24 verlegt; Johann Georg Stocker in der Rheinstraße; Julius Wurth in der Hauptstraße, mit seinem Bruder Otto Wurth betrieb er auch einen Tabakhandel mit Namen Rheinische Tabakmanufaktur; Anton Krumm in der Wilhelmstraße; Heinrich Wurth, Friedrichstraße; Heinrich Bläsi in der Karlstraße; Otto Wurth zusammen mit Georg Jäger in der Schopfheimerstraße, Georg Jäger schied bald aus, dann führte Otto Wurth in der Bahnhofstraße 6 einen Betrieb; Max Wurth in der Wilhelmstraße, später in der Hauptstraße, ab 1957 bis zur Schließung 1963 wurde der Betrieb von seinem Sohn Walter Wurth weitergeführt; Albert Bläsi in der Rheinstraße, heute Hohweg; Firma Geiger aus Oberweier kaufte 1906 das Fabrikgebäude in der Bahnhofstraße von Heinrich Albert Weisskopf, 1928 kaufte diese Firma auch das hintere Gebäude auf dem Gelände von Otto Wurth.