Nur noch die Grundmauern zeugen heute von der einst sehr stattlichen Kapelle St. Wendel an der Grenze von Langenbach zu Oberkirnach. Foto: Ketterer Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: St. Wendel blickt auf bewegte Geschichte an der Grenze von Langenbach zu Oberkirnach

Wenn von einer Kapelle die Rede ist, geht deren Entstehung meist auf ein Gelübde oder Ereignis zurück. Viele dieser Kapellen sind hunderte Jahre alt. Zu diesen Kapellen (heute stehen allerdings nur noch die Grundmauern) gehört die Kapelle St. Wendel an der Grenze von Langenbach zu Oberkirnach.

Vöhrenbach/St. Georgen. Wer gerne wandert, erreicht die Kapellenruine von der Friedrichshöhe aus und geht Richtung Oberkirnach. Nach viereinhalb Kilometern erreicht man ein Wegkreuz, das der Vöhrenbacher Unternehmer Fritz Dold errichten ließ. Man zweigt hier rechts ab und folgt danach der Beschilderung St. Wendel und ist nach 1,1 Kilometern am Ziel. Schon wenn man die Grundmauern betrachtet, ist schnell klar, dass es eine größere Kapelle gewesen sein muss, die Maße sind 11,8 mal 6,30 Meter. In der Hofchronik von Oberkirnach steht, dass in der Kapelle vielleicht dicht gedrängt 150 Gläubige Platz gefunden hatten. Dazu muss man wissen, dass die Kapelle, die am 4. Oktober 1496 vom Konstanzer Weihbischof Daniel Zehender geweiht wurde, ein beliebter Wallfahrtsort war. Sogar aus dem Breisgau, Elsaß und Vogesen kamen die Gläubigen, um den Heiligen der Kapelle, St. Wendelin, zu verehren.

St. Wendelin gilt als alemanisch-fränkischer Volksheiliger. Er ist der Schutzheilige des Viehs, der Hirten und viehzüchtenden Bauern. Ursprünglich war eine kleinere Kapelle an diesem Ort. Aufgrund des Zustroms wurde jedoch eine größere Kapelle gebaut. Deren Überreste sind heute noch zu sehen. Es gibt Vermutungen, dass die Kapelle aufgrund einer Viehseuche entstanden ist. Ein Sage berichtet auch, dass zwei Kinder, die keine Herberge fanden, am Standort der danach erbauten Kapelle erfroren.

Beliebter Wallfahrtsort

Die St. Wendelinskapelle war keine einfache Hofkapelle, sondern reich ausgestattet. Dies belegt ein Inventarverzeichnis, das im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart, entdeckt wurde. Besondere Feiertage für St. Wendel waren der Wendelstag am 21. Oktober und der Kirchweihtag der Kapelle, der sechste Sonntag nach Ostern. Doch auch an anderen Sonntagen wurden Wallfahrten unternommen.

Da am 21. Oktober die Nächte schon kalt waren, liegt die Vermutung nahe, dass es am sechsten Sonntag nach Ostern die größten Wallfahrten gab. Hier konnten die Pilger auch nächtigen, denn für Anreise, Aufenthalt und Rückkehr wurde damals mehr als ein Tag verplant.

Plünderung befohlen

Das Jahr 1585 brachte jedoch eine Wende für den Fortbestand der Kapelle. Trotz der Reformation und Thesenanschlag von Martin Luther im Jahre 1517, sind in Oberkirnach weiterhin Gottesdienste nach katholischem Brauch abgehalten worden. Dies war dem Amtmann Heinrich Müller aus St. Georgen und wohl auch dem St. Georgener Pfarrer ein Dorn im Auge. Müller befahl die Ausplünderung der reich ausgestatteten Kapelle. Daran folgend sollte die Kapelle zerstört werden. Unter Zwang mussten die umliegenden Bauern helfen. Doch auch nach dem Ausräumen der Kapelle wurden immer noch heimlich Wallfahrten von fürstenbergischen und vorderösterreichischen Untertanen unternommen. Da St. Wendel an der Grenze zu Fürstenberg-Württemberg stand, bat man auch hier um Unterstützung, um gegen die Wallfahrten ankämpfen zu können. Württemberg hatte bereits 1536 diese Wallfahrten verboten. Der Abriss der Kapelle zog sich trotzdem über einen längeren Zeitraum hin, da die Bauern wenig Lust für diese Arbeit zeigten.

Buben mopsen Geldopfer

Nach wie vor wurde St. Wendelin verehrt und Geldgaben in der Kapelle niedergelegt. Die Geldopfer in der Kapelle blieben auch den Hirtenbuben nicht verborgen. Sie bemächtigten sich der ertragsreichen Geldquelle mit der Folge, dass es zu Hause etliche Hiebe auf den Hosenboden gab. Als die Kapelle schließlich doch abgerissen wurde, diente das Abbruchmaterial andernorts als Baumaterial. Zu den Geldopfern sei noch erwähnt, dass es früher ein St. Wendels-Fond gab, an den die Bauern Abgaben zu entrichten hatten. Umgekehrt war es auch möglich, aus dem Fond Geld zu leihen. Von diesem Fond profitierte unter anderem der Bau des Schulhauses in Oberkirnach und der Turm der Lorenzkirche in St. Georgen. Oberkirnach gehörte mit der Wendelins-Kapelle zum Landbesitz des Klosters St. Georgen. Nicht genau datiert ist die Zerstörung. Man vermutet, dass es in dem Zeitraum war, als im Jahre 1608 in Linach eine Wendelins-Kapelle gebaut wurde. Der St. Georgener Gymnasialprofessor und Geschichtsforscher Bartholomäus Heinemann (1885 bis 1949) folgerte daraus, dass mit dem Kapellenbau in Linach ein Ersatz des Oberkirnacher Wallfahrtsheiligtums geschaffen wurde.

Nach wie vor in der Schwebe ist, wo die schöne Glocke von St. Wendel geblieben ist. Zwar ist niedergeschrieben, dass die Inventarien, Einrichtungen, samt Glöcklein von St. Wendel nach St. Georgen gingen. Doch wenn man der Sage glauben schenkt, ist die Glocke mit Fuhrmann, Wagen und Tier in einem Weiher versunken. Fakt ist, es gibt keinen Beweis, wo sich die Glocke befindet. In den Jahren 1973 bis 1975 wurden die Mauerreste der St. Wendelins-Kapelle vom Verein für Heimatgeschichte St. Georgen freigelegt. Die etwa einen Meter hohe und 80 Zentimeter dicke Grundmauer kündet vom früheren Ausmaß der Kapelle.