Kim Renkema ist wichtig für das Team – gerade wenn es nicht so läuft. Foto: Baumann

Kim Renkema will nach überstandener Krankheit das Volleyball-Team des MTV Stuttgart wieder stärken – so wie man es bisher von ihr gewohnt war.

Stuttgart - Ein Leistungssportler braucht Ehrgeiz, Willen, Motivation. Er muss hart sein können – vor allem zu sich selbst. Warnsignale des Körpers? Werden gern mal ignoriert. Das gehört zu einer gesunden Einstellung, ist aber nicht ungefährlich. Vor allem dann, wenn der größte Gegner nicht auf dem Feld steht, sondern in einem steckt. Kim Renkemahat das zu spüren bekommen. Am Samstag gab die Kapitänin von Allianz MTV Stuttgart ihr Comeback. Der Volleyball-Bundesligist gewann 3:1 bei den Roten Raben Vilsbiburg, die Außenangreiferin durfte sich über ein paar Einsatzminuten freuen – und über einen ganz persönlichen Triumph: Sie hat eine Krankheit besiegt, die Karrieren von Leistungssportlern beenden kann.

Die Malaise begann im Sommer. Kim Renkema (29) kam aus der Pause, als hätte sie keine gehabt. Sie fühlte sich schlapp, ausgelaugt, ohne Energie. Trainiert hat sie trotzdem. So gut es eben ging. Sie kämpfte. Um ihren Platz im Team. Und darum, den Erwartungen gerecht zu werden, die an die Anführerin einer jungen Mannschaft gestellt werden. Den Erfolg im Supercup gegen den Dresdner SC kurz vor dem Start der Bundesliga-Saison verpasste die Niederländerin, aufgeben aber wollte sie trotzdem nicht.

Kaum noch Kraft, um aufzustehen

Selbst als sie kaum noch die Kraft hatte, morgens aufzustehen und unter die Dusche zu kommen, dachte sie: Das schaffe ich schon – irgendwie! „Ein Leistungssportler muss stur sein. Ich bin besonders stur, manchmal zu stur. So stur, dass ich sogar böse auf mich selbst war“, sagt Kim Renkema, „ich habe einfach nicht akzeptieren wollen, dass etwas nicht stimmt.“ Doch im November war sie nicht nur körperlich am Ende, sondern auch mental. Es ging nicht mehr, ohne sich Hilfe zu holen. Die Diagnose lautete: Pfeiffersches Drüsenfieber. Eine tückische Viruserkrankung, die einem jegliche Energie rauben und das Immunsystem stark schwächen kann. Und die nun endlich behandelt wurde. „Irgendwann habe ich mir erlaubt, krank zu sein, meine Sorgen um Gesundheit und Karriere ernst zu nehmen“, sagt Kim Renkema, „das war eine unglaubliche Erfahrung, die mich im Leben weiterbringen wird.“

Ein Rückfall ist zwar nie ausgeschlossen, doch seit Anfang Januar trainiert Kim Renkema wieder. Und das, von einem Zusammenstoß mit Michaela Mlejnkova abgesehen, der mit einer leichten Gehirnerschütterung und ein paar Tagen Zwangspause endete, voll nach Plan. Kim Renkema ist spielerisch und körperlich noch längst nicht auf dem Niveau der vergangenen Saison, in der sie 48 von 50 Partien absolvierte. Aber die Zeit, in der sie mit traurigem Gesicht und voller Frust hinter der Bande saß, während die Kolleginnen schmetterten und blockten, ist vorbei. Das Lachen ist zurück, und das tut gut. Nicht nur Kim Renkema. Sondern dem gesamten MTV-Team.

Es nicht nicht viel schief gelaufen

Bisher ist nicht viel schief gelaufen in dieser Saison. Die Stuttgarterinnen haben den Supercup gewonnen, sie zählen zum unangefochtenen Spitzentrio der Bundesliga und stehen im Pokalfinale an diesem Sonntag in der Mannheimer SAP-Arena gegen den Schweriner SC. Und trotzdem war zu sehen, dass Kim Renkema fehlt. Zumeist reichte die individuelle Klasse zwar, um die Aufgaben zu meistern. Doch in den Phasen, in denen es schlechter lief, vermisste Trainer Guillermo Naranjo Hernández eine Führungsfigur, die auf dem Feld vorangeht, das Team zusammenhält, Emotionen ins Spiel bringt. „Kim Renkema hat uns mehr gefehlt, als es an den Ergebnissen abzulesen ist“, sagt Geschäftsführer Aurel Irion, „wir brauchen ihren starken Charakter und ihre positive Ausstrahlung, und es schadet natürlich auch nicht, nun wieder jemanden in der Mannschaft zu haben, der auch unangenehme Dinge anspricht.“

Jetzt beginnt die heiße Phase der Saison

Schließlich beginnt jetzt die Phase der Saison, in der es zählt – und das gleich mit einem Höhepunkt. Kim Renkema ist sicher noch nicht wieder so stark, dass sie das Pokalfinale am Netz entscheiden kann. Aber sie fühlt sich fit genug, um zu helfen. „Vor 12 000 Zuschauern zu spielen, ist ein unglaubliches Erlebnis“, sagt sie, „doch wir werden Schwerin nur dann auf Augenhöhe begegnen können, wenn wir als Mannschaft funktionieren. Auf und neben dem Feld. Spielerisch und emotional. Ich werde versuchen, meinen Teil dazu beizutragen.“

Das Gesicht des Stuttgarter Volleyballs

Zumal es nicht nur um den Pott geht. Sondern auch darum, ein Zeichen zu setzen für den Rest der Saison. Die Stuttgarterinnen möchten im April erneut in die Endspielserie um die Meisterschaft einziehen, spätestens dann will Kim Renkema wieder voll auf der Höhe sein. Weil viel auf dem Spiel steht. Und sie sich danach womöglich verabschiedet. Zwar läuft der Vertrag der Niederländerin noch ein Jahr, doch längst gibt es Gespräche darüber, ob sie schon nach dieser Saison ins Management des Bundesligisten wechselt. Dort trägt Aurel Irion seit dem Rücktritt von Sportdirektor Bernhard Lobmüller die alleinige Verantwortung. „Kim Renkema ist ein Gesicht des Stuttgarter Volleyballs“, sagt der Geschäftsführer, „da sind Gedankenspiele, sie bei uns zu halten, natürlich naheliegend.“ Auch für Kim Renkema selbst. „Ich will in Stuttgart bleiben“, sagt sie, „ein Job im Volleyball wäre traumhaft, und ich würde mir so einen Job auch zutrauen.“ Die weiteren Verhandlungen allerdings sind erst mal vertagt. Weil es aktuell wichtigeres gibt: das Spiel am Sonntag in Mannheim.