Es war ein bewegender Vortrag und gleichzeitig eine Premiere: Die US-Amerikanerin Monika Jalili, geborene Bergenthal, erzählte auf Einladung des Gedenkstättenvereins Bisingen zum ersten Mal von der außergewöhnlichen Rettung ihres Vaters und seiner Familie aus dem Konzentrationslager.

Unterstützt wurde Monika Jalili dabei von ihrer aus Albstadt stammenden Freundin Nina Wolf.

 

Die Geschichte der Familie Bergenthal erinnert über weite Strecken an die der Familie von Anne Frank. Beide stammten aus Frankfurt am Main und flohen aufgrund der antijüdischen NS-Politik Mitte der 1930er-Jahre nach Amsterdam, beide wurden im Durchgangslager Westerbork interniert. Doch während Anne Frank von dort nach Auschwitz deportiert wurde, kamen die Bergenthals direkt nach Bergen-Belsen und dort in das sogenannte Sternlager.

Transport führt nach Palästina

Hier wurden vor allem aus den Niederlanden stammende jüdische Familien interniert, die von SS und Auswärtigem Amt zum Austausch gegen im „feindlichen Ausland“ festgesetzte Deutsche, Devisen oder Güter vorgesehen waren. Ende Juni 1944 verließ ein Transport mit 222 jüdischen Häftlingen das Austauschlager in Richtung Palästina. Darunter: Der zehnjährige Walther Bergenthal, seine Schwester Marion und die Eltern.

Nach zwei Jahren zurück in Amsterdam

Walther Bergenthal ist Monika Jalilis Vater. Die Zeit in Palästina sei die glücklichste in seinem Leben gewesen, sagt sie. „Nach der ständigen Angst in den Lagern, der Kälte und dem Hunger kam er nun in ein warmes Land, konnte spielen und hatte ausreichend zu essen.“ Schon zwei Jahre später zogen die Bergenthals jedoch zurück nach Amsterdam, Walther kam in dieselbe Schule, aus der er wenige Jahre zuvor zusammen mit seinen jüdischen Mitschülern vertrieben worden war.

Als Erwachsender in Arbeit gestürzt

Was fühlte er dabei? Hat er sich nach Palästina zurückgesehnt? Diese und andere Fragen kann Monika Jalili bis heute nicht beantworten, denn ihr Vater habe nie von den Erlebnissen während der NS-Zeit und danach gesprochen. Er habe sich als Erwachsener in Arbeit gestürzt, sei nie zuhause gewesen. Die Ehe der Eltern sei daran zerbrochen, als sie fünf Jahre alt war, berichtet Jalili. Sie blieb bei der Mutter, ihren Vater hat sie danach zwölf Jahre lang nicht gesehen.

Nina Wolf lebt heute in Salt Lake City

Nina Wolf, die in Salt Lake City lebt und als Rechtsanwältin im Bereich der Wiedergutmachungseinbürgerung früherer deutscher Staatsangehöriger arbeitet, bestärkte ihre Freundin Monika, die außergewöhnliche Geschichte ihrer Familie zu erzählen. Beide recherchierten zu den Stationen dieser Geschichte, trafen sich mit anderen Überlebenden und Angehörigen des Transports nach Palästina und haben ihre Ergebnisse in einer anschaulichen Präsentation für die Besucher im Museum KZ Bisingen zusammengestellt.

Sprachlosigkeit und emotionale Kälte

Endlich darüber zu sprechen, bedeute für ihre Freundin auch eine Bewältigung des sehr distanzierten Verhältnisses zu ihrem Vater, erklärte Nina Wolf. Mit Sprachlosigkeit und oft emotionaler Kälte seien viele Kinder von Holocaust-Überlebenden konfrontiert gewesen. Die Verfolgung und Misshandlungen wirkten bis in die zweite und dritte Generation der ehemaligen Opfer weiter.

Das Publikum im Museum KZ Bisingen war sichtlich bewegt von dem Vortrag und bestärkte Monika Jalili und Nina Wolf, ihre Geschichte noch öfter zu erzählen, vor allem jungen Menschen. Das habe sie ohnehin vor, versicherte Jalili.