An diesem Freitag, an dem sich der russische Überfall auf die Ukraine jährt, werden das ganze Leid, die Brutalität und die Zerstörung durch den Krieg nachdrücklich ins Gedächtnis gerufen. So auch bei Matthias und Tamila Lasi.
Sie kamen am 19. Februar 2022 mit einem der letzten Flieger vor Kriegsausbruch aus Kiew in den Westen. Lasi, evangelischer Gemeindepfarrer in Schwarzenberg und zuständiger Geistlicher für Tourismus und Gastronomie im Dekanat, war seit Juli 2018 Pfarrer einer deutschsprachigen Gemeinde in Kiew. Seine Frau Tamila ist Ukrainerin und diplomierte Dolmetscherin für Ukrainisch, Russisch, Deutsch und Englisch.
Warnung schon im Januar
Schon Ende Januar 2022, so erinnert sich Lasi im Gespräch mit unserer Redaktion, seien die Mitarbeiter deutscher Organisationen in der Ukraine von der Botschaft vor einem möglichen Kriegsausbruch gewarnt worden. Doch dann musste es Mitte Februar sehr schnell gehen, um rechtzeitig in den Westen zu kommen.
Nach einigen Zwischenstationen gelangten seine Frau und er nach Schwarzenberg. Dort wurden sie herzlich aufgenommen. Tamila Lasi arbeitet inzwischen als Lehrerin für ausländische Kinder an der Realschule in Baiersbronn. Die Anerkennung ihrer ukrainischen Abschlüsse gestaltet sich in der deutschen Bürokratie schwierig. Inzwischen ist es auch gelungen, Verwandte aus der Ukraine in den Westen zu holen. Für die Unterstützung durch den Integrationsmanager Jan Münzberg und Petra Weigold von der Gemeinde sind sie überaus dankbar.
Andere Denkweise
Wolle man die Auseinandersetzungen und den Krieg zwischen Russland und der Ukraine verstehen, sollte man sich klarmachen, dass die Denkweise in puncto Menschenwürde, Arbeit und gesellschaftliches Zusammenleben zwischen Ostländern und im Westen „total anders“ sei, so Lasi. Die Ukraine befinde sich dabei in einer Art Übergangsphase, vor allem die jüngeren Generationen denken inzwischen anders.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass Krieg in Wirklichkeit schon seit 2014, seit der völkerrechtswidrigen russischen Annexion der Krim, herrscht. Ukrainische Flüchtlinge im Westen dagegen müssten lernen, „dass hier Eigeninitiative gefragt ist und man sich nicht darauf verlassen kann, dass die anderen etwas tun“.
Brisante Fragen
Die Zögerlichkeit und die ersten Reaktionen der deutschen Regierung auf ukrainische Hilferufe nach Waffen sieht Lasi kritisch. Inzwischen aber habe sich die Haltung der Regierung verbessert. Angesichts russischer Gräueltaten in der Ukraine fragt sich Lasi, der Brisanz seiner Worte durchaus bewusst: “Wo bleiben die deutschstämmigen Russen in Deutschland? Warum demonstrieren sie nicht vor der russischen Botschaft? Liegt es vielleicht daran, dass sich ein großer Teil von ihnen nicht von Putin distanziert und der andere Teil Angst vor Putin hat? Angst, wie es sie auch in Russland gibt? Oder liegt es etwa daran, dass sie im Westen nichts gelernt haben und noch im russischen System verhaftet sind?“
Putin, so Lasi, und der russischen Regierung könne man nicht vertrauen. Sie hätten den Westen an der Nase herumgeführt. Sie verstünden nur die Sprache der Stärke, wer verhandeln wolle, zeige Schwäche. Wie es weiter geht? Lasi: „Das ist die große Frage, das weiß kein Mensch. Eine russische Atommacht kann man nicht besiegen, auch nicht, weil die russische Regierung bereit ist, jeden Preis zu bezahlen. Menschenleben spielen dabei keine Rolle“. Trotzdem werde man verhandeln müssen.
Dabei scheint es Lasi so, dass die Brisanz des Konflikts im Westen noch nicht ganz angekommen ist: „Wer sagt denn, dass Putin an den Grenzen Halt machen wird? Und wer von uns möchte in einem System leben, wie es in Russland herrscht?“