Mit unseren heutigen Weberknechten hatten deren Ahnen vor 48 Millionen Jahren nicht viel gemein. Damals krabbelten laut einer Studie Opa Langbeine durch unsere Breiten, die man in den Tropen vermuten würde.
Ob bei der Gartenarbeit oder in den vier Wänden: Weberknechte sind in Deutschland ein gewohnter Anblick. Optisch fallen bei unseren heimischen Arten vor allem die langen, spindeldürren Beine auf.
Vor 48 Millionen Jahren zierte die Spinnentiere jedoch auch hierzulande ein metallisch glänzender Körper. Das schreiben Forschende nach der Entdeckung einiger fossiler Exemplare in der Grube Messel, über die im Fachjournal „Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments“ berichtet wird.
48 Millionen alte Weberknecht-Fossilien
Schneider, Opa Langbein, Habergeiß oder Zimmermann: Nur vier der Namen, unter denen Weberknechte (Opiliones) bei uns bekannt sind. In Deutschland leben mehrere Dutzende der etwa 6600 bekannten Arten, die zwar äußerlich an Spinnen erinnern, in der Klasse der Spinnentiere aber ihre eigene Ordnung bilden.
Weberknechte sind als Fossilien selten, die meisten bisherigen Funde stammen aus Bernstein. Noch seltener sind in Gestein konservierte Weberknechte. Doch nun sind mehrere Fossilien des Typs Opa Langbein in der im Unesco Welterbe Grube Messel in Südhessen gefunden und beschrieben worden.
Weberknechte waren Teil der damaligen Fauna
Durch die Studie ist jetzt klar, dass auch Weberknechte Teil der damaligen Fauna waren. Christian Bartel und Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde Berlin sowie Sonja Wedmann von der Senckenberg Forschungsstation Grube Messel konnten die Fossilien anhand einer großen Platte, welche die Rückseite des Hinterleibs der Tiere bedeckt, der Weberknecht-Familie der Sclerosomatidae zuordnen, welche noch heute in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre anzutreffen sei.
„Das Interessante an diesen Fossilien ist ihr glänzendes, metallisches Aussehen“, erklärt der Paläontologe und Zoologe Jason Dunlop. Dieses sei vermutlich auf sogenannte Strukturfarben zurückzuführen, bei denen die Körperoberfläche das Licht so reflektiert, dass sie auch 48 Millionen Jahre später noch glänzend aussieht. „Solche Strukturfarben wurden bislang noch nie zuvor bei fossilen Weberknechten beobachtet“, ergänzt Erstautor Bartel, der Doktorand in Dunlops Arbeitsgruppe ist.
Vor 48 Millionen Jahren lebten tropische Spinnentiere in Deutschland
Bei mehreren lebenden Mitgliedern der Sclerosomatidae-Familie tritt jenes metallisch glänzende Aussehen ebenfalls auf, was die Spinnentiere zu beliebten Fotomotiven macht. Allerdings leben die meisten der entsprechenden Arten in tropischen Regionen der Welt und hier vor allem in den Regenwäldern Südostasiens.
„Die neu entdeckten fossilen Weberknechte passen daher sehr gut zur Interpretation der Grube Messel als ehemaliger Vulkansee, der von einem warmen Tropenwald umgeben ist“, erläutert Sonja Wedmann, Grabungsleiterin in Messel vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. „Mit anderen Worten: Vor 48 Millionen Jahren lebten wohl eher tropische Spinnentiere in Deutschland.“
Schimmernde Weberknechte könnten mit dem Klimawandel zurückkehren
?Schimmernde Weberknechte leben heute in Regenwäldern, was die Einordnung der Grube Messel als subtropisches bis tropisches Waldhabitat unterstützt. Damals lebten tropische Spinnentiere in Deutschland – auf Grund des Klimawandels könnte dies bald wieder der Fall sein.
Seit einiger Zeit werde häufiger berichtet, dass ein invasiver Weberknecht, der möglicherweise aus Afrika stammt und auch ein langbeiniges und glänzendes Aussehen hat, sein Verbreitungsgebiet in weite Teile Europas ausgeweitet habe. Ob dieser eine enge Verwandtschaft mit den Messel-Fossilien habe, sei noch unklar.
Info: Grube Messel
Fenster zur Urzeit
Das von der deutschen Unesco-Kommission als „Fenster zur Urzeit“ bezeichnete Areal Grube Messel ist seit t 1995 Unesco-Weltnaturerbe. Die Grube Messel gilt als eine der bedeutendsten Fossilfundstellen Deutschlands. Zu den aufsehenerregendsten Entdeckungen gehören Urpferdchen und fossile Krokodile, aber auch Insekten und Spinnen wurden bereits gefunden. fast 30 Jahren Welterbe.
Einst tropische Region
Die in den Ölschiefer eingepressten und konservierten Funde zeigen, wie die Welt vor Millionen Jahre in der damals tropischen Region aussah. Mit mittlerweile mehreren Zehntausend Fossilien-Funden können Wissenschaftler ein relativ genaues Bild der damaligen Lebenswelt und des Klimas zeichnen. Die Funde sind Zeugnis einer Welt lange nach dem Aussterben der Dinosaurier und lange bevor die Evolutionsgeschichte Neandertaler oder den modernen Menschen hervorbrachte. Die größte Sammlung an Messel-Fossilien besitzt das Landesmuseum.