Die Volleyballerinnen der Binder Blaubären Flacht treffen im Pokal-Achtelfinale auf den großen Nachbarn und Triple-Sieger Allianz MTV Stuttgart – mit der Aussicht auf weitere Duelle in der Zukunft.
Für den Triple-Sieger Allianz MTV Stuttgart ist es eine Pflichtaufgabe, für den Volleyball-Zweitligisten Binder Blaubären Flacht das größte Spiel der Geschichte. Gut möglich, dass die ungleiche Paarung im Pokal-Achtelfinale, die an diesem Samstag um 19 Uhr vor 400 Fans in der ausverkauften Heckengäuhalle beginnt, schnell vorbei sein wird – und trotzdem nachhallt. Denn die beiden Vereine verbindet mehr, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Was viel mit der Perspektive der Frauen-Bundesliga zu tun hat.
Derzeit spielen dort neun Vereine, zu wenige, um mittelfristig zu überleben, zumal längst nicht alle gesund sind. Deshalb ruhen große Hoffnungen auf der 2. Bundesliga Pro, schnellstmöglich soll es den Paketaufstieg mehrerer Clubs geben. Zu den Kandidaten gehören neben dem ETV Hamburg, den ESA Grimma Volleys und den Skurios Volleys Borken auch die Binder Blaubären aus dem Weissacher Ortsteil Flacht. „Jedem, der wie ich aus diesem Sport kommt, tut es weh, dass es in Deutschland keine 14 professionellen Teams gibt. Dass nun ein Dorf wie Flacht Teil der Rettung sein soll, zeigt schon, wie groß das Dilemma ist“, sagt Jan Lindenmair, der Sportdirektor des Clubs, „was aber nichts daran ändert, dass wir große Lust auf die Bundesliga haben.“
Kim Renkema nach Stuttgart geholt
In Flacht gibt es keine gewachsenen Strukturen, keine große Arena, keinen hohen Etat. Dafür aber eine gute Nachwuchsarbeit, engagierte Ehrenamtliche – und eine Vision. „Wir wollen“, erklärt Jan Lindenmair, „unsere ganz eigene Geschichte erzählen.“ In welcher der Sportchef eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
Jan Lindenmair (45) war einst Trainer des Bundesliga-Frischlings Allianz MTV Stuttgart, er holte in Außenangreiferin Kim Renkema die heutige Sportdirektorin in den Verein, mit dem er 2011 den Pokal gewann. Zwei Jahre später trennten sich die Wege, abgerissen ist der Kontakt nie. „Allianz MTV Stuttgart hat sich enorm entwickelt. Das Projekt ist erwachsen, professionell und damit erfolgreich geworden“, sagt Jan Lindenmair über den Meister, Pokalsieger und Supercup-Gewinner, „die Verantwortlichen haben es geschafft, eine überragend gute wirtschaftliche Basis zu legen und Schlüsselspielerin Krystal Rivers immer wieder zu halten. Das sind zwei wesentliche Erfolgsfaktoren.“
Wildcard für die 2. Bundesliga Pro genutzt
Jan Lindenmair weiß, wovon er spricht. Denn er war nach seiner Zeit in Stuttgart nicht nur Volleyball-Trainer in Zürich und beim deutschen Juniorinnen-Nationalteam, er kennt auch die andere Seite des Sports. Von 2018 bis 2023 lenkte er als Geschäftsführer und Sportlicher Leiter die Geschicke beim Fußball-Regionalligisten TSG Balingen, sammelte wertvolle Management-Erfahrungen. Anschließend nahm er das Angebot eines Leonberger IT-Unternehmens und Blaubären-Sponsors an, als Abteilungsleiter einzusteigen – weil alles zusammenpasste.
Lindenmair wohnt mit seiner Freu und den beiden Kindern seit Anfang 2022 in Heimsheim, kaum war er im neuen Heim eingezogen, kam von Blaubären-Macher Michael Kaiser die Anfrage, ob er sich ein Engagement im Volleyball vorstellen könne. „Punktuell unterstütze ich gerne“, antwortete Lindenmair und brachte sich an verschiedenen Stellen ein, ehe es ein paar Monate später ernst wurde. Es bot sich die Chance, für das Frauen-Team, das bis dahin Bezirksliga spielte, eine Wildcard für die 2. Bundesliga Pro zu beantragen. Kaiser, Lindenmair und ihre Mitarbeiter griffen zu. Der im Volleyball bestens vernetzte Lindenmair half nicht nur bei der Lizenzierung, sondern brachte auch seine Kontakte ein – zwei Drittel der Spielerinnen, die verpflichtet wurden, hatte er schon einmal trainiert, viele von ihnen haben eine Stuttgarter Vergangenheit.
Der Etat müsste zumindest verdoppelt werden
Im ersten Jahr lief es sportlich auch verletzungsbedingt alles andere als optimal, die Flachterinnen blieben nur in der Liga, weil diese von zwölf auf 14 Vereine aufgestockt wurde. Für die aktuelle Saison ist das Team noch einmal verstärkt worden, nun läuft es wesentlich besser, zuletzt gab es gegen Grimma einen klaren 3:0-Erfolg. Zugleich zeichnet die Verantwortlichen aus, dass sie niemals den Blick für die Realität verlieren.
Der Etat des Zweitliga-Teams, dessen größter Sponsor der Schmuckhersteller Binder ist, beträgt etwas mehr als 200 000 Euro. Das reicht gerade, um den Aufwand von Spielerinnen und Trainer-Team zu kompensieren, der Rest arbeitet ehrenamtlich. Um nach einem Paketaufstieg mit anderen semiprofessionellen Clubs in der Bundesliga als Mannschaft, in der sich Talente entwickeln können, einigermaßen mithalten zu können, müssten die Einnahmen zumindest verdoppelt, besser verdreifacht werden. Ob das gelingen könnte? Ist völlig offen. Sicher ist nur, dass die Blaubären gewillt sind, den Sprung nach oben zu wagen. „Ob ein solcher Paketaufstieg die Rettung sein kann, wird sich erst in der Zukunft zeigen“, sagt Lindenmair, „doch egal, was man tut – es ist schon jetzt fünf Minuten nach zwölf.“ Auch deshalb ist nicht ganz so wichtig, wie lange an diesem Samstag das Pokalspiel dauern wird.
Zu hohe Fehlerquote in der Champions League
Auswärtsspiel (I)
Nach der 1:3-Pleite im ersten Spiel der Champions League am Donnerstagabend in Polen bei BKS Bostik ZGO Bielsko-Biala sprach Kim Renkema Klartext. „Ich hatte das Gefühl, dass wir gegen uns selbst verloren haben. Das war enttäuschend“, sagte die Sportdirektorin von Allianz MTV Stuttgart, „unsere Fehlerquote vor allem im Aufschlag ist weiterhin viel zu hoch. Das müssen wir ändern – sonst wird es gegen jeden Gegner schwer.“
Auswärtsspiel (II)
Im Pokal-Achtelfinale bei Zweitligist Binder Blaubären Flacht ist der Triple-Sieger an diesem Samstag (19 Uhr) klar favorisiert – auch ohne Zeit für die Regeneration. „Das“, sagt Kim Renkema, „gehört im Volleyball dazu.“