Eine Focke Wulf 190 „Sturmjäger“ der IV. Gruppe Jagdgeschwader 3 „Udet“, der Einheit, bei der Lt. Müller eingesetzt war. Eine solche Maschine flog Müller am 19. Juli 1944. Foto: Lauser

Leicht bewölkt war der Himmel über Deutschland vor 80 Jahren. Angenehme Sommertemperaturen sind registriert. Heiter, heißt es im Wetterbericht. Für den 20-jährigen deutschen Jagdflieger Leutnant Karl Müller endete an diesem Tag sein junges Leben. Wo genau, lässt sich nicht exakt sagen. Eine Spurensuche.

Gunter Lauser (Kirchheim/Teck) hat 1989 zusammen mit Freunden die fliegerhistorische Arbeitsgruppe/Vermisstensuche Baden-Württemberg/Bayern gegründet.

 

Inzwischen haben sie mehr als 50 Maschinen geborgen und sieben Vermisstenschicksal klären können. Sie suchen vorwiegend nach vermissten deutschen Jagdfliegern.

Der 80. Jahrestag

Der Fall Lt. Müller fand bis heute keine abschließende Klärung. Im Zusammenhang mit dem 80. Jahrestags seines Absturzes unternimmt Gunter Lauser einen weiteren Versuch, mehr über das Schicksal des Jagdfliegers in Erfahrung zu bringen.

Bericht der Schwester

Karl Müller wohnte 1944 in Wehingen. Die vor etwa vier Jahren verstorbene Schwester, Waltraud Nolda, wohnte in Leinfelden-Echterdingen und wurde dort von Gunter Lauser besucht. Sie erzählte, dass sie ihren Bruder innigst geliebt habe, und dass er bei ihrer Konfirmation 1944 gesagt hätte, dass sie sich wohl nicht mehr wiedersehen werden.

Müllers Einheit und Auftrag

Lt. Müller war in der 12. Staffel des Jagdgeschwader 3 „Udet“. Diese Einheit war im Juli 1944 vom Memminger Berg aus eingesetzt, um amerikanische Bomberverbände zu bekämpfen. Sie flogen die Focke Wulff 190, sogenannte Sturmjäger, die speziell gepanzert und schwer bewaffnet waren und ausschließlich die amerikanischen viermotorigen B-17 bekämpften.

Diese Einsätze waren sehr verlustreich, da die Bomber von amerikanischen Jägern begleitet wurden. Seit Ende 1943 waren die deutschen Verbände hoffnungslos unterlegen. Ein Verhältnis von eins zu zehn war nicht außergewöhnlich.

Zwei Tage im Juli 1944

Gunter Lauser berichtet weiter, dass am 18. Juli 1944 der Flugplatz Memmingen angegriffen worden sei. Es seien sehr viele Maschinen vom JG 3 abgeschossen worden. Am 19. Juli, an einem Mittwoch, wurden „lediglich“ Lt. Müller und Unteroffizier Kurt Rörich (seine Absturzstelle ist der Fliegerhistorischen Arbeitsgruppe bekannt, sie liegt bei Kronburg) abgeschossen.

Der 19. Juli 1944

Am 19. Juli wurden von den Amerikanern Fliegerhorste, Verkehrsanlagen sowie Industrie- und Versorgungsbetriebe im Großraum München angegriffen. 1242 Bomber und 700 Begleitjägern seitens der Alliierten nahmen daran teil. Ab 8 Uhr erreichten die Verbände im Bereich der Eifel westdeutsches Gebiet und schwenkten dort auf Süd und Südost, um über Koblenz, Trier und Saarbrücken weiter nach Karlsruhe zu fliegen, von wo aus sie zwischen Ravensburg und Ulm Kurs auf ihre Angriffsziele nahmen.

Gegen 9.50 Uhr sei es Lt. Müller noch gelungen, einen viermotorigen Bomber abzuschießen, es war auf seinem dritten Feindflug der dritte Abschuss. Am Tag zuvor musste er mit dem Fallschirm seine Maschine verlassen.

Bericht eines Zeitzeugen

Die von der Fliegerhistorischen Arbeitsgruppe gefundenen Absturzstellen im Raum Bad Schussenried, die von einem 92-jährigen Zeitzeugen gezeigt wurden, passen sowohl räumlich wie auch von der Wetterlage her beschrieben (es war Hochsommer). Der Zeitzeuge hat beschrieben, dass zwei Maschinen im steilen Sturzflug aus einem Verband amerikanischer Bomber herausgestürzt und aufgeschlagen seien. An der Absturzstelle habe der Zeitzeuge seinerzeit nur kleine Teile entdeckt.

Eine Vermutung

Die Gruppe um Gunter Lauser vermutet, dass einer der beiden Abstürze Lt. Müller gewesen sein könnte. Aus amerikanische Abschussmeldungen geht hervor, dass um 10.10 Uhr eine FW 190 im Raum Biberach abgeschossen worden sei.

Dieses Flugzeug – beziehungsweise deren Reste – steckt im Boden noch fest. Ein Flugzeug mit einem bis zu 700 Kilogramm schweren Motor, das aus 5000 Metern Höhe abstürzt, bohrt sich etliche Meter tief in die Erde.

Die Spurensuche

Während in den ersten Jahren der Spurensuche das Ausgraben vor Ort im Prinzip möglich gewesen sei – so mit Hilfe der Grundstücksbesitzer und eines Baggerfahrers –, sei es nach und nach sehr schwierig geworden, da sich in Baden-Württemberg die Vorschriften verändert haben, berichtet Gunter Lauser. Wer ein Flugzeug einfach ausgraben und bergen wolle, mache sich strafbar.

Absprung mit Fallschirm?

Laut Aussage des Zeitzeugen habe es geraucht, es seien Trümmer herumgelegen, jedoch sei in dem besagten Flugzeug niemand drin gewesen gewesen. Ein Absprung mit dem Fallschirm wäre also durchaus möglich gewesen. Gewissheit würde sich jedoch erst bei der Bergung des Flugzeugs finden.

Interesse von Gunter Lauser

Gunter Lauser interessieren die ungeklärten Schicksale. Mit zahlreichen Weltkriegspiloten hat er gesprochen. „Ich habe viel erfahren über die Ängste, die sie im Einsatz durchlitten haben.“ Immer wieder bekommt er Bilder, Auszeichnungen, Uniformen und Dokumente, die ihm bei seinen Recherchen helfen.

Dokumente zu Karl Müller

Im Fall von Karl Müller sind dies: dessen Auszeichnungen Eisernes Kreuz 2. Klasse vom 7. Juli 1944 und posthum das Eiserne Kreuz 1. Klasse vom 29. Juli, ein Telegramm vom 27. Juli von Müllers stellvertretenden Staffelführer an den Wehinger Ortsgruppenleiter der NSDAP, damit dieser Müllers Eltern benachrichtigen solle, dass deren Sohn am 18. Juli (falsches Datum) vom Feindflug nicht zurückgekehrt sei und als vermisst gelten würde, sowie ein Einschreiben an den Vater von Karl Müller vom 15. August mit dem Eisernen Kreuz und einem Hinweis auf dessen Nachlasssachen, die per Post verschickt worden seien.

Nichts im Gemeindearchiv

Gunter Lauser hat die Gemeinde Wehingen angeschrieben. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es keine Unterlagen zu Karl Müller im Gemeindearchiv geben würde.

Wer jedoch Angaben zu Karl Müller machen könne, dürfe sich bei Gunter Lauser melden: gunter.lauser@gmx.net, Telefon 0172/4 97 46 65.