Wo die schwarze Natascha mit Glaskugel weissagt: die Zigeuner der Narrenzunft. Fotos: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Schmotziger: Ein Schantle gehört fortan zu Habermüasler und Saier / Piraten, Zigeuner und Rocker prägen neue Ära

Kindergeburtstag war gestern. Mit dem feinfühligen Sensorium, über das nun mal Schmotzigengruppen in Villingendorf verfügen, haben sie sich den neueren, den raueren Zeiten angepasst.

Villingendorf. Fünf Gruppen – Musikkapelle, Schmotzkäppele, Meisternarren, die Vier und die Ärzte – haben ein Jahr lang Augen und Ohren offengehalten, seltsame Dinge registriert und so manches Missgeschick liebevoll, phantasievoll und reizvoll aufgeschrieben und zum Schmotzigen-Vortrag in gewohnt kulti-vierter Weise präpariert.   Piraten Ob Herr der sieben Meere, Freibeuter oder Kanonier, wer selbst im Bodensee nicht kentert, der umschifft jede Klippe im Neckar. Die Musikkapelle feiert den 25. Schmotzigenauftritt und lehnt sich verbal locker über die Reling. Die neunte Laterne des Energieberaters, die Putenbrust eines Genießers, das Camping-Dach eines sparsamen Schwabens oder das Glühwein-Handy eines armen Tropfs – solche Narrenstückle rufen Frohsinn hervor und bringen gute Laune. Das unentspannte Verhalten der Schule, die vor einem Jahr vergessen hat, dass an der Fasnet die Gesetze der Narretei gelten, hinterlässt dafür Kopfschütteln und die Feststellung: "Weil die Vordera in da Schul sind blutrünstiger wie mir, sagst a krumms Wort, no stohst arbeitslos vor da Tür."  Rocker Die Altvorderen der Villingendorfer Schmotzigenfasnet – Schmotzkäppele – rocken im wahrsten Sinne des Wortes als Schwabenrockband die offiziellen Lokalitäten (Krone, Sportheim, Albverein, Jugendraum). Sie verfolgen musikalisch und wortgewaltig die Drohne der Feuerwehr, die ällaweil über der Gemeinde schwirrt und surrt und so manches aus einer anderen Perspektive beobachtet: die Managersuche des SVV (oder doch einen Platzwart?), die Superterminabsprache der Vereine, pssst – die Schulsache vom 2019er-Schmotzigen, den immer und überall adrett gekleideten und strahlenden Schultes (ein Donnerstag ohne ihn mit Bild im Amtsblatt ist fast ein verlorener), die sich automatisch öffnende Tür des Rathauses (aber nicht die zweite) oder den König der Wirte mit "Krone".   Zigeuner Die Narrenzunft nimmt kein Blatt vor dem Mund, schüttelt verbal den Kopf über die Wortschatzstreicherei, die zwar vor Zigeuner, Mohrenkopf und Negerkuss nicht halt gemacht, aber den gelben Sack vergessen hat. Und hier dürfen sich ja Chinesen und (!) Badener auf den Schlips getreten fühlen. Diese Zigeuner. Sie wollen aber auch viel Gutes tun und praktizieren – im Dienste der Umwelt – das Messen von speziellen "Abgasen", die nun mal nach dem Genuss von dem einen Bier zuviel entweichen. Sei es beim Oktoberfest oder im Domizil des VfB-Fanclubs. Kommt dann noch ein Feuerzeug dem Fidele zu nahe und wehen Winde, müssen Stichflammen mit einer Kübelspritze gelöscht werden. Immerhin: Dank der Glaskugel der schwarzen Natascha vom Kauthenwald ist der Blick in die Zukunft möglich – sogar, wo im kommenden Jahr Bürgerball gefeiert werden kann. St. Gallus grüßt.   Die Vier Das umweltbewußte Damenquartett, zuerst zu Dritt, greift einem unglücklich agierenden Abfallunternehmen und der nahen Reichsstadt unter die Arme und upcycelt gelbe Säcke und deren Inhalte, die alle vier Wochen die Innenstadt am Wochenende verunstaltet haben. Doch nicht nur dies. Die Damen träumen einen Traum – ein weiterer Narr soll her. Ein Villingendorfer Schantle. In Blau und Gelb. Zufall, dass er an des Narrenvaters Antlitz erinnert? Wohl kaum. Und da sich die feschen Frauen nach und nach ihres Müll-Tülls entledigen, werden sie von eben jenen – Tobias Schuhmacher – flugs als neue Garde für den Bürgerball engagiert.   Die Ärzte Zum Glück haben die Ärzte das gefährliche Virus aus China nicht in Villingendorf nachgewiesen. Dafür aber so manches Hoppala der Habermüasler untersucht: die Fußball-CD "Aktuelle Stellungsspiele" aus der Bibliothek, die – komischerweise – nahezu unbekleidet "gespielt" werden, ein hilfsbereiter Skifahrer, der seinen Schneeschuhen mehrere Male mit der Gondel hinterherfahren musste, die Familienfeier in Ravensburg, die zwar mit schnellem Wagen, aber wegen einer Umleitung nach Tuttlingen geführt hat, oder das Tanken des neuen Autos, der partout kein Diesel verkraftet (wie jahrzehntelang der alte). Und dann gibt es noch die fleißige Hausfrau, die 15 Verwandte an Weihnachten verwöhnen wollte, doch bei aller Vorbereitungshektik nicht mehr ganz genau im Blick hatte, bei welchem Metzger sie in Bösingen zehn Kilogramm Fleisch vorbestellt hatte – und schließlich ihren Gästen nach noch mehr Hektik doppelte Portionen servieren konnte.