Der Täter hat dem Opfer an einer Bushaltestelle 20 Euro abgenommen. (Symbolfoto) Foto: © Chalabala – stock.adobe.com/pixabay, Montage: Kleinau

"Lass den mal abziehen." 19-jähriger Täter wird nach Jugendstrafrecht verurteilt. 20 Euro abgenommen.

Bösingen - Ein völlig untypischer Fall - darüber sind sich Richter und Staatsanwaltschaft einig. Keinerlei Vorstrafen, keine bisherigen Auffälligkeiten. Und trotzdem steht der 19-jährige Täter am Dienstag vor dem Rottweiler Amtsgericht. Die Anklage: räuberische Erpressung.

"Lass den mal abziehen"

Die Tat hat sich im Februar nach einer Fasnetsveranstaltung in Bösingen zugetragen. Der Angeklagte, der im Kreis Rottweil aufgewachsen ist, war gemeinsam mit Freunden in Bösingen unterwegs. Zum Tatzeitpunkt hielten sie sich an einer Bushaltestelle in der Nähe des Festes auf. Dort stand auch das spätere Opfer: Gemeinsam mit einem Freund hat er die Veranstaltung frühzeitig verlassen und an der Bushaltestelle auf den Rest seiner Freundesgruppe gewartet, die noch etwas länger habe bleiben wollten.

Von einem Kumpel des Angeklagten sei dann der Vorschlag gekommen, der zu der Straftat führte: "Lass den mal abziehen". Das ließ sich dieser nicht zwei mal sagen. Von wem dieser Vorschlag gekommen sei, will sich der Angeklagte vor Gericht nicht mehr erinnern.

Der Täter forderte den 17-Jährigen dazu auf, ihm sein Geld zu geben. Zuerst hätte dieser nicht reagiert: "Ich stand unter Schock", so der 17-Jährige. Nach der zweiten Aufforderung habe er ihm aus Angst einen 20 Euro Schein ausgehändigt. Mehr habe er nicht dabei gehabt, so der Geschädigte vor Gericht. Nach dem Vorfall versteckte sich der Junge hinter einem etwas entfernten Bus und rief die Polizei.

Opfer war ein Unbekannter

Täter und Opfer haben sich vor dem Vorfall nicht gekannt. Nur sein Kollege, der bei der Tat die ganze Zeit in der Nähe stand und telefonierte, sei früher mit dem 19-Jährigen zur Schule gegangen. Wenige Stunden zuvor hätten die beiden einen Streit zwischen gemeinsamen Freunden geschlichtet, erzählt dieser als Zeuge vor Gericht. "Ich war geschockt. davor haben wir uns noch normal unterhalten und dann sowas."

Beim Eintreffen der Polizei sei der Täter noch einmal zu dem Freund des Opfers gekommen und habe nachgefragt, wer die Polizei gerufen habe. Es sei doch nur Spaß gewesen, habe dieser gesagt und sich für die Tat entschuldigt. Und auch vor Gericht entschuldigt sich der Angeklagte noch einmal bei dem Opfer und dessen Freund.

"Das war Dummheit"

Die 20 Euro habe er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr bei sich gehabt, so der Angeklagte. Ein Unbekannter, der mit ihm in der Gruppe gestanden sei, habe ihm das Geld abgenommen und sei damit verschwunden.

Die Tat selbst bestreitet der 19-Jährige nicht. Nur über die Frage, ob Schläge angedroht wurden, waren sich der Angeklagte und die Zeugen uneinig. Dem Täter sei bewusst gewesen, dass das Opfer Angst gehabt habe, geschlagen zu werden, angedroht hätte er dies jedoch nicht.

Auf die Frage der Richterin, was den 19-Jährigen zu dieser Tat bewegte, findet dieser keine richtige Antwort. "Das war Dummheit. Ich würde schon sagen, dass ich mich einfach cool fühlen wollte." Um das Geld sei es dem Täter nie gegangen, so dieser. Das Opfer ist sich sicher: "Der Angriff ging nur gegen mich, weil ich der Schwächere war".

Täter war alkoholisiert

Bei der Festnahme sei der Angeklagte sehr kooperativ gewesen, so ein Polizeibeamter als Zeuge vor Gericht. "Ich habe den Angeklagten in der Vernehmung als sehr ehrlich wahrgenommen." Bei einem Alkoholtest auf dem Revier wurde bei dem 19-jährigen Täter ein Blutwert von 1,01 Promille festgestellt.

Nach Zeugenaussagen schien der Täter nicht merkbar unter Alkoholeinfluss gestanden zu haben. "Der Wert ist weit außerhalb des Bereiches, wo es relevant ist", erklärt die Richterin. Somit sei nicht von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen.

Da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt volljährig war, stellt sich am Dienstag vor dem Amtsgericht die Frage, ob der Angeklagte nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden könne. Man müsse überlegen, ob bei dem Angeklagten eine Reifeverzögerung festzustellen ist, so die Staatsanwaltschaft. "Das ist keine Verhaltensweise, die einem Erwachsenen zuzustellen ist".

Dieser Meinung ist auch der Verteidiger des Angeklagten. Laut ihm sei es an dem Abend lediglich darum gegangen, sich alkoholbedingt wichtig zu machen. Der Täter habe dabei ein "völlig untypisches Tatverhalten" aufgezeigt, so die Verteidigung. "Man würde erwarten, dass ein Krimineller die Flucht ergreift." Der Angeklagte sei jedoch vor Ort geblieben und war sich seiner Verantwortung bewusst. Die Tat sei von jugendlicher Verblendung geprägt gewesen. Eine schädliche Neigung des Angeklagten könne man heute ausschließen, so sein Anwalt.

Erzieherische Maßnahme

"Was da passiert ist geht überhaupt nicht", macht die Richterin dem Täter vor Verkündung des Urteils noch einmal klar. Im Erwachsenenstrafrecht sei die Tat ein minderschwerer Fall mit einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Obwohl der Angeklagte einen reflektierten Eindruck bei der Verhandlung mache, sei der Volljährige zum Tatzeitpunkt noch nicht so erwachsen gewesen, wie er es hätte sein sollen.

Vor diesem Hintergrund spricht die Richterin den Täter vor Gericht der räuberischen Erpressung nach dem Jugendstrafrecht schuldig. Als erzieherische Maßnahme muss dieser bis zum Ende des Jahres einen handschriftlichen Brief an den Geschädigten schreiben, in der er die Tat reflektiert und sich noch einmal entschuldigt. Außerdem muss der Täter eine Geldstrafe von 1000 Euro an die Caritas Rottweil in monatlichen Raten von je 200 Euro zahlen. Er trägt zudem die Kosten des Verfahrens. Mit den Worten "wenn sowas noch mal passiert, sind sie fällig", beendet die Richterin die Verhandlung.