Vor Helgoland werden Menschen vermisst. Foto: IMAGO/Manfred Segerer

In der Deutschen Bucht stoßen zwei Frachter zusammen, ein Schiff sinkt. Sechs Menschen werden vermisst. Zahlreiche Boote suchen nun nach den Schiffbrüchigen – auch ein Kreuzfahrtschiff unterstützt.

Nach dem Zusammenstoß von zwei Frachtschiffen auf der Nordsee bei Helgoland werden sechs Menschen vermisst. Das sagte eine Sprecherin des Havariekommandos in Cuxhaven. Zuvor hatte die „Bild“ berichtet. Ein Mensch wurde nach der Kollision aus dem Wasser gerettet. Dieser wird nun medizinisch versorgt.

 

Gegen 5.00 Uhr am Dienstagmorgen sollen nach Angaben der Behörde die Frachtschiffe „Polesie“ und „Verity“ in der Deutschen Bucht zusammengestoßen sein. Die „Polesie“ hatte 22 Menschen an Bord. Der Unfall ereignete sich demnach rund 22 Kilometer südwestlich der Hochseeinsel Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich der ostfriesischen Insel Langeoog.

Die Rettungskräfte gehen davon aus, dass die „Verity“ infolge der Kollision gesunken ist. Der andere Frachter, die „Polesie“, sei dagegen schwimmfähig. Wie groß das Schadensbild genau ist und ob möglicherweise Ladung in die Nordsee gelangte, war zunächst unklar.

An der Suche beteiligen sich zahlreiche Schiffe

Die unter der Flagge Großbritanniens fahrende 91 Meter lange „Verity“ war laut dem Havariekommando auf dem Weg von Bremen nach Immingham, einem Hafen an der englischen Nordseeküste. Das 2001 in den Niederlanden gebaute Schiff hat auf der Isle of Man seinen Heimathafen. Es gehört zu der britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships.

Der Frachter „Polesie“ gehört zur polnischen Reederei Polsteam Group, die ihren Sitz in Stettin (Szczecin) hat. Dieses Schiff ist 190 Meter lang und 28,5 Meter breit - also deutlich größer als die „Verity“. Es wurde 2009 in China gebaut und fährt unter der Flagge der Bahamas. Es war seit Montagabend auf dem Weg von Hamburg nach La Coruña in Nordwest-Spanien. Ob und was die Frachter geladen hatten, war zunächst nicht bekannt.

An der Küste war das Wetter am Dienstagmorgen diesig, die Sichtweite etwa von den Ostfriesischen Inseln auf die Nordsee gering. Laut dem Havariekommando herrschten in dem Seegebiet an der Unglücksstelle Windstärke sechs und Wellengang mit bis zu drei Metern.

An der Suche beteiligen sich zahlreiche Schiffe, darunter die Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): „Hermann Marwede“ von Helgoland und die „Bernhard Gruben“ aus dem friesischen Hooksiel. Auch der Notschlepper „Nordic“ und der Lotsentender „Wangerooge“ sind im Einsatz, ebenso die Wasserschutzpolizei mit einem Schiff. Die Deutsche Marine beteiligte sich mit einem SAR-Rettungshubschrauber. Weitere Schiffe der Seenotretter, der Wasserschutzpolizei und Behörden waren am Dienstagmorgen auf dem Weg zur Unglücksstelle.

Cuxhaven übernimmt die Gesamteinsatzleitung

Das Havariekommando ließ das Seegebiet von einem Sensorflugzeug überfliegen, um nähere Erkenntnisse zu bekommen. Auch das Kreuzfahrtschiff „Iona“ der Reederei P&O Cruises, das nahe der Unglücksstelle unterwegs war, unterstütze laut dem Havariekommando die Suche. Dort könnten Schiffbrüchige auch medizinisch versorgt werden - an Bord befinden sich mehrere Ärzte, hieß es. Weiteres medizinisches Personal wollen die Rettungskräfte per Helikopter zur Unglücksstelle bringen.

Das Havariekommando in Cuxhaven übernahm die Gesamteinsatzleitung. Die Behörde ist in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig. Es ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der fünf norddeutschen Bundesländer. Bei Unfällen auf der Nord- und Ostsee plant und organisiert es Hilfe etwa für Verletzte, bei Verunreinigungen durch Schadstoffe und bei Bränden.

Das Unglück auf der Nordsee ereignete sich fast auf den Tag genau 25 Jahre nach einem der größten Schiffsunglücke in der deutschen Geschichte. Am 25. Oktober 1998 war der italienische Holzfrachter „Pallas“ auf dem Weg von Schweden nach Marokko, als die Holzladung vor der dänischen Nordseeküste in Brand geriet. Das Schiff trieb führerlos in deutsche Gewässer und strandete vor der Insel Amrum. Es kam zu einer großen Ölverschmutzung, in deren Folge viele Vögel starben.