Anleger aufgepasst: Mit der Vorabpauschale werden Erträge von Fonds und ETF besteuert, bevor die Gewinne überhaupt realisiert werden. Foto: dpa-tmn/Alexander Heinl

Wenn im Januar plötzlich Geld auf dem Konto fehlt, dann liegt das an der Vorabpauschale auf ETFs und Fonds. Auf welche Formen der Geldanlage muss man die vorgezogene Steuer zahlen? Betroffen ist nur eine ganz bestimmte Produktklasse.

Erfahrene Anleger kennen sie, doch wer noch nicht so lange an der Börse mitmischt, könnte sich im Januar  wieder einmal ärgern: Die Rede ist von der Vorabpauschale. Mit ihrer Hilfe werden Fonds und ETF besteuert, die Gewinne nicht ausschütten, sondern sofort reinvestieren – sogenannte Thesaurierer. Diese sind vor allem bei ETF-Sparern beliebt. Mit etwas Vorbereitung lässt sich eine böse Überraschung vermeiden.

 

Was ist die Vorabpauschale?

Die Vorabpauschale ist ein theoretisches Konstrukt, um noch nicht realisierte Gewinne von Fonds und ETF (börsengehandelten Indexfonds) jährlich zu besteuern. Es wird dabei so getan, als hätte der Fonds am Anfang des neuen Jahres einen Gewinn ausgeschüttet, und diese fiktive Ausschüttung wird dann besteuert: mit Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls der Kirchensteuer.


Wie wird die Vorabpauschale berechnet?

Ausschlaggebend ist der sogenannte Basiszins. Dieser wird jedes Jahr von der Bundesbank neu festgelegt und ist abhängig vom allgemeinen Zinsniveau; oder genauer: Es ist der Zins 15-jähriger Bundeswertpapiere am ersten Handelstag des Jahres. 2021 und 2022 war der Basiszins negativ, folglich gab es auch keine Vorabpauschale. Für 2023 lag der Basiszins bei 2,55 Prozent, 2024 stieg er zeitweise auf 3,62 Prozent und sank dann ab Juli auf 3,37 Prozent. Man multipliziert nun den Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn 2024 mit dem Basisizins. Das Ergebnis multipliziert man mit 0,7 – damit werden pauschal Verwaltungskosten des Fonds einberechnet. Das Ergebnis ist der Basisertrag. Liegt dieser unterhalb des Wertzuwachses, ist der Basisertrag die Vorabpauschale. Wenn der Fonds schlecht lief und weniger gewachsen ist als der Basisertrag, ist der Wertzuwachs die Vorabpauschale. Wenn der Fonds Verluste gemacht hat, muss man keine Steuern zahlen. Etwas spezieller ist die Rechnung bei teilausschüttenden Fonds. Hier muss man die Ausschüttungen noch vom Basisertrag abziehen – denn diese wurden ja bereits bei der Ausschüttung besteuert.

Und wie rechnet sich das konkret?

Ein Beispiel aus dem Jahr 2023: Angenommen, eine Anlegerin hatte Anfang des Jahres 2022 Anteile eines thesaurierenden Aktien-ETF im Wert von insgesamt 20 000 Euro im Depot. Ende des Jahres 2023 lag der Wert bei 21 000 Euro. Der Wertzuwachs beträgt also 1000 Euro. Der Basisertrag betrug: 20 000 Euro x 2,55 % x 0,7 = 357 Euro. Die Anlegerin musste nun eine Vorabpauschale von 357 Euro versteuern – allerdings nur 70 Prozent davon, denn für Aktien-ETF und -fonds gilt bei Privatanlegern eine Teilfreistellung von 30 Prozent. Für 2024 und 2025 wird es wegen des gestiegenen Basiszinses etwas teurer.

Steuern auf noch nicht realisierte Gewinne zahlen? Ist das fair?

Die Vorabpauschale wurde im Jahr 2018 eingeführt, um die Besteuerung von Fonds zu vereinfachen. „Die Ermittlung der Steuer war für die Fonds und die Finanzverwaltung extrem komplex und für den Verbraucher oft nicht nachvollziehbar“, sagt Bastian Hammer, Leiter Steuern und Altersvorsorge beim Fondsverband BVI. Durch die Vorabpauschale werden Steuerzahlungen pauschalisiert und über die Jahre der Haltedauer verteilt. Vorteil für den Fiskus: Er bekommt jetzt schon Geld und nicht erst in 30 oder 40 Jahren, wenn der Anleger seine Anteile verkauft. Dann werden auch alle Vorabpauschalen vom Veräußerungsgewinn abgezogen. Man zahlt also nicht doppelt Steuern. „Die Vorabpauschale ist nur eine temporäre Zusatzbelastung, die sich bei Veräußerung wieder ausgleicht“, sagt Bastian Hammer. „Vorab Steuern zu zahlen fühlt sich zunächst seltsam an, aber der Steuer steht ja auch eine Wertentwicklung gegenüber.“

Und was muss man als Anleger nun tun?

Wenn die Depotbank oder der Broker im Ausland sitzt, muss man sich selbst um die Vorabsteuer kümmern – mit einer Steuererklärung für das neue Jahr. Broker und Depotbanken mit Sitz in Deutschland berechnen die Vorabpauschale und führen die Steuer darauf automatisch ab. Sie belasten dafür direkt das Verrechnungskonto des Anlegers. Man sollte also darauf achten, dass es am 1. Januar ausreichend gedeckt ist. Finanztip empfiehlt für Aktien-ETF 35 Euro pro 10 000 Euro Depotwert – oder alternativ einen Freistellungsauftrag in ausreichender Höhe: 125 Euro pro 10 000 Euro Depotwert.

Was passiert, wenn mein Konto nicht ausreichend gedeckt ist?

Wenn die Depotbank die Steuer nicht vom Verrechnungskonto einziehen kann, darf sie, sofern so vereinbart, Fonds-Anteile verkaufen, um Liquidität herzustellen oder die Beträge vom Girokonto oder einem anderen Einlagenkonto des Anlegers einziehen. Im schlimmsten Fall drohen Dispo- oder Überziehungszinsen. Kann die Bank das Geld für die Steuer nirgendwo einziehen, meldet sie es dem Finanzamt. „Das ist auch kein Weltuntergang“, sagt Bastian Hammer. Die angefallenen Erträge müsse der Anleger dann aber in der Einkommensteuererklärung angeben und versteuern.