Psychologe Jan Kizilhan hat gerade 26  Studierende eines neuen Instituts für Psychotherapie in der nordirakischen Stadt Dohuk ausgewählt.  Foto: Schück

Berater eröffnet Institut für transkulturelle Gesundheitsforschung. Therapeuten werden dort ausgebildet.

Villingen-Schwenningen - Jan Kizilhan ist gerade aus dem Irak zurückgekehrt. Der Leiter des Studiengangs Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule (DHBW) in Schwenningen ist ein gefragter internationer Berater. Im Oktober eröffnet er das Institut für transkulturelle Gesundheitsforschung an der DHBW.

Auch im Irak ist Kizilhan, der trotz vielfacher Rufe an andere Wirkungsstätten in Schwenningen bleiben möchte, konstruktiv wissenschaftlich tätig. Er hat gerade 26 Studierende eines neuen Instituts für Psychotherapie in der nordirakischen Stadt Dohuk ausgewählt. Das vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium koordinierte Projekt "Psychotherapeutenausbildung an der Universität Dohuk", das inzwischen auch vom Außenministerium unterstützt wird, wurde schon im März 2017 eröffnet.

Im neu gegründeten Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie in Dohuk sollen künftig Therapeuten ausgebildet werden. Ziel des Projekts ist die Behandlung traumatisierter Geflüchteter in Kliniken, Betreuungseinrichtungen und in den Camps vor Ort. Die erste Gruppe der Studierenden wird 2019 ihren Master und die Psychotherapieausbildung abschließen.

Zehn Frauen und 16 Männer wurden jetzt als Studierende ausgewählt. Zwei Jesidinnen sind darunter. Sie gehören zu einer vom Islamistischen Staat (IS) besonders verfolgten religiösen Minderheit. Am 14. Oktober beginnt das Studium in den Räumen der Univeristät Dohuk. Auch die Vereinten Nationen, die Kizilhan berät, werden dieses Vorhaben, das traumatisierten Opfern islamistischen Terrors im Nahen Osten helfen soll, möglicherweise unterstützen.

Richter und Polizisten hören "so schlimme Geschichten, dass sie es kaum ertragen"

"Wir sollen die Zeugen in Verfahren gegen diese Verbrechen betreuen", erklärt Kizilhan. Eine aus Richtern, Polizeibeamten und Juristen bestehende Kommission mühe sich momentan um Aufklärung mittels Zeugenbefragung und DNA-Analyse. "Sie hören so schlimme Geschichten, dass sie es kaum ertragen", erzählt Kizilhan.

In wenigen Tagen wird der Traumatologe und Psychotherapeut erneut in den Irak reisen. Er wurde zunächst für eine andere Mission von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) benötigt: Er hat in Flüchtlingscamps im Irak Frauen und Kinder ausgewählt, die nach Baden-Württemberg ausreisen konnten, weil sie im Land gute Entwicklungsperspektiven haben.

Im Institut der Dualen Hochschule in Schwenningen arbeitet Kizilhan zwischen bereits gepackten Kisten. Er hat gerade Prüfungen abgenommen und sich auf seinem Samowar Tee gekocht. Sechs Räume im Untergeschoss des Gebäudes sollen das neue Institut für transkulturelle Gesundheitsforschung beherbergen. Offiziell nimmt es ebenfalls im Oktober seinen Betrieb auf. Mit erheblicher finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsministeriums des Landes sollen Konzepte entwickelt werden, die Menschen mit Gewalterfahrungen und anderen Traumata helfen, zu überleben. "Resilienz", psychische Widerstandskraft. lautet das Stichwort. "Bei uns geht es darum, zu ermitteln, wie Menschen in Ausnahmesituationen eine Resilienz entwickeln. Wie sie lernen, zu überleben. Und dann eine Perspektive haben. Das ist die innere Kraft der Menschen, zu überleben." Die weitergehende Frage sei, ob die innere Widerstandskraft von Generation zu Generation weitergegeben wurde und ob sich das vielleicht auch in der DNA abbildet. Die Forschungsergebnisse könnten auch Einfluss auf die Gssundheitsförderung haben, zum Beispiel in Betrieben oder bei der Behandlung von traumatisierten Menschen. "Ich bin sicher, dass wir eine Lücke gefunden haben." Es geht vor allem um Forschung und deren praktische Anwendung. "Wir wollen Dinge entwickeln und weiterentwickeln." Und eines weiß Kizilhan: "Dazu brauche ich ein gutes Team."

400.000 Euro Unterstützung erhält das neue Institut vom Ministerium

Das neue Institut beginnt mit fünf Mitarbeitern, deren Zahl aufgestockt werden soll. "Diese Kompetenz gibt es bundeweit nicht", beurteilt Kizilhan selbst das neue Institut. Dass er von der Dualen Hochschule den Freiraum zur Gründung bekam, ist einer der Gründe für ihn, in Schwenningen zu bleiben, obwohl er, wie er einräumt, viele Anfragen aus dem In- und Ausland erhalten habe.

Einen anderen nennt er auch im Gespräch mit unserer Zeitung: "Gerade im ländlichen Raum kann man ruhig und besonnen arbeiten, anders als in einer Großstadt. Das ist erholsam für die Entwicklung von Ideen und Konzepten. Wir sind schließlich überwiegend international unterwegs. Hier können wir ohne Störungen arbeiten und uns zurückziehen. So abgelegen ist der Schwarzwald nicht. Zürich, Stuttgart und Frankreich sind nah." Ja, wenn man eines Tages in anderthalb Stunden mit dem Zug in Stuttgart wäre, das wäre, fügt Kizilhan hinzu, "toll".

400.000 Euro "Kick-off-Unterstützung" erhält das neue Institut vom Wissenschaftsministerium. Für momentan drei Stellen kamen mehr als 60 Bewerbungen. Zwei wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Bewerber mit E-Learning-Erfahrung und Kenntnissen in Medienpädagogik werden gesucht. Mit der finanziellen Ausstattung ist Buchautor und Orientologe Jan Kizilhan "für die nächsten zwei Jahre" zufrieden. Die UN seien mit im Boot, auch die Universität München und auch das Londoner Kings-College. Und eine Unversität aus Italien habe angefragt.