Villingendorf/Rottweil - Im September 2017 hatte ein schreckliches Familiendrama die kleine Gemeinde Villingendorf erschüttert. Drei Menschen, darunter ein sechsjähriges Kind, wurden getötet. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 40-jährigen Tatverdächtigen erhoben.

Der Kroate Drazen D. ist Vater des getöteten Kindes und sitzt seit seiner Festnahme am 19. September in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ihn decken sich weitgehend mit dem Szenario, das sich unmittelbar nach der Tat am 14. September herauskristallisiert hatte. An jenem Tag hatte der getötete Sechsjährige seine Einschulung gefeiert.  

In der Anklage, die nun der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil zugegangen ist, wird dem 40-jährigen vorgeworfen, mit einem Repetiergewehr, das er im August 2017 in Kroatien oder in Serbien gekauft und nach Deutschland verbracht hatte, seinen Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Partnerin und dessen Cousine erschossen zu  haben.

Drazen D. hat  die Trennung der Lebensgefährtin nicht akzeptiert

Der Tat vorausgegangen war laut Anklage im Februar 2017 die Trennung der damaligen Lebensgefährtin  von Drazen D.  Beide waren Eltern des bei der Tat getöteten, im Jahr 2011 geborenen Sohnes, der nach der Trennung bei seiner Mutter blieb. "Die Trennung wurde von dem Angeschuldigten nicht akzeptiert", so die Staatsanwaltschaft. Drazen D. soll seine frühere Lebensgefährtin in der Folgezeit mehrfach bedroht haben. Eine vor dem Amtsgericht Tuttlingen geschlossene Vereinbarung, die ein Annäherungsverbot des Beschudligten an seine bisherige Familie enthielt, soll von diesem nicht eingehalten worden sein.

Nachdem der 40-Jährige das Repetiergewehr im August 2017 nach Deutschland gebracht hatte, hat er sich laut Anklage  am Abend des 14. September  zu dem Wohnhaus in Villingendorf begeben, in dem seine frühere Lebensgefährtin mit ihrem jetzigen Partner und ihrem Sohn lebte. Nach den Ermittlungen ist laut Staatsanwaltschaft davon auszugehen, dass der Angeschuldigte auf der Terrasse der Wohnung auf die Mutter seines Sohnes, deren neuen 34 Jahre alten Lebensgefährten sowie dessen 29-jährige Cousine traf. Drazen D. soll dann unmittelbar auf den Lebengefährten – der Mieter der Wohung war –  und auf dessen Cousine sowie seinen sechsjährigen Sohn mehrere Schüsse abgegeben haben.

Der neue Lebensgefährte seiner Ex-Partnerin und der Sohn starben aufgrund der schweren Schussverletzungen unmittelbar am Tatort, die angegriffene junge Frau konnte von den herbeigerufenen Rettungskräften noch ins Krankenhaus gebracht werden, wo sie ebenfalls noch am 14. September  starb.

Die Anklage erfolgte nun wegen Mord in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz. "Nach den Ermittlungen ist von dem Vorliegen der Mordmerkmale der Heimtücke und des Handelns aus niedrigen Beweggründen auszugehen", schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung.

Drazen D. war, nachdem er am Tatabend geflüchtet war, am Nachmittag des 19. September in Rottweil-Neufra vorläufig festgenommen worden. Hinweise aus der Bevölkerung hatten zu seiner Festnahme durch eine Streife des Polizeireviers Rottweils geführt. Das Gewehr hatte er  in einer Tüte bei sich.  

Prozessbeginn noch im März ist wegen der Vielzahl der Beteiligten unwahrscheinlich

Aufgrund des vom Amtsgericht Rottweil erlassenen Haftbefehls befindet er sich seit diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Die Anklage wird  Drazen D. nun zugestellt, dieser hat dann eine mehrwöchige Frist, um sich dazu zu äußern. Wann der Prozess gegen den 40-Jährigen beginnen könnte, kann der Pressesprecher des Landgerichts Rottweil, Thomas Geiger, noch nicht sagen. Angesichts der Vielzahl von Beteiligten werde es  schwierig, einen Termin innerhalb der  angestrebten Sechsmonatsfrist –  nach der das Oberlandesgericht dann die U-Haft prüfen wird –  anzusetzen.   Unter dem Druck der Inhaftierung werde in jedem Fall versucht, möglichst "zeitnah" zu verhandeln.

Während Drazen D. auf seinen Prozess wartet, versucht seine ehemalige Lebensgefährtin, die Trauer um ihre Liebsten zu verarbeiten. Die drei Getöteten sind nebeneinander begraben worden.

Kommentar: Unfassbar

Von Corinne Otto

Auch wenn in Villingendorf wieder Normalität eingekehrt ist – vergessen sind die schrecklichen Geschehnisse vom September nicht. Kann ein Vater so etwas tun? Diese Frage beschäftigte viele Menschen. Jetzt, mit der Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft, zeichnet sich nach akribischen Ermittlungen das Bild eines grausamen Rachefeldzugs ab. Drazen D. soll seinen eigenen Sohn und zwei weitere Menschen erschossen haben, weil er die Trennung von seiner Lebensgefährtin nicht verkraftet hat. Und die Staatsanwaltschaft bekräftigt in ihrer Anklage, was sich schon kurz nach der Tat abgezeichnet hatte: Drazen D. hatte seine Expartnerin zuvor mehrfach bedroht. Dann hat er ihr das Liebste genommen. Nun muss die junge Frau im Prozess die Geschehnisse noch einmal durchleben. Eine unfassbar schwere Bürde, für die man ihr nur viel Kraft wünschen kann.