Jugendleiterin Meral Celik (rechts) dankte Sissi Clausen, Coach nach Fehlgeburt, für den Vortrag in der Eutinger Auszeit. Foto: Feinler

Mit einem drehbaren Smiley und Wahrnehmungsübungen zeigte Sissi Clausen, Coach nach Fehlgeburt, am Sonntag in der Auszeit auf, wie sie Krisen bewältigt. Das Mut-Seminar wurde mit dem JRK des DRK-Ortsvereins Eutingen umgesetzt.

Eutingen - "Ich lache, aber eigentlich ist mir nicht so zumute", zeigt die 31-Jährige auf ein Urlaubsfoto, auf dem sie mit einem Lächeln zu sehen ist. Sissi Clausen legt das Bild auf den Tisch und nimmt ein Blatt mit einem Smiley darauf in die Hand. Wer diesen umdreht, erkennt hinabgezogene Mundwinkel. "Nur weil jemand lacht, heißt das nicht: ›Es ist alles gut‹", macht sie den elf Zuhörern klar.

Das zuvor gezeigte Foto wurde drei Wochen nach ihrer Fehlgeburt gemacht, und da sei es ihr beim besten Willen nicht zum Lachen gewesen. Immer wieder habe die damalige Mutter einer Tochter sich ertappt, wie sie in komischen Situationen lachen musste und darüber erschrocken war. Ehrlich und detailliert berichtete Sissi Clausen von der schlimmsten Zeit ihres Lebens. Wie bei der ersten Schwangerschaft mit ihrer Tochter, so habe sie sich auch vor über drei Jahren bei der zweiten Schwangerschaft sicher gefühlt. Sie habe sich keine Gedanken gemacht, dass etwas schieflaufen könnte.

Sissi Clausen steuerte auf Multi-Organ-Versagen zu

Mit viel Freude bereitete sich die bisher dreiköpfige Familie auf das Baby vor, das ein Junge werden sollte. Im April bekam Sissi Clausen Schmerzen und verlor ihr Baby in der 14. Woche im Krankenhaus. Nach der Fehlgeburt wurde sie am gleichen Tag heimgeschickt, was einige der Zuhörer schockierte. "Das ist ja auch nicht in Ordnung", stellte eine Zuhörerin später fest, die vom Umgang des Krankensystems mit der damals schwer traumatisierten Mutter enttäuscht war.

Da es Sissi Clausen körperlich zunehmend schlechter ging, suchte sie das Krankenhaus nochmals auf und brach zusammen. Sie steuerte auf ein Multi-Organ-Versagen zu und kämpfte ums Überleben. "Schön, dass es Ihnen besser geht. Das war knapp", hatte eine Ärztin nach der kritischen Phase zu ihr gesagt. Sissi Clausen beschrieb, wie sehr sie das alles mitnahm, und, dass sie sich dringend Hilfe wünschte.

Wie wenige Hilfsangebote es gibt, wurde den Zuhörern aufgezeigt. Einige wussten das selbst, denn so manche Frau berichtete von Freundinnen oder Kolleginnen, die eine Selbstgeburt erlitten hatten. "Ich habe eine Gänsehaut bekommen, als ich das gehört habe", erklärt Meral Celik, JRK-Jugendleiterin. Sie war geschockt, dass Psychologen monatelang keinen Termin hatten. Dass im Krankenhaus nur die medizinische Versorgung im Vordergrund stand, aber keine seelische oder psychische, war der Eutingerin klar. Sie hätte aber nicht gedacht, dass Betroffene so viele Hürden meistern müssen. Sprüche wie "Du bist noch jung, das klappt noch" oder: "Dann versucht ihr es nochmal", hatte Sissi Clausen immer wieder gehört.

Eine ehrliche Aussage einer Freundin half ihr

Geholfen hatte ihr nur eine ehrliche Aussage einer Freundin: "Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann, aber ich bin für dich da." Doch Sissi Clausen beschrieb, dass sie nicht aufgab und sich mit verschiedenen Möglichkeiten zu einem neuen Leben verhalf. "Der schwierige Teil des Abends ist abgeschlossen", machte sie für alle Zuhörer einen Break.

Der Coach zeigte auf, dass sie kaum Möglichkeiten ausließ, sich zu mehr Mut zu verhelfen. Anhand einer Auszählung beschrieb sie, welche Bereiche sie in ihrem Leben mit welchen Methoden änderte. Die Heilpraktiker-Ausbildung war nicht genug und so bildete sie sich zum Coach nach Fehlgeburten weiter. Dabei kam sie zur Erkenntnis: "Wenn einem so etwas passiert, dann denkt man: ›Ich bin die Einzige‹. Meine Erfahrung zeigt: Das ist ein Tabu-Thema, über das kaum einer redet."

In ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis hatten einige eine Fehlgeburt erlitten, was mit der Zeit herauskam. Mit einer Wahrnehmungsübung erfuhren die Gäste, wie man das Selbstwertgefühl erhöhen kann. "Ich hatte mir das Thema anders vorgestellt. Für mich war auch ganz viel Krisenbewältigung und Mutmachen dabei. Das ist toll", sagte ein Mann, der ganz viel mitnehmen konnte.

Weitere DRK-Vorträge sind geplant

Meral Celik dankte im Namen des DRK Sissi Clausen, allen Anwesenden und dem Auszeit-Team von Herzen. Weitere DRK-Vorträge sollen kostenfrei angeboten werden.

Beim nächsten Vortrag mit Ehrenamtlichen des DRK-Ortsvereins Bildechingen werden diese über die Eindrücke nach der Flut in Ahrweiler berichten. Der Eintritt ist kostenfrei. Das DRK sammelt Spenden für die Flutopfer.