Die Linachtalsperre ist ein markantes Bauwerk, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1921 zurückreichen. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: 775 Jahre Vöhrenbach / Aufschwung durch Spieluhren- und Orchestrionfabrikation

Im Sommer 2019 feierte die Stadt Vöhrenbach ihr 775-Jahr-Jubiläum. Für den im Stadtarchiv tätigen Ludger Beckmann Grund genug, in die bewegte Geschichte einzutauchen. Im ersten Teil befasste er sich mit dem Stadtbrand 1819 bis hin zur Revolution 1848/49. Nun geht die Zeitreise weiter.

Vöhrenbach. 1818 tauchten erstmals das Bürgermilitär und die Stadtkapelle auf. Nach dem Stadtbrand galt es, Vöhrenbach wiederaufzubauen. Dies gelang ganz ordentlich. Trotz Auswanderung stand die Einwohnerzahl im Jahre 1836 bereits bei 793 Einwohnern, davon 149 Schülern. Am 2. August 1835 konnte man mit großem Stolz die Fahnenweihe des Bürgermilitärs feiern. Dies war sicherlich ein Höhepunkt in der Wiederaufbauzeit.

Missernten und Hunger

Mit dem Hunger hatte man im folgenden Jahrzehnt wiederum zu kämpfen. Ab 1844 kam es überall zu Missernten, die Auswanderung zog wieder an. Auf Veränderungen in der nicht mehr zeitgemäßen Uhrenfertigung setzte der 1847 gegründete Uhrengewerbsverein, an dem auch der Vöhrenbacher Lithograph und Kunstmaler Casimir Stegerer in führender Stellung beteiligt war. Stegerer war zudem ein begeisterter Anhänger der Revolution von 1848/49, wie ein Heinrich Heine und ein David Imhof. Nach der Niederschlagung der Revolution musste Stegerer fliehen.

Aufschwung ab 1850

Wirtschaftlich ging es in Vöhrenbach ab 1850 aufwärts. Die mit der Firma Welte seit 1833 hier herrschende Spieluhren- und Orchestrionfabrikation nahm einen ungeahnten Aufschwung. Uhrenfabriken wie Heer und Xaver Heine traten nun hervor. An der Spitze stand aber Imhof & Muckle. Vöhrenbach entwickelte sich zum Zentralort der Schwarzwälder Musikindustrie.

Der gesamte Ort florierte. Die Neue Villinger Straße Richtung Unterkirnach über die Friedrichshöhe wurde 1863 fertiggestellt. Für die 1858 gegründete Feuerwehr gab es im Jahre 1866 ein neues Spritzenhaus. Die Feuerwehrkapelle folgte 1867.

Vöhrenbachs Blütezeit war sicherlich im Kaiserreich. Mit Josef Hebting, einem Weinhändler vom Kosbachhof, gab es einen Vöhrenbacher im Reichstag in Berlin (1871 bis 74 und 1877/78) und im Landtag in Karlsruhe (1865 bis 70 und 1883 bis 86). Er hinterließ 1888 der Stadt Vöhrenbach Wälder und Grundstücke, aus deren Erträgen man die Vöhrenbacher Jugend unterstützen konnte. Vöhrenbach war im 19. Jahrhundert auch reich an Künstlern wie Stegerer, Adolf Heer oder Crispi Adolf Beermann.

Vereine entstehen

Das Vereinswesen blühte auf. Bereits 1852 wurde eine Schützengesellschaft gebildet. Später 1880 kam es zur Gründung des Turnvereins und 1881 zum Gesangverein Concordia. Weitere Vereine entstanden: 1892 organisierten sich die Kleintierzüchter, 1899 entstand ein Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes und 1900 ein Kraftsportverein. Im Jahre 1911 wurde ein Ski-Club aus der Taufe gehoben.

1884 wurde die Sparkasse in Vöhrenbach gegründet. 1893 erreichte die Bregtalbahn auch Vöhrenbach. 1896 wurde eine Wasserleitung erbaut. 1904 gab es erste Telefonanschlüsse, eine Telegrafenverbindung war schon viel früher, 1860, installiert worden. 1905 kamen Elektrizitätswerk, 1908 Kanalisation und 1912 ein Krankenhaus hinzu. Der Bau der neuen Volksschule wurde 1913 begonnen. Da sie im Ersten Weltkrieg als Gefangenenlager für Offiziere diente, konnte sie erst im Jahre 1920 für schulische Zwecke genutzt werden.

Der Bau der Talsperre

Nach der Überwindung der Kriegswirren erreichte mit dem Postbus 1920 die Motorisierung auch Vöhrenbach.

Der weitere Aufstieg Vöhrenbachs als Industriestandort hing immer mehr vom Strom ab. Das Kraftwerk Laufenburg konnte diesen aber nicht mehr reibungslos und ständig zur Verfügung stellen. So musste sich die Stadt nach Alternativen umschauen, die sie 1921 im Linachtal und dem Bau einer dortigen Talsperre zu finden hoffte. Bereits an Neujahr 1922 erfolgte der Spatenstich, im Dezember der Durchstich im Stollen, und am 24. Juni 1923 wurde der Grundstein für die Mauer gelegt. Trotz aller inflationsbedingten großen Schwierigkeiten konnte am 16. Dezember 1923 am neuen Kraftwerk ein Lichtfest stattfinden.

Die Bautätigkeit stockte immer wieder. 1925 wurde die Staumauer vollendet, 1926 war alles fertig. Der Strom konnte fließen. Finanziert werden musste dieses Großprojekt durch einen großen Kahlschlag des städtischen Waldes und eine erhebliche Verschuldung.

Hohe Arbeitslosigkeit

Große Sorgen bereitete die hohe Arbeitslosigkeit. In der Weltwirtschaftskrise ab 1929 stand die Stadt mit dem Rücken zur Wand. Weiterer Wald wurde geopfert – vergeblich. Das Land übernahm 1933 die Zinszahlungen und bewirtschaftete den städtischen Wald. Erst gegen Kriegsende konnte die Stadt den Wald wieder zurückerhalten. Nach dem Krieg ging der Ertrag der Talsperre immer weiter zurück. Es waren zu viele Reparaturen notwendig. Der Gemeinderat musste 1969 das Kraftwerk stilllegen und das Ortsnetz an das Kraftwerk Laufenburg verkaufen.

Viele Kriegsgefangene

Im Zweiten Weltkrieg befanden sich Hunderte von polnischen und französischen Kriegsgefangenen, später auch sowjetische Zwangsarbeiter, in Vöhrenbach, die in der Landwirtschaft, in der Industrie und in der Stadtverwaltung beschäftigt waren. Die Bevölkerung ging mit ihnen im Wesentlichen anständig um. Diese gute Behandlung zahlte sich beim Zusammenbruch durchaus aus. Am 21. April 1945 wurde Vöhrenbach vorübergehend evakuiert. Gefahr ging vom eingekesselten 18. SS-Armeekorps aus, das im Bregtal kampierte und sich nach Osten durchschlagen wollte. Vöhrenbach wurde am Morgen des 25. April kampflos geräumt, nachmittags rückten die Franzosen ein. Die gute Behandlung der Gefangenen, die auch noch Jahrzehnte später von Abbé Ciceron gewürdigt wurde, zahlte sich aus. Die Übergriffe der Besatzungstruppen hielten sich in Grenzen. Es kommt aber wie überall zu Demontagen, Requisitionen und zu Kahlhieben.

75 Gefallene

Im Zweiten Weltkrieg wurden 41 Vöhrenbacher nach dem Stand von 1952 vermisst, 75 Personen waren gefallen, davon eine Nachrichtenhelferin. Rund 200 Menschen erreichten Vöhrenbach bis 1956 als Vertriebene und Flüchtlinge aus den ehemals deutschen Ostgebieten, der Tschechoslowakei und Südosteuropa.

Nach dem Krieg

In den 1950-er-Jahren begann die Ansiedlung von Firmen im Vöhrenbacher Westen. Sie stammten aus Furtwangen. In den 1960-er-Jahren begann Vöhrenbach, sich mit dem Siedlungsgebiet Hagenreute Richtung Westen auszudehnen. Die Friedhofskapelle und das Freibad wurden gebaut, es folgte die Nachbarschaftsschule, 1971 die Eingliederung von Langenbach, Hammereisenbach-Bregenbach und Urach. Das Stromnetz wurde verkauft und die Talsperre stillgelegt.

Zur gleichen Zeit, ab 1971, entwickelten sich erste Kontakte zu Morteau. Zu einer Partnerschaftsfeier reiste Bürgermeister Wolf mit eine Delegation im Jahre 1973 dorthin. 1974 wurde die Partnerschaftsurkunde in Vöhrenbach unterzeichnet. Alle fünf Jahre wurde die Partnerschaft groß gefeiert. Viele Vereine besuchten sich gegenseitig.

Anstelle des früheren Bahnhofes konnte 1979 ein Busbahnhof in Betrieb gehen. 1987 wurde das Krankenhaus in ein Altenpflegeheim umgewandelt. 2001 erfolgte die Eröffnung des Betreuungs- und Pflegezentrums Luisenhof.

Talsperre reaktiviert

1995 trat die Gedea an die Stadt heran, um das Kraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen, was 1998 gelang. 1999 bildete sich der Förderverein, ab 2001 konnte man den Wanderweg über die Mauerkrone nutzen. 2005 erfolgte der Spatenstich zur Sanierung, 2007 fand der Probestau statt. Am 1. Juni 2008 war der Festakt zum Abschluss der Sanierung.

Vöhrenbach. Im Rahmen der Festveranstaltung gab der im Stadtarchiv Vöhrenbach tätige Ludger Beckmann einen kurzen Abriss der Vöhrenbacher Stadtgeschichte von den Anfängen im Jahre 1244 bis zum heutigen Tage.

Stadtgründung 1244

Ob und wie weit Vöhrenbach ein kleines Rädchen in den Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Staufer und den Nachfahren der Zähringer im Südwesten des Reiches oder nur Teil des Landesausbaus dieser Fürstenberger war, lässt sich sicherlich nicht mehr entscheiden. Jedenfalls musste Vöhrenbach die Funktion eines Rückzugsortes für den Verlust von Villingen nicht spielen.

Ob mit der Gründung eines Ortes am Schnittpunkt mehrerer Täler die Gründer, die Grafen von Freiburg etwas Weiteres bezweckten, wissen wir nicht. Auch wenn die Urkunde vom 28. Januar 1244 Vöhrenbach nicht explizit gründet, sondern nur den kirchlichen Rahmen absteckt, ist ihre Bedeutung außerordentlich groß.

Welcher Ort kann schon auf ein konkretes Datum zurückschauen? Meist muss er sich mit einer eher zufälligen Ersterwähnung zufriedengeben. Vöhrenbach kann hier auf mehr zurückgreifen. Die Unterstellung der in der Gründungsurkunde erwähnten Kapelle unter Herzogenweiler wird am 6. März 1244 vom Konstanzer Bischof Heinrich von Tanne bestätigt. Es wurden in der Folgezeit 38 Hofstätten (1455) erstellt, die durch eine Umwallung nach außen geschützt wurden. Eine möglicherweise beabsichtigte Burg entstand nicht. Vöhrenbach entwickelte sich zu einer "kleine(n) Marktstadt mit sekundärer Handelsfunktion" (so Sturm).

Das Stadtrecht von 1387

Im Jahre 1275 wohnte der Pfarrer von Herzogenweiler schon in Vöhrenbach. 1278 kam die Pfarrei Herzogenweiler endgültig an das Kloster Salem. 1324 war Vöhrenbach Sitz der Pfarrgemeinde. Später, um 1480, gingen die Rechte an der Pfarrei an die Fürstenberger über. Bereits mit der Stadtgründung besaßen die Bewohner bestimmte Rechte gegenüber dem Stadtherrn. Aber erst aus dem Jahre 1387 weiß man Genaueres.

An der Spitze stand der Schultheiß, der von den Mitgliedern des Stadtgerichtes, den zwölf Richtern, gewählt wurde. Er bedurfte der Bestätigung durch den Grafen.

Aufgabe des Gerichts war die Ausübung der hohen und niederen Gerichtsbarkeit. Schultheiß und Gericht stellten den Rat dar, die oberste Verwaltungsbehörde. In späterer Zeit wurde ein Gerichtsmitglied als Bürgermeister bezeichnet, der für die Rechnungslegung zuständig war. Die Stadtbürger genossen eine gewisse Freizügigkeit und auch einen Schutz gegen willkürliche Verhaftung, sie waren persönlich frei. Einen Wochenmarkt wird es wohl auch schon früh in Vöhrenbach gegeben haben, erstmals belegt ist er aber erst im Jahre 1702.

Die Bauernkriege

Nicht erst als Folge des Bauernkrieges trug Vöhrenbach über Jahrhunderte hinweg den Esel als Wappentier. Bereits im Jahre 1498 hing er an einer Urkunde. Das Tier galt im späten Mittelalter als Lasttier, insbesondere bei Bergwerkssiedlungen. Zu diesen wird vielleicht auch Vöhrenbach gezählt haben, denn es ist nicht auszuschließen, dass noch im 15. Jahrhundert hier möglicherweise Silbererz abgebaut wurde.

Im Bauernkrieg wurde Vöhrenbach im Oktober 1524 und im Mai 1525 von den Bauernhaufen besetzt. Vöhrenbach wurde zeitweilig eine Art Sammelpunkt im hohen Schwarzwald. Von dort sandten sie an Villingen einen Artikelbrief mit der Aufforderung, sich ihnen anzuschließen. Die Burg Neufürstenberg wurde erobert, die Burg Zindelstein niedergebrannt. Villingen konnte sich gegen sie behaupten, Freiburg aber nicht.

Im Juni 1525 gelang es den verbündeten Adligen und Städten den Bauernaufstand niederzuschlagen. Vöhrenbach kam mit einer Geldbuße recht glimpflich davon.  

Die Stadtbrände

Wann die Stadt im Mittelalter abgebrannt ist, ist nicht bekannt. Die erste Erwähnung eines Stadtbrandes stammt aus dem Jahre 1544, wo mehr als 100 Häuser durch Feuer vernichtet wurden. Der Glockenturm der Kirche wurde beschädigt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Vöhrenbach im Jahre 1639 (1. April) von schwedischen Truppen eingeäschert. Diese kriegerischen Zeiten forderten ihren Tribut. Vöhrenbach verlor etwa ein Drittel seiner Bevölkerung, viele Höfe der Umgebung wurden zerstört.

Beim Wiederaufbau verzichtete man auf eine Stadtmauer, sie wurde durch Unterbauten der dicht aneinander gereihten Giebel ersetzt, und im inneren Bereich wurden nur noch kleine Häuser erbaut. Stadt und Amt Vöhrenbach errichteten auf gemeinsame Kosten das neue Rathaus als Amtshaus.

Im Mai 1819 wurde Vöhrenbach von einem Großbrand heimgesucht und verlor 79 von 122 Häusern. 100 Familien standen vor dem Nichts. Ein Kind verlor gar sein Leben. Dieses Ereignis fand nur zwei Jahre nach dem verheerenden Tabora-Ausbruch im heutigen Indonesien statt, der in Europa und in der ganzen Welt zu einer fürchterlichen Hungersnot führte.

Vöhrenbach wird badisch

Auch ein Blick auf die kirchliche Entwicklung ist interessant. Im Jahr 1639 wurde Schönenbach von der Pfarrei Vöhrenbach abgetrennt. Schon im Jahre 1580 gab es Hinweise auf die Kapelle des heiligen Michael, das Bruderkirchle. Dort sollen der Sage nach sieben Jungfrauen die Märtyrerkrone errungen haben. 1581 soll es einen Schulmeister geben. Die Pfarrkirche St. Martin wurde 1794 neu erbaut.

Im 18. Jahrhundert kam im Hochschwarzwald die Strohflechterei auf. Deren Produkte, aber auch Töpfe und anderes wurden mit Hilfe von Glasträgerkompanien in ganz Europa abgesetzt. Vöhrenbach selbst besaß in jener Zeit elf Außenhöfe, die zur Versorgung der Bürger von großer Wichtigkeit waren.

1806 kam Vöhrenbach von Fürstenberg an das Großherzogtum Baden. Vöhrenbach hatte im Jahre 1815 am Ende der Befreiungskriege rund 727 Einwohner bei 111 Häusern. Sie war eine Handwerkerstadt, hinter der Handel und Landwirtschaft ein wenig zurücktraten.