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Alfred Zahn ist Vorsitzender des Kinderschutzbundes

"Die Jugend ist nicht dümmer oder gewalttätiger geworden". Alfred Zahn sieht in den gewachsenen Anforderungen einer sich rasant ändernden Gesellschaft die größte Herausforderung für Jugendliche, zu demokratischen und sozialen Menschen heranzuwachsen.

VS-Villingen. Alfred Zahn ist Vorsitzender des Kinderschutzbundes und Lehrer an der Gewerbeschule. Sein Wunsch an die Politik ist es, den Jugendlichen noch mehr als bisher unter die Arme zu greifen. Besonders schwer haben es diejenigen, die aus fremden Kulturen kommen. "Woher sollen sie wissen, was richtig oder falsch ist?", fragt sich Zahn.

Schade findet er zudem, dass immer mehr Kinder nur mit Mutter oder Vater aufwachsen. Die Erziehungsbandbreite sei dadurch schmaler und dünne sich über Generationen hinweg weiter aus. "Irgendwann findet dann gar keine Sozialisation mehr statt", sagt der 60-Jährige, der selbst unter schwierigen Verhältnissen und nur mit seiner aus dem polnischen Pommern geflüchteten Mutter in Donaueschingen aufwuchs. "Das Jugendamt war mein Vormund", erzählt Zahn und sieht darin eine Prägung, die seine berufliche Laufbahn bestimmen sollte.

Wesentlich geprägt hat ihn aber auch ein anderes, gruseliges Erlebnis in seiner Jugend: er begegnete in seiner Donauschinger Clique dem Rechtsextremen, der 1980 das "Oktoberfestattentat" mit 13 Toten – darunter er selbst – verübt haben soll. Dessen nationalsozialistische Gesinnung habe ihn damals schon extrem abgestoßen, erinnert sich Zahn.

Heute bekämpft er bei seinen Schülern konsequent jedes Zeichen von Rechtsextremismus – "mit Fakten". Wenn die Jugendlichen alles über die Auswirkungen des Hitlerregimes erfahren, erhalten sie eine andere Einstellung – damit hat Alfred Zahn schon gute Erfahrungen gemacht.

Er studierte Realschullehrer für Mathematik und Chemie, was er aber nie wurde. Als arbeitsloser Lehrer – einer von vielen in den 1980er- Jahren – bildete er sich in Stuttgart zum Waldorflehrer weiter. Die Anthroposophie, die esoterische Weltanschauung des Rudolf Steiner, über die Alfred Zahn damals sogar überzeugende Referate hielt, habe ihn letztlich jedoch gespalten. "Darin steckt so viel Positives, aber halt auch Negatives", sagt er. 15 Jahre lang hielt er Deutschkurse für Ausländer ab und begleitete Auszubildende, damit sie ihren Beruf erfolgreich erlernen und bis zum Abschluss durchziehen.

1995 wurde er gefragt, ob er nicht den Vorsitz des Kinderschutzbundes übernehmen würde, ehrenamtlich, versteht sich. Das tat er, seit 1998 ist er dessen geringfügig beschäftigter Geschäftsführer und unterhält drei Kinderkrippen für Null- bis Dreijährige. "Wir sind nicht zu 100 Prozent glücklich mit diesen Einrichtungen", gibt Zahn zu, denn "Bindungstheorien möchten Kleinkinder länger in der Familie sehen". Einerseits beweisen die Wartelisten, wie dringend Kinderbetreuung benötigt werde. Außerdem verweist das Jugendamt immer wieder Kinder hierher, die aus "Problemfamilien" kommen. Andererseits findet der Vater zweier erwachsener Kinder, dass der Bezug der Kinder zu den Eltern wichtig sei. Daher bieten die Krippen des Kinderschutzbundes Betreuung auch nur vormittags an und wehren sich (noch) gegen eine Verlängerung.

Sehr am Herzen liegt Zahn auch der "begleitete Umgang", mit dem es der Kinderschutzbund getrennt lebenden und "hochstreitigen" Eltern ermöglicht, ihre Kinder regelmäßig zu sehen. Geregelt werden auch die Familienpatenschaften. Ehrenamtliche kümmern sich hierbei um junge Familien, zumeist gleich nach der Geburt eines Kindes, damit sie sich im Alltag mit Säugling zurechtfinden.

Sein zweites berufliches Standbein fand Alfred Zahn an der Gewerbeschule VS, wo er als Fachbereichsleiter für das Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf (VAB) und das Berufseinstiegsjahr (BEJ) zuständig ist. Er hat dort mit Jugendlichen zu tun, die ihren Hauptschulabschluss noch gar nicht geschafft haben und mit solchen, die aus Förderschulen kommen. Er gehört zu denen, die für das Kultusministerium für diese Schülerklientel im ganzen Land die Prüfungen in Mathematik kreiert. Inzwischen hat er auch eine Alphabetisierungsklasse verankert, die erste an einer beruflichen Schule. Am Landesinstitut für Schulbildung ist er derzeit außerdem damit beschäftigt, das selbstorientierte Lernen in Mathematik dieser Schüler zu etablieren. Er selbst bezeichnet sich als "Workaholic". Er sitzt nicht nur im Jugendhilfeausschuss von Kreis und Stadt, er ist auch noch Kreisvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes DPWV. Und er ist stetig damit beschäftigt, sich, wie er sagt "sozial weiterzubilden". Für einen seiner Meinung nach bei jeden Menschen mehr oder weniger existierenden "sozialen Intelligenzquotienten" gelte lebenslanges Lernen genauso wie in der Bildung.