Im Bürgersaal gibt Heimatforscher Willy Schoch den Zuhörern einen Einblick in interessante und unterhaltsame Aspekte der Schenkenzeller Geschichte. Foto: Seniorenwerk Schenkenzell

„Aus unserer Heimat – Alte Bräuche, lustige Dorfgeschichten und Erinnerungen an Schenkenzeller Originale“ lautete der Titel des Bildvortrages von Heimatforscher Willy Schoch für das Seniorenwerk Schenkenzell, der bei den Zuhörern gut ankam.

Das Interesse an der Heimatgeschichte lockte eine große Zahl an Zuhörern in den Bürgersaal.

 

Vier Bäckereien gab es um 1900 im Ort bei einer relativ geringen Einwohnerzahl von 530 Einwohner, führte Schoch eingangs aus. Eine davon war die Inselbäckerei. Die einhundertzwanzigjährige Ära endete auf der Insel 1972. Gebaut wurde das Wohn- und Bäckereigebäude vom Drei-König-Wirt Johann Baptist Springmann 1837. Über der Eingangstür sind heute noch die Initialen zu sehen.

Erster Bäcker auf der Insel war August Springmann. Es folgten Andreas Lehmann als zweiter Inselbeck. Johannes Lehmann, auf der Insel 1896 geboren, setzte die Familientradition als dritter und letzter Inselbeck fort. Bis ins hohe Alter von 76 Jahren verwöhnte er seine Dörfler mit dem hervorragenden Holzofenbrot, den Batzen, Spitzwecken und Zwieback. Johannes Lehmann pflegte einen besonderen Brauch, und zwar Brot und Salz zur Hochzeit zu schenken. Dies soll in der Zukunft für Wohlstand und Kinder sorgen. In einer Backform fertigte er eine Backware. Das Fertigprodukt wurde dann dem Brautpaar vom Inselbeck mit den Worten überreicht: „Wir wünschen Euch Glückseligkeit und jedes Jahr ne Kleinigkeit“. Johannes Lehmann starb 1987 im Alter von 91 Jahren.

Ein weiteres Schenkenzeller Original war Flaschner Johannes Müller. Ein Handwerker der alten Sorte. Sein Vater erwarb das Betriebsgebäude, welches vom Bau der Kinzigtalbahn übrigblieb, zum Abbruch und wollte es im Oberdorf als Wohnung und Flaschnereibetrieb wieder aufbauen. Vielleicht hatte er sich 1888 dabei etwas zu viel zugemutet. Schließlich war er Flaschner und kein Maurer oder Zimmermann. Was lag nahe, als das Baugrundstück und die darauf liegen Baumaterialien an einen örtlichen Maurer zu verkaufen. Innerhalb kurzer Zeit stand das Wohngebäude.

Suche nach einer Bleibe

Zwischenzeitlich war der Flaschner Johannes Müller Senior verheiratet und suchte eine Bleibe für seine Familie. Fand diese auch, indem er das stehende Wohnhaus zurückkaufte. Dort kamen dann auch die Kinder Jakob und Johannes zur Welt. Beide ergriffen den Flaschnerberuf . 1932 erwarben sie von Zimmermeister Wilhelm Müller das Geschäftshaus neben dem Rathaus und führten dort ihren Flaschnereibetrieb fort. Sein Bruder Jakob Müller starb frühzeitig. Übrig blieb nur noch Johannes Müller. Obwohl er 1967 den Installationsbetrieb an seinen Sohn Peter übergab, war er noch täglich mit über 80 Jahren in der Werkstatt zu finden. Immer gefällig, gemütlich und zugänglich. Mancher Hausfrau half er aus der Patsche, als beim Kochen das Gas ausging. Ein Anruf genügte und Johannes schwang sich auf sein Fahrrad mit einer neuen Gasflasche auf dem Gepäckträger. Dienst am Kunden war vor allem auch das Löten von Kochhäfen, Metalleimern und Bettflaschen.

Ein Lob auf das Löten

Der angesehene Bürger pflegte den Stammtisch nach Feierabend. Wenn der Spätschoppen bei der Resi im „Adler“ etwas ausgedehnter als sonst ausfiel, war in lustiger Runde von Johannes der unvergessliche Ausspruch zu hören: „Hoch auf Türmen, hoch auf Dächern, ist ein Blechdach auszubessern. Nicht mit Ziegeln, nicht mit Stein, nein, es muss gelötet sein“. Flaschner Johannes Müller starb 1977 im Alter von 84 Jahren und hinterließ vier Kinder.

Die Zuhörer waren begeistert: Willy Schoch hatte diese und weitere Ausschnitte aus der Schenkenzeller Heimatgeschichte wieder interessant vermittelt.