Angesprochen und an der Kapuze gepackt worden sein soll ein Junge am vergangenen Donnerstagabend in Neubulach. So heißt es zumindest in einer Nachricht, die in sozialen Netzwerken geteilt wurde. Das sagt die Polizei dazu.
Ein Junge soll in Neubulach von einem fremden Mann angesprochen und sogar an der Kapuze gepackt worden sein. Das heißt es jedenfalls in einer Meldung, die am Samstag in sozialen Netzwerken und ähnlichem geteilt wurde. „Achtung! Am Donnerstagabend wurde der Sohn meiner Freundin in Neubulach auf dem Heimweg von einem Mann mit osteuropäischem Akzent verfolgt. Der Mann wollte wissen, wo der Junge wohnt, und bot ihm an, ihn nach Hause zu bringen.“ Als der Junge weitergelaufen sei, „packte ihn der Mann an der Kapuze. Zum Glück konnte er sich losreißen und entkommen.“ Die Nachricht endet mit dem Rat: „Bitte seid wachsam und passt gut auf eure Kinder auf!“
Bei Nachrichten dieser Art reagiert schnell die Skepsis. Zu bekannt sind die Geschichten vom weißen Transporter, mit dem Kinder entführt werden sollen. Vor elf Jahren machten etwa in Nagold Meldungen über Entführungsversuche mit Transportern die Runde – damals hieß es, dass Kinder und Jugendliche auf offener Straße gekidnappt und an die Organmafia verkauft würden. 2022 wurde ein Fall in Calw-Hirsau zur Anzeige gebracht, weitere Meldungen über einen weißen Lieferwagen kursierten 2021 etwa in den Schömberger Ortsteilen Bieselsberg und Langenbrand oder auch im Calwer Stadtteil Altburg. Diese Fälle wurden teilweise auch angezeigt.
Im gesuchten Zeitraum „nichts vermerkt“
Zurück zum aktuellen Geschehen in Neubulach. „Nichts vermerkt“, vermeldet Alexander Uhr, einer der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Pforzheim für den vergangenen Donnerstag, 13. März. Lediglich ein Kaminbrand und ein Hund im Auto seien für Neubulach im fraglichen Zeitraum gemeldet, so der Polizeisprecher weiter. Auch konnte er sich im Gespräch mit unserer Redaktion nicht an eine ähnliche Anzeige in den zurückliegenden Tagen oder Wochen erinnern.
Doch nur, weil nichts angezeigt ist, heißt das auch nicht automatisch, dass es sich bei dem Fall um eine urbane Legende handelt. Uhr rät „auf jeden Fall“ dazu, solche Vorkommnisse anzuzeigen. Er versichert, dass die Polizei diese Meldungen ernst nehme und nicht automatisch gleich für eine Falschmeldung halte. Wenn solche Hinweise kommen, gehe man diesen nach, wenn es erforderlich ist, auch mit verdeckten Maßnahmen. Allerdings schränkt Uhr ein: „Echte Erfolge durch die Hinweise der Kinder sind leider selten.“
Bereits bei früheren Anfragen unserer Redaktion bestätigte eine Polizeisprecherin, dass die Polizei „Meldungen über verdächtiges Verhalten gegenüber Kindern sehr ernst“ nehme. Eltern würden „immer wieder gebeten, ihre Kinder zu sensibilisieren“. Dies wiederum rege aber auch nicht selten die Fantasie der Kinder an. Manche Erzählungen seien insofern unter Umständen ebenjener Fantasie zuzuschreiben. Daher rate die Polizei, „nicht in Panik zu verfallen“, wenn gewisse Meldungen kursieren. Doch „natürlich sollte man immer wachsam sein, sein Kind ernst nehmen“. Im Zweifelsfall sei es am besten, sich an die Polizei zu wenden – auch, um sich zu „erkundigen, ob ein entsprechender Sachverhalt dort bekannt ist“.
Private Zeugenaufrufe kritisch
Im November des vergangenen Jahres kursierte ein Zeugenaufruf bei Facebook. Ein Mädchen soll damals in Calmbach am frühen Morgen von zwei Männern angegriffen worden sein. Dem Mädchen sei die Kleidung zerrissen worden „und es wäre beinahe zur Vergewaltigung gekommen, wenn nicht Passanten zu hören gewesen wären“, hieß es weiter. Dieser Fall wurde zur Anzeige gebracht. Im Gespräch mit unserer Redaktion sah Benjamin Koch, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Pforzheim, solche Zeugenaufrufe kritisch. Aus Elternsicht könne er das zwar nachvollziehen, „wir raten von solchen Posts privater Natur eher ab“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Das fange schon damit an, dass der Leser der Nachrichten ja gar nicht wisse, an wen er sich wenden soll. Und wenn dann einer die Hinweise des anderen weitergebe, könne – wie bei der „stillen Post“ – auch etwas unbeabsichtigt hinzugefügt oder weggelassen werden. Zudem könne die Polizei Hinweise ganz anders bewerten.
Generell gebe es bei solchen privaten Aufrufen Probleme besonders dann, wenn Personen oder Kennzeichen oder Weiteres erkennbar genannt würden. Da mache sich der Schreiber sogar strafbar, zudem „gilt zuerst die Unschuldsvermutung“, so Koch weiter.