Pferdelunge, Wadenmuskeln so groß wie Handbälle, das Schwabenalter noch weit weg – sind das die unverzichtbaren Voraussetzungen, um auf dem Fahrrad die Alpen zu überqueren? Von wegen!
Albstadt-Laufen - Wie Kinder auf Weihnachten, so hat sich Irmgard Mitsch auf diesen Tag gefreut: "Dreimal, zweimal, einmal werden wir noch wach, heißa, dann ist Abfahrtstag." Jetzt ist er da: Am Mittwoch, 6. Juli, begeben sich Mitsch, 66, und Dieter Schöppler, 79, nach dem Frühstück auf den Weg von Laufen nach Korsika und sagen Haus, Hof und Nachbarn für die Dauer von knapp drei Wochen Lebewohl.
In 14 Tagen von Albstadt nach San Carlu
Was dem Aufbruch folgt, ist bis ins Detail geplant: 14 Etappen und Übernachtungen, seit Wochen fest gebucht; Details sieht man auf den schwarz-rot-goldenen Trikots, die das unternehmungslustige Paar fertigen ließ. Auf der Brust die beiden Vornamen abgedruckt, auf dem Rücken der gesamte Tourverlauf von Albstadt bis San Carlu auf Korsika. Die Strecke führt durch vier Länder, auf 1176 Kilometern sind 7195 Höhenmetern zu bewältigen – das Bergprofil prangt auf den beiden Rückentaschen. Die Etappen sind im Schnitt 70 Kilometer lang; jede Tagestour ist im Handy abgespeichert, zur Sicherheit aber auch noch auf Papier ausgedruckt, das im Gepäck mitfährt.
Nach Jahrzehnten wieder am Reschensee
Am ersten Tag geht es von Laufen nach Reinhardsweiler bei Bad Saulgau, die weiteren Tagesziele sind Leutkirch im Allgäu und Füssen. Danach führt der Weg nach Österreich, erst nach Nassereith, anschließend nach Pfunds und dann zum Reschensee. "Den kenn ich noch aus meiner Jugend, war mit dem CVJM dort, sagt Dieter Schöppler – fast sieben Jahrzehnte ist das her.
Erst Carmen und dann Lamborghini
Danach Italien: erst das Vinschgau, dann Latsch, Marling und Lana. Die beiden Laufener folgen der Weinstraße nach Süden, nach Eppan, Kalterer See, Tramin und Salurn. Auf der Via Claudia Augusta, einer alten Römerstraße, gelangen sie nach Verona; in der Römerarena, die 22 000 Besucher fasst, werden sie sich die Oper "Carmen" anhören und anschauen – die Eintrittskarten sind gebucht und befinden sich im Gepäck. Durch die Po-Ebene geht es anschließend auf dem Eurovelo 7, dem längsten europäischen Radweg, weiter nach Bologna, wo ein Besuch im Lamborghini-Museum eingeplant ist. Dann stehen abermals Bergwertungen auf der Agenda; vorbei an Montecatini Terme führt der Weg über den Apennin nach Lucca und nach Pisa, noch eine Station weiter warten Livorno und die Korsikafähre. Noch ein paar Tage Inselurlaub, und dann geht es mit dem Flugzeug zurück nach Stuttgart.
Vorbereitung und Kondition stimmen
War es das dann? Nicht ganz, die Räder müssen ja auch noch zurück nach Deutschland; Dieter Schöppler holt sie im August mit dem Auto ab. Ihr Gepäck haben Schöppler und Mitsch in vier Satteltaschen verstaut, von denen jede fünf Kilogramm wiegt – das sind zehn Kilo, die jeder der Zwei transportieren muss, auch über Alpen- und Apenninenpässe. Dieter Schöppler und Irmgard Mitsch sind zuversichtlich, dass sie das schaffen werden. Sie haben sich gründlich vorbereitet und sich auf 700 Radkilometern auf der Alb, die bekanntlich auch ein paar deftige Steigungen zu bieten hat, die nötige Kondition antrainiert. Alter ist kein Hindernis:"Ich möchte auf dieser Tour nicht nur viele neue Eindrücke sammeln, sondern allen meinen Altersgenossen Mut machen: Auch im höheren Alter ist vieles machbar", sagt Dieter Schöppler, der im April seinen 79. Geburtstag feierte.
Übrigens stellt er sich nicht zum ersten Mal einer solchen Herausforderung: Erst vor einem Jahr hat er den San Bernardino im Schweizer Kanton Graubünden bezwungen. Und wenn doch irgendetwas dazwischen kommt? "Für den Fall ist gesorgt", versichert Schöppler. "Mir haben mindestens sieben Laufener angeboten, uns heimzuholen, falls doch irgendwas passiert."