Die Debatte rund um den Missbrauch des Lieds „L’Amour Toujours“ für rechte Parolen geht auch nach den Vorfällen auf Sylt und in Nagold weiter. In einer SternTV-Sendung ist auch Ricarda Becker, Vorsitzende der „Bauwagenfreunde Nordschwarzwald“, zu Besuch und verrät wie es den Mitfahrern des Maiwagens geht. Die Polizei gibt derweil wenig Informationen bekannt.
Vergangenes Wochenende diskutieren in einer SternTV-Sendung der Oktoberfest-Chef Clemens Baumgärtner, Musikproduzent Alex Christensen, Ricarda Becker, Vorsitzende der „Bauwagenfreunde Nordschwarzwald“ und Comedian Salim Samatou über die rassistischen Vorfälle rund um das Lied „L’Amour Toujours“. Soll das bekannte Lied verboten werden oder nicht?
Während der Oktoberfest-Chef zu seiner Entscheidung steht, und das Lied auf dem Fest verbieten will, sind die anderen drei sich einig: Das Lied und der Künstler Gigi D’Agostino sollten nicht unter dem Missbrauch der Melodie für rechte Parolen leiden. „Das Lied ist Liebeslied, und das sollte es bleiben“, betont Musikproduzent Christensen.
Ricarda Becker ist als Mit-Organisatorin der Maiwagen-Tour, von der das verbreitete Video aus Nagold stammt, eingeladen. Obwohl die Tour bereits am 1. Mai stattgefunden hatte, erreichte der Vorfall erst nach dem Sylt-Video deutschlandweit Aufmerksamkeit.
Der Vorfall in Nagold
Zur Erinnerung: Am Tag der Arbeit zieht es im Kreis Calw jedes Jahr viele junge Leute auf die großen, selbst gebauten Maiwagen, die herumfahren und auf denen gemeinsam gefeiert wird – eigentlich immer friedlich. Bereits am 2. Mai verbreitete sich über Whatsapp ein Video, bei dem einer dieser Wagen um den Nagolder ZOB fährt. Dabei grölen ein paar Mitfahrer die rechten Parolen „Ausländer raus. Deutschland den Deutschen“ zur Melodie des Lieds „L’Amours Toujours“.
Der Kameraführer zoomt dabei immer wieder auf einzelne Menschen, die sich am Nagolder Busbahnhof aufhalten. Der Staatsschutz ermittelt seit Bekanntwerden des Videos wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung. Wofür übrigens Freiheitsstrafen drohen.
Der aktuelle Ermittlungsstand
Aus ermittlungstaktischen Gründen gibt das Polizeipräsidium Pforzheim aktuell keine weiteren Informationen bekannt. Ebenso gibt es „aus Gründen der Persönlichkeitsrechte“ vonseiten der Polizei keine Auskunft darüber, um welche Gruppe der rund 50 Maiwagen es sich handelt, erläutert Antonia Klein, Pressesprecherin des Präsidiums auf Nachfrage unserer Redaktion.
Mittlerweile liegen den Ermittlern allerdings drei verschiedene Videoaufzeichnungen vor. „Inwiefern diese Videos dazu beitragen werden, mögliche Tatverdächtige zweifelsfrei zu identifizieren, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden“, sagt die Sprecherin. Vor der erneuten Verbreitung des Videos nach dem Vorfall auf Sylt seien der Polizei allerdings keine Zeugenhinweise eingegangen, erklärte ein Sprecher des Präsidiums auf Anfrage unserer Redaktion.
Aus der aktuellen Antwort lässt sich jedoch schließen, dass die Polizei vermutlich die Tatverdächtigen identifizieren konnte. Womöglich um ähnliche Verfolgungen der mutmaßlichen Täter – wie sie einigen Personen aus dem Sylt-Video widerfahren sind – zu vermeiden, werden die Identitäten nicht preisgegeben.
Die Hetzkampagne gegen mutmaßliche Täter
Becker spricht in der SternTV-Sendung auch über die Zeit direkt nach dem ersten Bekanntwerden des Vorfalls über Whatsapp. „Wir waren bei uns – im kleineren, regionalen Kreis – eigentlich schnell bei der Sache, dass so etwas nicht veröffentlicht wird“, betont die Vorsitzende. „Doch dann kam Sylt“, sagt Moderator Dieter Könnes. Und seitdem würden Sylt und Nagold oft in einem Satz genannt – „Leider“, meint Becker.
Gab es auch im Kreis Calw eine Art Hetzkampagne wie auf Sylt, fragt der Moderator die Vorsitzende. „Wir stehen mit der Gruppe im Austausch. Wir wissen wie es ihnen geht“, sagt Becker. Ihnen sei es bereits „am 2. Mai, als sie wieder nüchtern waren, sehr schlecht gegangen“. Doch nun ziehe es Kreise – in Familien, Unternehmen, beim Arbeitgeber. „Das hätten sie vorher nicht gedacht.“ In den sozialen Medien seien Namen und Unternehmen veröffentlich worden, die nun „entsprechend vorverurteilt und in eine Ecke gedrängt werden, wo sie gar nicht gehören“, unterstreicht Becker.