Eine der vielen Produktionsstätten in China: Hier werden elektrische Warmwasserbereiter hergestellt. Foto: Imago//Huang Guobao

Der Krieg in der Ukraine wird im Mittelpunkt des EU-Gipfels in Brüssel stehen. Doch die Staats- und Regierungschefs werden auch darüber sprechen, wie sich die Union in Zukunft gegenüber Peking verhalten soll.

Europas Staats- und Regierungschefs haben wieder ein volles Programm. Erneut bestimmen der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise die Tagesordnung des EU-Gipfeltreffens am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Zumindest sind auch hoffnungsvolle Äußerungen zu hören, dass für den kommenden Winter die Versorgung der Menschen und Unternehmen mit Gas und Strom gesichert ist. Bei dem Treffen wird es vor allem auch darum gehen, die Kosten sozial abzufedern.

Moskau setzt aber nicht nur seine Energielieferungen gezielt als wirtschaftliche Waffe gegen Europa ein. Die russische Aggression macht die Verwundbarkeit der EU an ganz anderer Stelle deutlich. „Angesichts sich schnell entwickelnder Bedrohungen – Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Sabotage von Nord Stream und des deutschen Schienennetzes – ist klar, dass wir unsere Arbeit zum Schutz unserer Infrastruktur beschleunigen müssen“, betonte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson vor dem Gipfel. Also wird sich der Europäische Rat auch mit den Empfehlungen der EU-Kommission beschäftigen, wie Angriffe auf Gas- und Ölleitungen, die digitale Infrastruktur und den Verkehr abgewehrt werden können.

Vom Partner zum Konkurrenten

Angesichts dieser aktuellen Herausforderungen gerät ein anderes Megathema des Gipfels fast aus dem Blick, das die Politik der Europäischen Union in den kommenden Jahren maßgeblich bestimmen wird. Die Staats- und Regierungschefs werden in Brüssel versuchen, das Verhältnis zwischen der Union und China zumindest im Ansatz neu zu definieren. Den Tenor der zukünftigen Gespräche mit Peking hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Anfang dieser Woche am Rande einer Tagung der EU-Außenminister deutlich vorgegeben. Die EU werde China stärker als Konkurrenten wahrnehmen und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit verringern, sagte er. In einem mehrseitigen Arbeitspapier, das für das Treffen in Luxemburg vorbereitet worden war, ist sogar von einem „realistischen und robusten Engagement“ die Rede. „Wir sprechen im Moment über unsere Abhängigkeit und Verwundbarkeit durch russisches Gas“, erklärte Borrell mit Blick auf China weiter, „wir müssen vermeiden, neue Abhängigkeiten zu schaffen.“

Der Begriff Konkurrenz bezieht sich nach Ansicht der meisten Brüsseler Diplomaten längst nicht mehr nur auf den Wirtschaftsbereich. Immer deutlicher wird auch die politische Rivalität. Was die Politiker im Westen besonders empört, das ist der Versuch Pekings, gezielt Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte zu kapern, um diese für die eigene Agenda umzudeuten. Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Stärke eingesetzt, um Kritik am eigenen System bereits im Vorhinein zu unterbinden.

Die Führung in Peking tritt damit in den direkten Systemwettbewerb mit dem Westen, worauf die EU nun endlich reagieren will. „Chinas Aktivitäten und Positionen in multilateralen Organisationen veranschaulichen seine Entschlossenheit, systematisch eine alternative Vision der Weltordnung zu fördern“, heißt es in dem Papier der EU-Außenminister. Letzter und auslösender Faktor für diese Neuorientierung ist die Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine – und auch die Erkenntnis, dass die Abhängigkeit von einem autokratischen Regime in einer Krise äußert gefährlich werden kann.

Über Jahre hatte die EU eine überraschende Langmut an den Tag gelegt. Gegen die Unterdrückung der Uiguren, die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong und die ständigen Drohungen gegenüber Taiwan wurde zwar immer wieder protestiert, gehandelt wurde aber eher zögerlich.

Die Verflechtungen sind eng

Sich von China wirtschaftlich unabhängiger zu machen, ist bei den engen Verflechtungen mehr als kompliziert. So wurden 2021 zwischen China und den 27 EU-Staaten Waren im Wert von rund 700 Milliarden Euro gehandelt – die EU war damit mit Abstand der wichtigste Handelspartner Chinas. Zum Vergleich: Russland taucht in der Liste der zehn wichtigsten Handelspartner Chinas nicht einmal auf. Die Bemühungen der EU, sich unabhängiger von China zu machen, laufen auf Hochtouren. So wird die Herstellung von Computerchips massiv gefördert. Die kleinen Bauteile sind inzwischen in jedem elektronischen Gerät zu finden – und Peking hat seine Marktdominanz in den vergangenen Jahren rasant ausgebaut. Noch schwieriger wird es, die Bezugsquellen für seltene Erden zu diversifizieren. Diese wichtigen Metalle werden vor allem in China abgebaut. Nun will die EU mit anderen Förderländern in Kontakt treten und auch in Europa selbst die Möglichkeiten des Abbaus sondieren.

Zumindest in Deutschland weiß die EU die Menschen hinter sich. Der wachsende Einfluss Chinas wird von einer Mehrheit der Deutschen (59 Prozent) als negativ bewertet, nur sieben Prozent sehen diesen als positiv. Das besagt zumindest eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Kantar Public im Auftrag der Körber-Stiftung. Passend zur Sorge über Chinas globalen Einfluss sind rund zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) dafür, sich von China unabhängig zu machen, auch wenn dies zu wirtschaftlichen Einbußen führt.