Leilani Slacanin (16) ist das größte Talent im neuen Team von Allianz MTV Stuttgart. Nach dem Umbruch schiebt Gesellschafter Frank Fischer (bei den Verabschiedungen von Krystal Rivers/o. und Kim Renkema) die Favoritenrolle der Konkurrenz zu. Foto: Baumann

Der Gesellschafter des Volleyball-Bundesligisten fordert vor dem Start der Saison Geduld ein – und lobt die Arbeit der früheren MTV-Sportchefin Kim Renkema als Liga-Geschäftsführerin.

Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart hat drei Legenden verloren, es folgte ein großer Umbruch. Vor dem Auftakt am Samstag in Hamburg dämpft der Gesellschafter, der gerne mit Sportdirektorin Kim Renkema verlängert hätte, die Erwartungen: „Es ist kein Muss, einen Titel zu holen.“

 

Herr Fischer, wie gespannt sind Sie auf die neue Saison?

Sehr gespannt.

Warum?

Weil wir eine neue Rolle spielen werden.

Inwiefern?

In den vergangenen Jahren waren wir einer der dominierenden Vereine in der Bundesliga. Wer einen Titel gewinnen wollte, musste an uns vorbei – und das haben wir nicht oft zugelassen. Jetzt, dessen sind wir uns bewusst, sind wir nicht mehr der große Favorit.

Sondern?

Ganz klar, als Titelverteidiger, der SSC Schwerin.

Und wie lautet das Ziel Ihres Vereins?

Wir wollen vorne mitmischen, sagen aber auch: Es ist kein Muss, einen Titel zu holen.

Weil die Mannschaft nicht gut genug ist?

Ich war vor ein paar Tagen im Training und stark beeindruckt. Ich habe ein echtes Kollektiv gesehen, die Mannschaft hatte richtig Bock, stand voll auf dem Gaspedal. Wir haben ein tolles, junges Team, das aber Zeit benötigen wird, um zu wachsen.

Folgt nun also ein Übergangsjahr?

So würde ich es nicht bezeichnen, das wird dem Anspruch, den wir weiterhin haben, nicht gerecht. Aber natürlich starten wir nach dem Karriereende unserer Leitfiguren und Führungsspielerinnen Krystal Rivers, Roosa Koskelo und Maria Segura Palleres in eine neue Ära – sie nicht mehr auf dem Feld zu sehen, wird seltsam und ungewohnt sein.

Die Führungsfiguren Roosa Koskelo (li.) und Krystal Rivers werden fehlen. Foto: Baumann

Müssen sich die Fans an Niederlagen gewöhnen?

Nein. Aber ich habe schon die Hoffnung, dass das gesamte Umfeld dem Team Vertrauen schenkt und die Ruhe bewahrt, auch wenn’s mal nicht so gut laufen sollte.

Das ist nicht die größte Stärke eines schwäbischen Publikums.

Was das Bruddeln angeht, unterscheidet sich Volleyball von anderen Sportarten. Die Unterstützung in der Scharrena wird weiterhin groß sein, da habe ich keine Bedenken.

Helfen dürfte, dass künftig vermehrt Talente aus dem eigenen Nachwuchs ins Bundesliga-Team eingebaut werden sollen. Ist dieses Konzept mit den Gesellschaftern abgestimmt?

Hundertprozentig, da war keine Diskussion nötig. Es ist total wichtig, unseren Talenten Raum zu geben und nicht nur an den nächsten Titel zu denken.

Auch aus finanziellen Gründen?

Natürlich müssen wir auf die Kosten achten. Wo es hinführt, wenn man sich übernimmt und Titel anstrebt, koste es, was es wolle, zeigt der Fall des SC Potsdam. Wir hätten uns sicher strecken und noch eine erfahrene Spielerin verpflichten können – aber ist es das wert? Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, fortan junge Spielerinnen zu entwickeln und die vorhandenen Potenziale zu nutzen. Leilani Slacanin zum Beispiel ist ein riesengroßes Talent, das unsere Erwartungen schon jetzt übererfüllt.

Allianz MTV Stuttgart steht nicht nur spielerisch vor einem Neuanfang, es ist auch die erste Saison nach der Trennung von Sportdirektorin Kim Renkema. Wie sehr fehlt sie?

Lassen Sie es mich so ausdrücken: Sie hilft jetzt nicht mehr nur uns, sondern als Geschäftsführerin der Volleyball-Bundesliga allen Vereinen.

Kim Renkema arbeitet seit Mai bei der VBL: Wie schlägt sie sich dort?

Sie ist ein großer Gewinn für die Liga, daran besteht kein Zweifel. Sie ist von ihren Ideen und Visionen getrieben, die sie unbedingt umsetzen will. Sie macht einen top Job, bringt den Volleyballsport in Deutschland voran. Davon werden alle Bundesligisten profitieren.

Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie sie gerne in Stuttgart gehalten hätten.

Leider haben wir keine Einigung zustande gebracht, und jetzt schauen wir alle gemeinsam nach vorne.

Trainer, Stratege, Kaderplaner: Konstantin Bitter hat bei Allianz MTV Stuttgart nicht nur eine wichtige Aufgabe. Foto: Baumann

Sie tun das seit neuestem auch als Sponsor der VBL – wegen Kim Renkema?

Ich hatte schon zu Corona-Zeiten Gespräche mit der Volleyball-Bundesliga, der Einstieg meiner Firma hatte also nicht nur mit ihr zu tun. Uns hat das Projekt gereizt.

Was macht Ihre IT-Firma für die VBL?

Wir unterstützen die Liga primär nicht monetär, sondern entwickeln einen Fantasy-Manager – vergleichbar mit dem Kicker-Managerspiel im Fußball –, der zum Start der Saison 2026/27 fertig sein soll.

Es gibt mittlerweile mehrere Sponsoren aus dem Umfeld von Allianz MTV Stuttgart, die sich auch bei der VBL engagieren. Macht Kim Renkema ihrem Ex-Club wirtschaftlich Konkurrenz?

Da habe ich keinerlei Befürchtungen. Es ist im Sport und der Wirtschaft normal, dass man nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes sein Netzwerk auch in der neuen Position nutzt. Doch ich bin mir ganz sicher, dass sie nicht aktiv Sponsoren von Allianz MTV Stuttgart abwerben und uns dadurch schaden wird.

Warum hat Allianz MTV Stuttgart den Posten von Kim Renkema nicht neu besetzt?

Wir haben dank des Engagements von Geschäftsführer Aurel Irion und Trainer Konstantin Bitter eine absolut tragfähige Lösung gefunden, mit der wir sehr zufrieden sind.

Es geht also auch ohne Sportdirektorin oder Sportdirektor?

Aktuell auf jeden Fall, aber die Entscheidung kann sich auch wieder ändern. Dazu bräuchte es allerdings die geeignete Persönlichkeit.

Wäre es denkbar, erneut eine Spielerin zur Sportchefin zu entwickeln?

Selbstverständlich ist ein solches Modell in der Zukunft vorstellbar.

Mit der Kapitänin Antonia Stautz?

(lächelt) Grundsätzlich traue ich Toni fast alles zu. Aber wir haben im Gesellschafterkreis bisher nicht über Namen gesprochen, auch weil es derzeit absolut keinen Handlungszwang gibt.

Seit kurzem sind es wieder vier Gesellschafter. Was bedeutet der Einstieg der Allianz für den Club?

Ich war überrascht, wie viele Leute von diesem Schritt überrascht waren, weil sie dachten, die Allianz sei längst einer der vier Gesellschafter. Wir können stolz darauf sein, dass das Unternehmen, das schon lange Namensgeber und einer der beiden Hauptsponsoren ist, nun auch als Gesellschafter Verantwortung übernimmt – das tut die Allianz meines Wissens nach sonst nirgendwo, oder es ist zumindest die große Ausnahme. Für uns ist das ein Glücksfall, der uns perspektivisch große planerische Sicherheit bringt. Auch ohne dass die Allianz nun das Füllhorn über uns ausschüttet, hätte es besser nicht laufen können.

Wären die Verhandlungen mit Kim Renkema anders ausgegangen, wenn die Allianz schon damals im Kreis der Gesellschafter vertreten gewesen wäre?

Das ist eine hypothetische Frage, die ich nicht beantworten kann.

Wir bleiben im Bereich der Fiktion: Was müsste passieren, damit Sie Ende April sagen können, Allianz MTV Stuttgart habe eine erfolgreiche Saison absolviert?

(überlegt) Das Team muss sich entwickelt, als Kollektiv überzeugt, alles gegeben und die Fans mitgenommen haben. Auf jeden Fall wäre es falsch, die Bilanz an einer bestimmten Platzierung festzumachen.

Die Führung von Allianz MTV Stuttgart

Führungskreis
Allianz MTV Stuttgart hat vier Gesellschafter: Gelenkt wird der Volleyball-Bundesligist von Rainer Scharr (Friedrich Scharr KG) und Denis Fischer (Allianz), deren Unternehmen auch die Hauptsponsoren sind, sowie von Frank Fischer (Webix Solutions) und Nico Helwerth (Präsident des MTV Stuttgart).

Führungsfigur
Frank Fischer (57) ist gebürtiger Stuttgarter, in seiner Heimatstadt studierte er Informatik. Mit einem Kommilitonen gründete er die Firma Webix Solutions. Das IT-Systemhaus hat heute weltweit rund 100 Angestellte. 2018 stieg Fischer, der auch VfB-Fan ist, als Gesellschafter bei Allianz MTV Stuttgart ein. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.