Die Stuttgarter Volleyballerinnen haben gemeinsam mit Trainer Tore Aleksandersen allen Widrigkeiten getrotzt und erneut den wichtigsten Titel gewonnen. Das verdient nach Meinung unseres Autors Jochen Klingovsky höchsten Respekt – zugleich steht der Club vor neuen Herausforderungen.
Es gibt Volleyball-Experten, die behaupten, der Kader von Allianz MTV Stuttgart sei der stärkste in der Geschichte der Bundesliga. Und dass der Club diese Saison folglich alle drei nationalen Titel hätte gewinnen müssen. Das kann man so sehen. Doch Sport ist nicht immer berechenbar.
Im Heim-Supercup zu Beginn der Saison in der ausverkauften Porsche-Arena mangelte es beim MTV noch an der Abstimmung, weil Zuspielerin Britt Bongaerts erst kurz zuvor zum Team gestoßen war (1:3 gegen den SC Potsdam). Und beim Pokal-Aus im Halbfinale fehlte die erkrankte Krystal Rivers (2:3 gegen den SSC Schwerin). Am Ende aber haben die Stuttgarterinnen mit einer Meister-Leistung und einem 3:1-Sieg im vierten Duell der Finalserie in Potsdam die wichtigste Trophäe geholt – allerdings war auch der Gewinn der Schale alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Denn diesen Titel hat sich das Team nicht nur dank seiner großen Klasse erspielt, sondern auch: erkämpft. Wie die Volleyballerinnen, die Verantwortlichen und natürlich vor allem Tore Aleksandersen selbst mit der schweren Krebserkrankung umgegangen sind, unter welcher der Trainer leidet, verdient allergrößten Respekt. Vor zwei Monaten hat sich die Situation des Norwegers verschlechtert, zudem begann er zwei sehr belastende neue Therapien. Seither muss Aleksandersen seine Kräfte einteilen, stand nicht mehr voll zur Verfügung, fehlte bei vielen wichtigen Partien. Das ging auch den Spielerinnen nahe. Umso mehr wollten sie am Ende zusammen triumphieren. Für sich. Für den Verein. Und für ihren Trainer.
Der Umbruch wird schwierig
Ob es mit Tore Aleksandersen weitergehen kann? Ist offen. Und es gibt noch andere Herausforderungen. Die Mannschaft für die nächste Saison steht, sie wird stark genug sein, um in Deutschland top zu bleiben. Doch irgendwann muss ein Umbruch stattfinden, der nicht einfach wird. Mittlerweile gibt es neben der Türkei und Italien weitere Länder, in denen umworbenen Volleyballerinnen doppelt und dreifach so hohe Netto-Gehälter geboten werden wie von Top-Bundesligisten. Zudem wird es für MTV-Sportdirektorin Kim Renkema künftig schwieriger, Top-Talente aus ihrer niederländischen Heimat nach Stuttgart zu locken, schließlich ist Felix Koslowski, der Coach des SSC Schwerin, mittlerweile im Nebenjob Nationaltrainer der Niederlande.
Was eines deutlich macht: So schön es ist, nach dem Double 2022 nun die Meisterschaft 2023 feiern zu können – Erfolge werden auch in Zukunft weder planbar noch eine Selbstverständlichkeit sein.