Rolf Frankenberger hat in Lahr einen Vortrag über Gefahren für die Demokratie gehalten. Er zeigte, wie tief problematische Inhalte in der Gesellschaft verankert sind.
Der Vortrag im Alten Rathaus, zu dem zwischen 40 und 50 Zuhörer kamen, war Teil der „Woche der Demokratie“ und wurde von allen Fraktionen des Lahrer Gemeinderats mit Ausnahme der AfD organisiert.
Referent Rolf Frankenberger ist Geschäftsführer Forschung am Institut für Rechtsextremismusforschung an der Eberhard-Karls-Uni Tübingen und forscht zu politischer Kultur und Lebenswelten, extrem rechten Ideologien und deren Veralltäglichung. Zu Beginn des Vortrags ging er auf aktuelle Entwicklungen ein: Der Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Gerade sei mit der „Letzten Verteidigungswelle“ eine sehr junge rechte Terrorgruppe aufgeflogen. Zudem verwies der Experte auf das Reichsbürgerspektrum. „Es gibt zahlreiche Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten“, fasste er zusammen. Dabei ging es um Ambitionen aus dem Spektrum der extremen Rechten – also jenseits dessen, was man als „demokratisch konservativ rechts“ bezeichnet.
Problematische Begriffe sind Teil des alltäglichen Sprachgebrauchs
Im ersten Teil des Vortrags ging es darum, Begriffe wie „rechts“, „rechtsextrem“ oder „faschistisch“ zu definieren. „Ist es überhaupt ein Problem rechts zu sein?“, fragte Frankenberger. Seine deutlich Antwort: Nein, das sei genauso wenig ein Problem, wie links zu sein – sofern man sich denn in den Grenzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewege. Daher verschreckten Begrifflichkeiten wie „Demo gegen rechts“ oftmals die demokratischen Kräfte rechts der Mitte. Dies hält Frankenberger für problematisch – und begrüßte deshalb den Umstand, dass in Lahr unter den Veranstaltern des Vortrags „alle demokratischen Stadtratsfraktionen“ vertreten seien.
Ohnehin, erklärte der Tübinger Dozent später, seien die Gräben zwischen links und rechts im demokratischen Spektrum vielleicht gar nicht so groß, wie man immer denke. Im Vortrag verdeutlichte Frankenberger, dass der Konservatismus die parlamentarische Demokratie trage. Die „Extreme Rechte“ sei im Deutschen dagegen eine Sammelbezeichnung des Spektrums rechts des demokratischen Konservatismus. Hier spiele auch Menschenfeindlichkeit eine Rolle.
Mit Begrifflichkeiten und ihren Hintergründen befasste sich Frankenberger auch in einem späteren Teil seines Vortrags, in dem es um die Veralltäglichung extrem rechten Denkens ging. „Diese Entwicklung finde ich besonders prägnant und erschreckend“, so der Experte. Vieles werde unreflektiert in den Sprachgebrauch übernommen. Als Beispiel nannte er den Begriff der „Flüchtlingswelle.“ Dieser sei entmenschlichend: Individuen, die aus welchem Grund auch immer Schutz suchen, werden damit zu einem bedrohlichen Naturphänomen gemacht. Frankenberger hält es für „hoch problematisch“, dass der Begriff heutzutage kaum mehr hinterfragt werde.
Eltern sollten im Diskurs mit den Kindern nicht die Moralkeule schwingen
In der folgenden Diskussion wurde Frankenberger gefragt, was er Politikern demokratischer Parteien für den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien empfehle. Der Politologe legte dar, dass es zu wenig Fälle gebe, um wissenschaftlich fundierte Aussagen zu treffen. Doch zeigten bereits ganz viele Beispiele, dass es eben nicht funktioniere, extrem rechte Parteien durch Beteiligung zu entzaubern – dieses Vorgehen habe weder in Österreich noch in Italien funktioniert.
Als einziges potenzielles „Role Model“ fiel ihm die Wallonie ein, der französischsprachige Teil Belgiens. Dort bekomme keine rechtsextreme Partei auch nur einen Fuß auf den Boden. Das sei mit darauf zurückzuführen, dass die demokratische Zivilgesellschaft extrem gut vernetzt sei, die demokratische Parteien keine Scheu hätten, sich abzugrenzen und die Medien dies im Sinne der Demokratie mittragen.
Auch auf die Beeinflussung von Kindern ging Frankenberger ein. Die Identitäre Bewegung etwa verteile Flyer an Schulen. Auch über Social Media oder auf Online-Spieleplattformen würden Deutungsangebote gemacht. Eltern rät der Fachmann, in den Diskurs zu gehen und nach Motiven suchen, weshalb Kinder gegebenenfalls bestimmte Parteien oder Inhalte spannendend finden. Dabei dürfe aber nicht die moralisierende Keule geschwungen werden.
Heute Abschluss der „Woche der Demokratie“
Der Runde Tisch Offenburg/Ortenau und der Verein Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg laden von 15 bis 19 Uhr in das Gemeindehaus Kreuzkirche (Doler Platz 7). In einem Workshop geht es anhand historischer Beispiele und Dokumente darum, ob soziale Bewegungen die Chance haben, Demokratie von unten zu etablieren. Im Schlachthof spielen ab 20 Uhr regionale Bands, um ein Zeichen gegen Populismus und Demokratiefeindlichkeit zu setzen, wie es in der Einladung heißt. Der Eintritt kommt dem „Forum Demokratie“ zur Finanzierung von anderen im Rahmen der „Woche der Demokratie“ stattfindenden Veranstaltungen zugute. Von 10 bis 15 Uhr läuft auf dem Schloßplatz die Kundgebung „Markt der Demokratie“. Diese bietet Initiativen, Vereinen, Parteien, Medien, Institutionen und Einzelpersonen eine Bühne, um ihre Aktivitäten vorzustellen. Die Kundgebung soll ein Ort des Gesprächs, der Begegnung und der Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Meinung und Herkunft sein. An den Ständen wird es Diskussions- und Mitmach-Angebote geben. Für Musik sorgen „Die Worlderers“ und Helmut „Hämme“ Dold.