Sportchefin Kim Renkema beim Besuch in der Redaktion unserer Zeitung: Nicht nur sportlich sind die Ziele der Stuttgarter Volleyballerinnen ambitioniert Foto: Baumann

Eines ist Kim Renkema, der neuen Sportdirektorin des Volleyball-Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart, vor dem Start in die Saison klar: Es gibt für Mannschaft und Trainer noch viel zu tun.

Stuttgart - Das erste Bundesliga-Heimspiel ist an diesem Samstag (19.30 Uhr/Scharrena) gegen die Ladies in Black Aachen. Kim Renkema, Sportchefin der Stuttgarter Volleyballerinnen, ist gespannt auf den Auftritt ihres Teams: „Wenn wir am Ende der Saison nicht mindestens Vierter werden, wäre ich nicht zufrieden.“

Frau Renkema, im Volleyball-Supercup gab es eine enttäuschende 0:3-Niederlage gegen den Schweriner SC. Machen Sie sich vor dem Start in die Bundesliga-Saison Sorgen?
Wir hatten nach unserer Vorbereitung, die auch ohne die vier EM-Starterinnen sehr gut war, deutlich mehr erwartet. Wir hätten uns viel besser präsentieren müssen.
Gab es danach klare Worte von Ihnen?
Ja. Dass es noch Abstimmungsfehler gab, finde ich nicht schlimm. Doch wir haben nicht mal Grundlagenvolleyball gespielt. Das hat uns schon auch die Augen geöffnet.
Wofür?
Wir haben gesehen, dass wir noch keine Top-Mannschaft sind. Es liegt noch viel Arbeit vor uns.
Sie waren sicher, im Sommer gut eingekauft zu haben. Sind Sie das immer noch?
Natürlich. Im Supercup war auch zu sehen, dass wir eine hohe individuelle Qualität haben. Es kann ganz schnell ‚Klick’ machen. Wir müssen nun als Team zusammenwachsen. Als die vier EM-Starterinnen kamen, herrschte schon kurz Chaos (lächelt).
Es gibt nicht nur sieben neue Spielerinnen, sondern in Giannis Athanasopoulos auch einen neuen Trainer. Wie schlägt er sich?
Sehr gut. Er hat die Umstellung vom freundlichen, netten, lieben, stets gut gelaunten Co-Trainer zum Chefcoach, der auch mal hart sein und eine deutliche Ansage machen muss, sehr schnell geschafft. Er gibt im Training richtig Gas, ist voller Energie. Und er ist ein wandelndes Volleyball-Lexikon. Aber klar ist auch: Giannis hatte als Cheftrainer im Supercup keinen idealen Start, auf ihm lastet viel Druck. Und auch er muss sicher noch lernen.
Ein Coach ohne Erfahrung, eine hochtalentierte, aber auch sehr junge Mannschaft – was sind die Ziele für die nächste Saison?
Es ist klar, dass wir in der Bundesliga zu den Besten gehören. Wenn wir nicht mindestens Vierter werden, wäre ich nicht zufrieden. Wir wollen auf einem möglichst guten Platz in die Play-offs einziehen – und dann Richtung Titel gehen. Zusätzlich ist das Pokalfinale immer ein Ziel, aber da gehört auch Glück bei der Auslosung dazu.
Was fehlt noch, um endlich mal Meister zu werden?
In der vergangenen Saison ist uns am Ende aufgrund der vielen Verletzungen leider die Luft ausgegangen. Diesmal ist unser Kader breiter, die Namen sind vielversprechend. Aber nach dem Supercup muss ich sagen: Wir müssen erst mal unsere Qualität aufs Feld bekommen, bevor wir über die Meisterschaft nachdenken.

Kim Renkema über die Doppelrolle von Felix Koslowski

Wer ist der Titelfavorit?
Schwerin hat sicher den Vorteil, viele Spielerinnen aus dem deutschen Nationalteam zu haben, die sich blind verstehen. Und auf Dresden bin ich sehr gespannt.
Wie sehr profitiert der Schweriner SC davon, dass Coach Felix Koslowski auch der Bundestrainer ist?
Es ist sicher ein Vorteil, weil er den ganzen Sommer mit sechs seiner Spielerinnen arbeiten kann. Und für Schwerin ist es natürlich einfacher, gute deutsche Spielerinnen zu holen. Der schnellste Weg in die Nationalmannschaft führt eben über Schwerin, weil Felix Koslowski dort Trainer ist. Es ist ein Vorteil, aber nicht der Grund, warum der Schweriner SC Meister geworden ist.
Müsste diese Doppelrolle untersagt werden?
Der Verband hat klar gemacht, dass er derzeit nicht die finanziellen Möglichkeiten hat, um Felix Koslowski als Vollzeit-Bundestrainer anzustellen. Deshalb ist es jetzt halt so wie es ist. Mittelfristig muss man aber sicher noch mal neu darüber diskutieren.
Warum?
Weil geplant ist, 2019 oder 2020 eine Ausländerbeschränkung einzuführen. Und wenn wirklich zwei oder drei Deutsche auf dem Feld stehen müssen, was ich gut finden würde, wäre der Vorteil, den Schwerin durch die Doppelrolle von Felix Koslowski hat, natürlich noch um einiges größer.
Mit welchen Argumenten locken Sie Spielerinnen nach Stuttgart?
Wir sind erfolgreich. Wir spielen international. Wir haben die schönste Halle. Und Stuttgart ist eine Stadt, in der man super leben kann – besser als zum Beispiel in Schwerin. Das alles ist für Spielerinnen wichtig. Zudem haben wir das mittelfristige Ziel, uns finanziell so gut aufzustellen, dass wir immer Champions League spielen können, wenn wir uns qualifiziert haben.

Kim Renkema über Geld

Zuletzt hat Ihr Verein freiwillig verzichtet . . .
. . . und das ist den Spielerinnen, die alles dafür gegeben haben, um den Sprung in die Königsklasse zu schaffen, natürlich sehr schwer zu erklären. Wir sind super zufrieden mit unseren Sponsoren, und es läuft in diesem Bereich wirklich gut. Aber auch wenn mich mein Geschäftsführer immer ein bisschen bremst, bin ich doch überzeugt, dass angesichts der Wirtschaftskraft in Stuttgart noch mehr geht.
Wie viel mehr?
Ich bin mir sicher, dass es zu schaffen ist, den höchsten Etat in der Bundesliga zu haben.
Derzeit plant Allianz MTV Stuttgart mit rund 1,2 Millionen Euro pro Saison. Wie viel fehlt, um finanziell die Nummer eins zu sein?
Mit zwei Millionen Euro hat man sicher den höchsten Etat der Liga.
Sie waren lange Jahre Profi, sind nun seit April Sportdirektorin. Wie schwer ist Ihnen diese Umstellung gefallen?
Ich wollte nach meiner Karriere auf jeden Fall in Stuttgart bleiben, habe auf eine Möglichkeit gehofft, einen Job zu finden. Das ist jetzt natürlich die optimale Konstellation.
Es gibt keine Wehmut?
Bei einem Spiel vor 6000 Zuschauern, wie beim Supercup, schon. Aber nicht, wenn morgens um 9 Uhr eine Ausdauereinheit auf dem Programm steht. Ich liebe Volleyball, werde dieses Spiel immer vermissen, und auch das Gefühl, im Team gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Aber ich bin ja nicht weg, sondern gehöre immer noch zum Volleyball. Nun halt in einer anderen Rolle – die auch sehr herausfordernd ist.
Fühlen Sie sich noch als Lehrling?
Ich habe mich wegen einer Verletzung sehr gut auf die Aufgabe vorbereiten können, habe mehrere Praktika im Bereich Marketing gemacht. Im Volleyball bin ich sehr gut vernetzt, kenne die meisten Manager, Berater und Spielerinnen. Das ist eine gute Voraussetzung, aber ich muss natürlich immer noch sehr viel lernen. Das tue ich jeden Tag.
Warum gibt es im Volleyball eine so hohe Fluktuation?
Grund ist das Geld. Im Frauenvolleyball liegen die absoluten Top-Gehälter in der Bundesliga, so weit ich weiß, bei rund 4000 Euro. Wenn eine Spielerin von einem anderen Verein 500 Euro mehr geboten bekommt, ist das schon ein Wechselgrund. Und in Polen, Italien, Russland oder der Türkei wird sogar deutlich mehr bezahlt als in Deutschland.

Kim Renkema über den VfB

Im Neckarpark spielen drei Bundesligisten. Wie ist das Verhältnis zu den VfB-Fußballern und den Handballern des TVB Stuttgart?
Wir versuchen, zu beiden Vereinen einen sehr guten Kontakt zu halten, den haben wir derzeit. Beide sind für uns jederzeit ansprechbar, wir bekommen Unterstützung.
Inwiefern?
Nehmen wir den VfB: Es gibt zwar keine Partnerschaft. Aber ich kann zum Beispiel fragen, ob wir mal 20 Fahrräder ausgeliehen bekommen. Oder ob wir im Stadion für eines unserer Heimspiele werben dürfen. Solche Dinge sind möglich, und es gibt weitere Bereiche, die ausgebaut werden könnten.
Zum Beispiel?
Ich kann mir eine Zusammenarbeit im Marketing vorstellen. Warum soll es nicht mal eine gemeinsame Ticket-Aktion von Fußballern, Handballern und Volleyballerinnen geben? Da können wir uns sicher gegenseitig weiterhelfen.
Wie sehen die Zuschauerzahlen beim Volleyball aus?
Unser Schnitt hat sich enorm gesteigert, ist super. Und wir haben 500 Dauerkarten verkauft, so viele wie nie zuvor. Aber wir haben es noch nicht geschafft, in jedem Spiel ausverkauft zu sein. Unter der Woche oder gegen weniger attraktive Gegner gibt es noch Lücken. Und vielleicht ist es ja sogar möglich, irgendwann einmal wieder ein, zwei Spiele in der Porsche-Arena auszutragen. Da ist noch Potenzial.
Was wünschen Sie sich fürs erste Heimspiel?
Drei Punkte. Und eine ausverkaufte Halle – aber das wird nach der viel zu langen Sommerpause, die uns immer Publikum kostet, eher schwierig. Zumal wir im Supercup ja nicht die beste Werbung gemacht haben.