Mit einem frivolen Auftakt, einer Bettszene, startete „Vorhang auf!“ seine Herbstproduktion um das turbulente Spiel zwischen Lüge und Wahrheit unter der Regie von Manuele Pilloni.
Michel und Alice haben wieder ein Schäferstündchen ihrer schon längeren Affäre, doch Alice ist die ständig zwischen Termine eingeschobenen Treffen inzwischen leid.
Schon gleich wird das Publikum durch Florian Zellers Komödie „Die Wahrheit“ mit hineingezogen in die scheinbaren Vorteile, die Wahrheit zu vertuschen, und die möglichen Nachteile, sie zu sagen. Denn pikanterweise ist Augenärztin Alice mit Michels bestem Freund Paul verheiratet, der derzeit arbeitslos ist.
Alice (fantastisch Elisabeth Galonska) hat durchaus einen moralischen Kompass, doch Michel besteht darauf, man müsse Paul „aus Rücksicht“ mit einem Geständnis verschonen.
Keller ist in allen Szenen präsent
Silvester Keller ist nach den Regiearbeiten fürs Ensemble nun endlich wieder als Darsteller auf der Bühne zu erleben – und wow! Herrlich, wie er, als Einziger in allen sieben Szenen präsent, das ganze Stück über verbal eiert, rhetorische Fragen aufwirft, Satzfetzen und Worthülsen echotisch wiederholt, neue Lügenfassaden aufbaut oder sich heftigst echauffiert – ganz in narzisstischer Manier der Täter-Opfer-Umkehr.
Überhaupt beleben verbale Ping-Pongs durchweg das Tempo des spritzigen Kammerspiel. Sie scheinen den Protagonisten jeweils Zeit zu verschaffen für neue Improvisationen des Schummelns „als größter Liebesbeweis“ und teils abstruse falsche Fährten zu legen. Denn alle vier haben etwas zu vertuschen.
Der bedächtig und arglos wirkende Paul (Regisseur Manuele Pilloni in Doppelfunktion) ahnt zwar mehr als alle vermuten, aber es dauert, bis er seinen Ballon platzen lässt – nicht umsonst. Hat er doch seinem Freund Michel verborgen, dass er schon sehr lange eine Nebenbeziehung mit dessen Frau Laurence pflegt.
Ehrlichkeit ist wie ein scharfes Messer
Simone Essig in ihrem nunmehr 18. Mitwirken in den Produktionen von „Vorhang auf!“ verkörpert die sportliche Lehrerin zwischen gespielt fröhlicher Verharmlosung und echtem Bemühen um die in die Jahre gekommene Ehe.
Denn „Ehrlichkeit ist wie ein scharfes Messer: Man verlangt danach, bis man merkt, dass es nicht nur die anderen, sondern auch einen selbst bluten lässt“ (Manuele Pilloni im Kommentar zum Stück).
So basteln die vier an der Fassade weiter, bis alles aus dem Ruder läuft. Lügenbaron Michel fühlt sich schließlich von Frau, Geliebter und Freund bis auf den Grund genasführt - und rastet aus. Dennoch verspricht er seiner Frau Laurence, sie in Zukunft „besser zu belügen“ und resümiert: „Das einzig Wahre ist eben nur die Wahrheit.“
Zwei weitere Aufführungen
Das lebendig mitgehende, von vielen Momenten hörbar amüsierte Premierenpublikum in der Semihalle sparte nicht mit herzlichstem Applaus für diese gelungene Inszenierung, die Andreas Lemke mit einem wohltuend spartanischen Bühnenbild ausgestattet hatte, dessen multifunktionale Elemente immer wieder anders eingesetzt werden.
Weitere Aufführungen sind am 17. und 18. Oktober jeweils ab 19 Uhr (Einlass und Bewirtung ab 18 Uhr, Bistrobestuhlung). Karten gibt es im Rathauscafé Nagold, unter www.reservix.de oder an der Abendkasse.