Der Tübinger Extremismusforscher war zu Gast im Museum Bisingen.
Viele Zuhörer waren ins Museum gekommen, um Rolf Peter Frankenberger vom Institut für Rechtsextremismusforschung der Uni Tübingen zu hören. Er sprach über „Demokratie in Gefahr. Herausforderungen und Bedrohungen durch die extreme Rechte“.
Um zu verstehen, was auf dem Spiel steht, erläuterte Frankenberger, was eine liberale Demokratie ausmacht und was die Grundpfeiler der freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) sind. Historisch zeigte er am Beispiel des Verbotsprozesses gegen die Sozialistische Reichspartei in den 1950er-Jahren, dass es schon ausreicht, eines der zentralen Prinzipien der FDGO zu verletzen, damit eine Partei verboten werden kann. Das politische System, wie es in der Bundesrepublik existiert, sei also durchaus resilient, wenn sich die wehrhafte Demokratie als solche auch positioniere.
Im nächsten Schritt differenzierte Frankenberger das politische Feld zwischen „Rechts“ und „Links“: Wo für die Linke die Beseitigung von Ungleichheiten – sei es Klasse, Geschlecht oder Rasse – zentral sei, sehe die Rechte Ungleichheiten als „gewachsen“ und „naturhaft“ an. Dementsprechend sei die Linke eher geneigt, in Freiheiten einzugreifen, wenn das der Herstellung von Gleichheit dient.
Gleichheit und Demokratie stehen in Frage
Am rechten Rand des politischen Spektrums habe sich die sogenannte „Extreme Rechte“ herausgebildet hat. Dort würden das politische Gleichheitsprinzip, die fundamentale Menschengleichheit und die liberale Demokratie in Frage gestellt. Rechtsextremisten gingen von einer Ungleichwertigkeit der Menschen aus, verharmlosten und rechtfertigten den Nationalsozialismus, hätten eine Affinität zu diktatorischen Regierungsformen und fänden, dass die Gemeinschaft vor dem und der Einzelnen stehe.
Weiter gab Frankenberger Einschätzungen der aktuellen politischen Lage: Seit circa 20 Jahren ständen Demokratien unter Druck. Diktaturen seien auf dem Vormarsch.
Diktaturen auf dem Vormarsch
Bei der jüngsten Europawahl zeigte sich eine Zunahme aller rechtsextremen Parteien. Ausnahmen waren bei diesem Trend nur Irland und Slowenien.
Darüber hinaus sind laut Frankenberger ideologische Verschiebungen zu völkischem Nationalismus – Überhöhung und Mystifizierung des Volkes als ethnisch homogenes Gebilde – und Ruralismus – Überhöhung des Ländlichen gegenüber dem Urbanen – festzustellen. Der Experte prognostizierte vor allem diese letzte Konfliktlinie als Austragungsorte politischer Konflikte der Zukunft, beispielsweise beim Bau von Windkraftanlagen.
Fragwürdige Gleichsetzung von links und rechts
Mit Statistiken wies er nach, dass die latente Zustimmung zu autoritären Positionen wächst – im Westen sogar stärker als im Osten, wie eine Besucherin anmerkte. Die politisch motivierten Straftaten von rechts sind mehr als viermal so hoch wie die von links. Das lasse die Gleichsetzung von rechts und links fragwürdig erscheinen.
Frankenbergers Fazit erschreckte: Die extreme Rechte mache insbesondere für Jugendliche Identitätsangebote. Dabei würden Narrative des völkischen Nationalismus aktualisiert, die in einer Kontinuitätslinie der so genannten „völkischen Revolution“ und des Nationalsozialismus stehen.
„Völkische“ Rezepte und Pflegeprodukte
Über die Verbindung von Deutschland, Volk, Nation, Kultur und Lebensweise würden eine kollektive Identität und eine starke Nation, ein homogenes deutsches Volk konstruiert, das in der Heimat und der Landschaft verwurzelt sei. Der Versuch, diese Verwurzelung zu aktualisieren, zeige sich zum Beispiel daran, dass völkisch konnotierte Pflegeprodukte oder vermeintlich „deutsche“ Kochrezepte vermarktet werden.
„National gesinnte“ Wandergruppen marschierten über die Alb marschieren. Und extrem Rechte versuchten, in gewachsene Vereinsstrukturen einzudringen, um dort Ehrenämter zu ergattern.
Im Anschluss wurden viele Fragen an den Referenten gestellt, etwa zum Umgang mit der extremen Rechten, zu geeigneten Formen, um die liberale Demokratie offensiv und attraktiv zu verteidigen, und dazu, welche Bedeutung der Erinnerungsarbeit im Rahmen der Demokratiebildung zukommt. Die Besucher des Museum Bisingen gingen sowohl angeregt als auch nachdenklich nach Hause.