Rund 25 Interessierte fanden am Freitagabend den Weg ins Mehrgenerationenhaus in Friedlingen zu einer Veranstaltung, zu der die Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg eingeladen hatte.
Andreas Speit, Journalist unter anderem bei der „taz“ und „Zeit online“ sowie Mitautor und -herausgeber von Büchern zum Thema Rechtsextremismus, stellte die Ergebnisse einer Studie vor, die er im Auftrag der Bündnis90/Die Grünen nahestehenden Stiftung erstellt hat. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass es enge Verbindungen zwischen den selbsterklärten Reichsbürgern, die die Bundesrepublik Deutschland ablehnen, und Teilen der alternativen Szene im Südwesten gibt.
Frauen denken um
„Wir reden zu wenig darüber“, hielt er zu Beginn seines Vortrags fest. Rund 4000 „Reichsbewegte“ gebe es nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg. Zu der einst männerdominierten Bewegung seien mit dem Aufschwung der „Querdenker“ mehr Frauen gekommen. Nicht zuletzt bei Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen seien Verbindungen deutlich geworden zwischen dem alternativen Milieu, auch antroposophischer und christlich-evangelikaler Ausrichtung, und kleinen rechten Gruppen.
Reichsfahnen neben Peace-Flaggen
Reichsfahnen neben Peace-Flaggen – was bei einer der großen Demonstrationen in Berlin augenscheinlich war, sei auch im Südwesten zu beobachten. Mehrere Mitglieder der Patriotischen Union um Heinrich Prinz Reuß, die nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts einen bewaffneten Staatsstreich gegen die Bundesrepublik geplant haben soll, kommen aus Baden-Württemberg. Beispiele sind der ehemalige Bundeswehr-Angehörige Rüdiger von Pescatore, der in Münstertal-Neuhof festgenommen wurde und einer der Rädelsführer des geplanten Umsturzes sein soll, oder eine ehemalige Bundestagskandidatin der Partei Die Basis im Bodenseekreis, die als mutmaßliche Mitverschwörerin vor Gericht steht.
Unterschiedliche Milieus
Ausgehend von weiteren Festnahmen zeichnete Speith ein facettenreiches Bild der Milieus, die in dieser Bewegung vertreten sind. Sie reiche weit hinein in die bürgerliche Mitte. Unter ihnen seien Bundeswehr- oder Polizeiangehörige. Zur AfD gebe es enge Verbindungen. Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs habe sich das Themenspektrum der Reichsbewegten erneut erweitert.
Spezifische Prägung im Südwesten
Warum diese Bewegung ausgerechnet in Baden-Württemberg so stark sei, fragte eine Zuhörerin im Anschluss. Dies möge so erscheinen, da er bei seinem heutigen Vortrag einen Schwerpunkt auf dieses Bundesland gelegt habe, gab der Publizist zur Antwort. In Bayern sehe es kaum anders aus.
Andererseits verweist er auf spezifische Prägungen im deutschen Südwesten: eine Kultur des Protests, die sich auf historische Vorbilder bis hin zu den Bauernkriegen berufe, eine alternative Szene, esoterische und freikirchliche Strukturen.
Parallelstrukturen werden gefördert
Anders als in anderen Ländern würden deren Strukturen staatlich gefördert, gab er auf die Frage hin zu zu bedenken, ob dies ein typisch deutsches Phänomen sei. Für ihn zählen dazu die Anerkennung freier Schulen und Heilpraktiker.
Im Gespräch bleiben
„Haben Sie einen Therapievorschlag?“ – Diese Frage stellte am Schluss der Veranstaltung der ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey. „Wenn Menschen so denken, dann helfen keine Fakten“, warnte Spieth, sich auf eine Diskussion zu ideologischen Fragen einzulassen. Dennoch gelte es, im Gespräch zu bleiben, etwa über persönliche Themen und Schwierigkeiten. Um Umstehenden – etwa in einem Verein – klar zu machen, dass man gewisse Aussagen für falsch halte, sollte man das aber doch klar benennen können, ergänzte ein Zuhörer.