Bereits im Jahr 2017 wurde der Gymnastikraum der Turngemeinde Schwenningen am Waldeck umgebaut, jetzt soll er um eine neue Umkleide erweitert werden. Doch die derzeitige finanzielle Lage durch die Energiepreiserhöhung erschwert das Projekt. (Archivfoto) Foto: Seiss

Die Energiepreiskrise spitzt sich auch im organisierten Sport weiter zu, konkrete Unterstützungsmaßnahmen sind bislang nicht in Sicht. Über 550 Sportvereine aus Baden-Württemberg haben daher in einer mit den drei baden-württembergischen Sportbünden abgestimmten Aktion einen offenen Brief der SV Böblingen mitgezeichnet. Auch darunter: die Turngemeinde (TG) 1859 Schwenningen.

VS-Schwenningen - Man habe Mitte September darauf gehofft, dass Vereine und Verbände ins dritte Entlastungspaket des Bundes aufgenommen werden. Doch auch diese Hoffnung sei einer tiefen Enttäuschung gewichen. "Wie schon in der Corona-Krise scheint der organisierte Sport, der größte nicht-staatliche Akteur in der Kinder- und Jugendarbeit, bei der Politik mit seinen großen Problemen kein Gehör zu finden", heißt es in dem zweiseitigen Schreiben der zahlreichen baden-württembergischen Vereine, der auch unserer Redaktion vorliegt.

Alles nur eine Frage der Zeit?

Darin fordern sie, dass jetzt schon notleidende Vereine schnellstmöglich staatliche Unterstützung erhalten müssen und die Politik zudem Maßnahmen ergreifen muss, um die Energiepreise wieder auf ein bezahlbares Niveau zu bringen. Ansonsten sei es "nur eine Frage der Zeit, bis der erste Verein zu extremen Maßnahmen greifen und den Betrieb in seinen Anlagen entweder erheblich einschränken oder Hallen und Sportzentren gleich ganz schließen muss – weil Gas und Strom unbezahlbar geworden sind".

Massive Erhöhung der Mitgliedsbeiträge scheidet aus

Mit drastischen Beispielen schildern die Vereine in ihrem Brief, welchen Herausforderungen sie bereits gegenüberstehen. Von einer Vervielfachung der Kosten für Strom und Gas ist die Rede, was besonders Vereine mit eigenen Hallen, Sportzentren oder Bädern vor die Frage stelle, wie man explodierende Preise als gemeinnütziger Verein bezahlen soll. Eine massive Erhöhung von Mitgliedsbeiträgen scheide aus, um die Kostensteigerungen abzufangen. Sie widerspreche dem sozialen Auftrag der Vereine und würde zudem wohl zu einem schmerzhaften Mitgliederverlust führen. Zudem seien ihre finanziellen Reserven durch die schwere Zeit nach den vergangenen beiden Corona-Jahren allmählich aufgebraucht.

Energiepreisanstiege bis zu 800 Prozent

Trotzdem hätten die Sportvereine im Land in den vergangenen Jahren viel in sparsame Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen investiert. In der aktuellen Situation reichten diese Maßnahmen aber bei weitem nicht aus, um die immensen Kostensteigerungen abzufangen. Bei Preisanstiegen von bis zu 800 Prozent, so wie es einem Verein aus dem Raum Stuttgart angekündigt worden sei, für den die jährlichen Kosten für Heizung und Warmwasser in den vereinseigenen Sportanlagen dadurch um 300 000 bis 350 000 Euro steigen würden, würde eine weitere Reduzierung des Strom- oder Gasverbrauchs um 20 bis 30 Prozent die Energieausgaben kaum auf ein bezahlbares Niveau bringen, schreiben die Vereine.

Muss ein "kalter Lockdown" folgen?

Aber auch die Vereine ohne eigene Anlagen seien in großer Sorge, ächzten doch die Städte und Gemeinden genauso unter den Energiekosten für ihre Einrichtungen. Womöglich würden der bereits erfolgten Schließung von einzelnen Bädern erst viele weitere Schwimmhallen und im nächsten Schritt dann die kommunalen Sporthallen folgen. Vereinstraining, Sportunterricht, Schwimmkurse – alles würde dann in einen "kalten Lockdown" geschickt, bis es wieder bezahlbare Energie gibt. "Wann das sein wird, weiß niemand. Und welche Strukturen innerhalb der Vereine bis dahin nachhaltig zerstört sind, weiß ebenso niemand." Um einen "kalten Lockdown" im Sport zu verhindern, brauche es deshalb schnell staatliche Unterstützung.

Gymnastikraum der TG Schwenningen im Fokus

Wie in der Pressemitteilung des Vereins deutlich wird, ist auch die Turngemeinde 1859 Schwenningen von den erhöhten Energiepreisen unmittelbar betroffen. Der neue Gymnastikraum auf dem Waldeck werde rege genutzt für viele sportliche Aktivitäten – morgens wie abends. Die Erweiterung des Gymnastikraums um eine Unisex-Umkleide habe bereits durch die erhöhten Preise im Bausektor einen Dämpfer erhalten. Dennoch halte die TG an der Umsetzung dieses Vorhabens fest. Allein die Erhöhung des Gaspreises werde in Zukunft die Belegung des Raumes und der Umkleide beeinflussen. "Es wäre sehr schade, wenn die Turngemeinde Schwenningen aufgrund der ›Nichtbezahlbarkeit‹ der Heizung das Sportangebot reduzieren oder gar ganz einstellen müsste!"

Der folglich dringende Appell des größten Schwenninger Vereins an die Regierung, der die Mitzeichnung im offenen Brief begründet: "Haltet die Energiepreise in einem vernünftigen Rahmen!"

Info: Weitere Vereine und Institutionen, auf die die Krise Auswirkungen hat

Dass die TG Schwenningen nicht der einzige Verein der Doppelstadt ist, der mit den Auswirkungen der Energiepreiskrise zu kämpfen hat, zeigt sich am jüngsten Beispiel des Friedensschulbads, das mitunter aufgrund der stetig steigenden Preise vor dem Aus steht. Unter anderem sind davon der Schwenninger sowie der Villinger Schwimmclub betroffen, die bekannterweise erst einmal ins Neckarbad beziehungsweise Villinger Hallenbad ausweichen müssen.

Zudem steht in der nächsten Sitzungsrunde der städtischen Gremien zur Diskussion, inwieweit die Kunsteisbahn VS (KEB) die Stundensätze für die Eiszeiten der verschiedenen Vereine, die in der Helios-Arena trainieren, anheben soll, um den erwirtschafteten Verlust auszugleichen. Waren es bisher im Schnitt 145 bis 200 Euro pro Stunde, soll, so der Vorschlag der Verwaltung, der Stundensatz nun auf 250 Euro für alle Vereine erhöht werden.