Vor dem Pokal-Halbfinale: MTV-Volleyballerinnen Jovy-Heuser ( li.), Olivera (re., im Duell gegen Köpenick) – verfängt sich der VC Wiesbaden im Abwehr-Netz des Stuttgarter Teams?    Foto: Pressefoto Baumann

Es ist das Spiel des Jahres: Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart treffen an diesem Sonntag im Pokal-Halbfinale auf den VC Wiesbaden. „Wenn wir eine starke Leistung zeigen, dann ist alles drin“, sagt Manager Bernhard Lobmüller.

Stuttgart - Es ist das Spiel des Jahres: Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart treffen an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Scharrena) im Pokal-Halbfinale auf den VC Wiesbaden. „Wenn dann die Halle nicht voll ist“, sagt Manager Bernhard Lobmüller, „muss ich mich fragen, ob ich hier falsch bin.“


Herr Lobmüller, erinnern Sie sich noch an den 6. März 2011?
Wie könnte ich dieses Datum je vergessen?

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an den Pokal-Sieg zurückdenken?
Ich bin sicher kein Nationalist, aber als bei der Siegerehrung nach unserem ersten großen Titel die Nationalhymne für uns gespielt wurde, war das schon ein beeindruckender Moment. Unser damaliges Team hatte viel Humor und Witz, entsprechend inspirierend war hinterher die Siegerparty. Und am nächsten Tag waren wir das Titelbild der Stuttgarter Nachrichten. Das ist etwas ganz Besonderes gewesen.

Warum finden Volleyballer den Pokal-Wettbewerb so faszinierend?
Weil der Endspieltag in Halle/Westfalen ein Mythos ist. Arena, Kulisse, Atmosphäre – dort passt alles. Das ist so ähnlich wie im Fußball, und der VfB will ja auch unbedingt nach Berlin. Allerdings sind wir schon einen Schritt weiter (lacht).

Dafür ist Ihr Team am Sonntag im Halbfinale in der Scharrena gegen den VC Wiesbaden nur Außenseiter.
Das sehe ich anders. Wenn wir eine starke Leistung zeigen, dann ist alles drin. Zumal Wiesbaden einen viel größeren Druck hat. Der Etat unseres Gegners ist mindestens 25 Prozent höher als der von uns (700 000 Euro/Anmerkung der Redaktion). Wir können gewinnen, Wiesbaden muss gewinnen.

Ihre Mannschaft spürt auch Druck: Sie könnte auf einen Schlag die bisher eher durchwachsene Bundesliga-Saison vergessen machen.
Stimmt. Allerdings ist in der Liga noch lange nichts verloren. Zwei, drei Siege, und wir sind im Kampf um die Play-off-Plätze in einer sehr guten Ausgangsposition. Andererseits: Ich wäre ein unverbesserlicher Optimist, wenn ich sagen würde, dass wir mit diesem Team Meister werden. Stattdessen setzen wir auf die Jugend, und das ist sicher der richtige Weg. Umso schöner wäre es, das Pokalfinale spielen zu können.

Es wäre auch ein Zeichen an die Zuschauer.
Da kann ich nicht widersprechen. Zum Saisonstart waren wir mit 1900 Besuchern fast ausverkauft, danach kamen 1600, irgendwann noch 700. Zuletzt waren es zwar 1723 – allerdings auch dank vieler Freikarten. Dieses Auf und Ab stimmt mich nachdenklich.

Ist es nicht offensichtlich? Stimmen die Ergebnisse, dann kommen auch die Leute.
Ganz so einfach ist es nicht. Wir hören immer wieder, dass wir genialen Sport zeigen und die Stimmung bei uns super ist – und trotzdem kommen viele Neukunden nicht wieder. Ich weiß nicht, woran das liegt, und das ist frustrierend. Wir müssten neben unserem Stammpublikum zu jedem Spiel nur ein Promille der Stuttgarter mobilisieren, aber nicht mal das schaffen wir.

Auch nicht für das Pokal-Halbfinale?
Mein großes Ziel ist, Volleyball in dieser Stadt zu etablieren. Wenn gegen Wiesbaden die Halle nicht voll ist, dann muss ich mich fragen, ob ich hier falsch bin.

Hört sich ein bisschen nach Resignation an.
Ich führe ein kleines Unternehmen, habe aber nur wenige Mitarbeiter. Wir bräuchten dringend einen Geschäftsführer, können uns die 70 000 Euro, die dafür nötig wären, aber nicht leisten. Wir müssen auf das Ehrenamt bauen, das bei uns aber nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Da kann nach fünf Jahren schon mal etwas Müdigkeit aufkommen.

Wie lange machen Sie den Job noch?
Die Uhr läuft gegen jeden, doch in meinem Alter läuft sie irgendwann ab. Deshalb werde ich mich in spätestens zwei Jahren zurückziehen. Bis dahin müssen wir eine Struktur haben, die meine Tätigkeit auf ein bis zwei Stunden pro Tag reduziert.

Das wollen Sie doch schon länger . . .
Ja, aber jetzt gibt es ein Ablaufdatum. Und ich weiß inzwischen, was ich tun werde.

Wie sieht Ihr Plan aus?
Wenn wir den Etat für die nächste Saison machen, werde ich Geld für einen Geschäftsführer raussparen. Ich muss dort investieren, wo ich einen möglichst großen Effekt habe, auch wenn dies zunächst auf Kosten der Mannschaft oder des Trainerteams geht. Denn eines ist klar: Wenn es uns nicht gelingt, die Geschäftsstelle zum Laufen zu bringen, dann haben wir ein großes Problem, und zwar schon kurzfristig.

Sie geben diese Saison 700 000 Euro aus. Wie viel Geld werden Sie einnehmen?
(Überlegt lange) Unser Etat ist auf Kante genäht. Im Februar müssen wir den ersten Lizenzantrag für die nächste Saison stellen. Dann werden wir sehen, was wir uns leisten können.

Ist das Projekt Bundesliga-Volleyball in Stuttgart gefährdet?
Natürlich. Meine tägliche Arbeit dreht sich nur ums Geld, denn wir haben keine Öl- oder Gasquelle wie viele Vereine im Osten Europas. Ich würde mir zutrauen, im Sponsoring mehr zu erwirtschaften, wenn ich mehr Zeit hätte. Die habe ich aber nicht. Andererseits kann man mit weniger Geld, als wir ausgeben, in der Volleyball-Bundesliga nicht bestehen. Die Kosten sind enorm gestiegen – für die Spielerinnen, aber etwa auch für Hotels. Dabei fährt unser Bus an den Luxusunterkünften der Fußballer immer vorbei.

Wo liegt die Lösung?
Womöglich bei einem Geschäftsführer. Oder bei externer Hilfe im Bereich Sponsoring und Ticketing – allerdings gibt es da nur wenige gute Modelle. Und bei den Verbänden, die endlich die Dinge angehen müssen, welche die Vereine kaputt machen: die exorbitant hohen Gebühren vor allem für Transfers und die nicht vorhandenen Fernsehzeiten. Bei den Männern besteht die Gefahr, dass die Liga aus finanziellen Gründen künftig nur noch aus sechs Teams besteht. Und auch bei den Frauen gibt es Wackelkandidaten.

Dazu passt Ihr Lieblingsthema: Wie steht es um die Unterstützung der Stadt Stuttgart?
Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Geht es ein bisschen konkreter?
Nachdem wir nun auch Volleyball-Stützpunkt geworden sind, ist weiterhin mein großer Wunsch, dass wir endlich als Marketing- und Sympathie-Aushängeschild der Stadt gesehen und entsprechend weiterempfohlen werden. Schauen Sie doch nur mal, was unser gemeinsames Training mit den VfB-Profis Stuttgart bundesweit an Marketing gebracht hat. Trotzdem gibt es kein Bundesliga-Team, das so wenig in Stadt, Region oder Land eingebunden ist wie wir.

Denken Sie auch an die Finanzkraft der neuen Stadtwerke?
Wir wollen keine Steuergelder aus irgendwelchen Töpfen, die uns nicht zustehen. Allerdings haben wir bisher nur Sponsoren aus der Privatwirtschaft, das ist einmalig in Deutschland. Deshalb würden wir Unternehmen, die von der Stadt profitieren oder von denen die Stadt profitiert, in unserem Sponsorenkreis natürlich mit offenen Armen empfangen.

Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?
Dass sich unsere jungen Spielerinnen weiterhin so gut entwickeln.

Das kann nicht alles sein!
(Lächelt) Und den Pokalsieg natürlich.