Anfang 1525 erreichte Herzog Ulrich den Lochen – also vor genau 500 Jahren. Die Eyachstadt ist auf sich allein gestellt, denn die Truppen aus Österreich waren nicht da.
Es ist das Jahr 1525: Herzog Ulrich steht mit seinen Truppen, die aus schweizerischen Söldnern bestehen, vor den Balinger Stadtmauern. Als erste Stadt im Herzogtum ergeben sich die Balinger. Denn: Der österreichische Landesherr kommt ihnen nicht zu Hilfe.
Aber wie kam es überhaupt so weit – war Balingen nicht eigentlich württembergisch? „Ja, das meint man immer, aber zu dieser Zeit war Balingen eine österreichische Besatzungszone“, sagt Günther Meinhold. Über die Vorgeschichte des sogenannten „Bauernkriegs“ – welcher faktisch korrekt eigentlich als Aufstand bezeichnet werden sollte, da Bauern gar nicht das Recht hatten Krieg zu führen – weiß er bestens Bescheid.
Seit vielen Jahren recherchiert der historisch interessierte Balinger Gemeinderat die Details dieses Ereignisses in Balingen und der Region. „Das fasziniert mich, nicht zuletzt, weil in diesen uralten Dokumenten immer wieder auch meine eigenen Frommerner Vorfahren auftauchen“, erzählt er.
Dass den Balingern der österreichische Landesherr nicht zu Hilfe kommen konnte, lag daran, dass der vom österreichischen Erzherzog Ferdinand zum obersten Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes – einer Vereinigung der südwestdeutschen Freien Reichsstädte – ernannte Truchsess Georg III. von Waldburg (der „Bauernjörg“) nur mit einer kleineren Reiterei bei Tieringen das Nachtlager aufgeschlagen hatte und beim nächtlichen Blick vom Lochenstein auf Balingen erkennen musste, dass er gegen die Übermacht der Schweizer nichts ausrichten konnte. Lediglich eine kleinere Abteilung Schwarzwälder, Hegauer und Schweizer Bauern, die bei den Dörfern Weilheim und Waldstetten lagerten, konnte der Truchsess am anderen Morgen in aller Frühe angreifen, wobei 133 Bauern den Tod fanden, während der Truchsess nur um 15 Pferde trauerte.
Erfindung des Buchdrucks
Zu dieser Zeit sei einiges in Bewegung gewesen. „Es gab einige große Veränderungen“, berichtet Meinhold. Der Buchdruck wurde soeben erfunden, und das Reisen wurde durch den Einsatz von Kutschen deutlich vereinfacht, weshalb das Verbreiten von Informationen um einiges schneller ging.“ Das sei deshalb von Bedeutung gewesen, weil zeitgleich die Reformation der Kirche, angestoßen durch Martin Luther, dadurch überhaupt erst richtig möglich war. „Balingen blieb davon aber eher unberührt, da es zu dieser Zeit streng katholisch war“, so Meinhold.
Viele Aufgaben und Abgaben
Anders sah es aber mit gleich mehreren politischen Themen aus. Dazu zählte die Einrichtung der Leibeigenschaft. „Als Leibherren traten Hochadel, niederer Adel, Bischöfe und Klöster auf. Die Leibeigenschaft war erblich, und zwar ging von der Mutter auf ihre sämtlichen Kinder über“, wie Fritz Scheerer in den Heimatkundlichen Blättern von 1975 schreibt. In den meisten Orten werde der größte Teil der Einwohner ursprünglich leibeigen gewesen sein, vermutet er. Bekannt sei beispielsweise aus Endingen, dass von 28 Untertanen der Ortschaft 25 leibeigen waren.
Zu den Diensten, die am meisten beschwerten, gehörten die sogenannten Fronen oder Herrendienste. Wer zum Beispiel Pferde im Stall hatte, musste Wein und Frucht ab- und zuführen, Holz auf die Burg bringen oder Steine oder anderes Baumaterial auf den Bauplatz verfrachten. Wer keine Pferde besaß, musste auf anderen Wegen etwas beitragen. In den Frommerner Weinberg sollten die Ostdorfer Pfähle aus dem Wald Witthau geben und die Engstlatter sollten diese nach Frommern fahren. Wenn an der Stadtmauer im damaligen Balinger Schlossbezirk Arbeiten notwendig wurden, seien unter anderem die Einwohner von Ostdorf, Engstlatt, Heselwangen, Endingen, Erzingen und Frommern verpflichtet gewesen, das benötigte Baumaterial zu liefern.
Zudem seien Bauern meist zu einer Vielzahl weiterer Aufgaben und Abgaben verpflichtet gewesen, welche insbesondere dann schwer wogen, wenn Missernten und darauf folgende Hungersnöte herrschten.
Unruhen im Sommer 1524
Die ersten Unruhen brachen im Sommer 1524 im Schwarzwald aus und verbreiteten sich bis nach Oberschwaben, wo die Bauern die 12 Artikel aufstellten. Gefordert wurden unter anderem die Befreiung von der Leibeigenschaft und den Frondiensten, die Abschaffung des Blutzehnten und des Todfalls, Jagd-, Fischerei- und Holzfreiheit, freie Wahl der Pfarrer, deutsche Predigt und gerechtes und gleiches Gericht. Wieder spielte die Erfindung des Buchdrucks eine wichtige Rolle: Die Forderungen verbreiteten sich rasch und weitläufig.
Herzog Ulrich kehrt zurück
Diese allgemeine Unzufriedenheit kam dem zuvor geflohenen Herzog Ulrich von Württemberg nicht unrecht. Er wollte sein Land zurückerobern und scharrte die Bauern um sich. Auch in Balingen und den heutigen Ortsteilen regte sich Widerstand im Volk.
In einer Ausstellung in der Zehntscheuer werden diese Geschehnisse aufgearbeitet und im Laufe dieses Jahres anschaulich präsentiert.
500 Jahre Bauernkrieg – Ausstellungen
Balingen
In der Balinger Zehntscheuer sind in diesem Jahr drei besondere Ausstellung geplant. Neben dem 100- jährigen Bestehen des Stadtmuseums und dem Jubiläum zu „ 50 Jahre Neue Stadt Balingen“ wird auch an den Bauernkrieg vor 500 Jahren erinnert. Allen drei Jubiläen soll in Form einer Ausstellung in der Zehntscheuer gedacht werden, einen offiziellen Termin für die Eröffnung der Ausstellungen gibt es derzeit aber noch nicht.
Stuttgart
Das Land Baden-Würrtemberg erinnert an den Bauernkrieg der Jahre 1524/1525 mit einer großen Landesausstellung. Neben einer kulturhistorischen Ausstellung in Bad Schussenried gibt es eine interaktive Ausstellung sowie eine Kindermitmachausstellung in Stuttgart – 29. Januar bis 25. April. Auch ein digitales und ein mobiles Format werden angeboten.
Weitere Informationen unter www.landesarchiv-bw.de/de/aktuelles/ausstellungen/77629