Foto: Schwarzwälder Bote

Leerstände: In Schwenningens Innenstadt bleiben viele Geschäftsräume ungenutzt / Konzept für Citymanagement in Arbeit

Wer nur zehn Minuten durch die Schwenninger Innenstadt läuft, findet ohne lange zu suchen ebenso viele leer stehende Geschäftsräume. Flächen mit Potenzial oder Symptome für ein Problem?

VS-Schwenningen. Das Wort Leerstand hört Beate Behrens nicht gern. "Es sind freie Flächen", sagt die Geschäftsführerin der Wirtschaft und Tourismus Villingen-Schwenningen GmbH (WTVS). Doch von diesen freien Flächen gibt es mehr, als ihr lieb sein kann. Die offensichtlichste, unter der die Stadt seit Jahren leidet, ist das "’s Rössle". Dieser Riesenleerstand wird ab dem kommenden Frühjahr bekanntlich beseitigt, das verwaiste Einkaufszentrum durch das "Forum VS" ersetzt. Für Behrens "ein Riesengeschenk an Schwenningen".

Investor HBB, die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, rechnet mit der Eröffnung 2021. Dann, geht es nach der Chefin der WTVS, hat Schwenningen ein völlig verändertes Gesicht. Nicht nur mit dem Forum, sondern auch mit zwei schönen, neu gestalteten Plätzen: dem Markt- und dem Muslenplatz. Zwei weitere Baustellen-Jahre gilt es bis dahin zu überbrücken. Zwei entscheidende Jahre, auch weil derzeit an einem Citymanagement für Villingen-Schwenningen gefeilt wird.  Die Situation: "Schwenningen hat einen schweren Stand, was den Einzelhandel angeht", erklärt Behrens. Wenn sie über die Ursachen redet, wird deutlich, dass dabei viele Faktoren eine Rolle spielen. Herausforderungen, mit denen längst nicht nur die Neckarstadt oder Gesamt-VS zu kämpfen haben. Dazu gehört, dass Verbraucher vieles über das Internet bestellen. Oder dass sie in großen Einkaufszentren im Grünen, etwa in Bad Dürrheim, ihre Besorgungen erledigen. Den Händlern in der Innenstadt fehlt dann die Laufkundschaft. Dass Discounter inzwischen zu den größten Textilhändlern zählen, macht Einzelhändlern ebenfalls das Leben schwer. "Wir haben einen brutalen Wandel im Handel", resümiert Behrens.

Hinzu kommen die örtlichen Herausforderungen. Villingen ist eher Beamtenstadt, Amtsgericht, Finanz- und Landratsamt sind dort angesiedelt. Schwenningen ist eine Arbeiterstadt, geprägt auch von vielen unterschiedlichen Nationen, die hier zu Hause sind. Eine weitere, riesige Herausforderung sind in Schwenningen derzeit die vielen Baustellen. Wenn Läden kaum mehr zu erreichen sind, dann bleiben die Kunden zu Hause. Das trifft besonders kleine, oftmals inhabergeführte Geschäfte hart. "Wir müssen sie hegen und pflegen", erklärt Beate Behrens.

"Akutaktionen" wie die extra Wegweiser zum Marktplatz oder das dortige Baustellenfest am vergangenen 22. September sollen helfen. Für den verkaufsoffenen Sonntag am 11. November hofft die Geschäftsführerin, dass der Marktplatz dann wieder zugänglich ist.   Die Händler: Das Thema Leerstände ist für den Gewerbeverband Oberzentrum (GVO) ein alt bekanntes Thema – und offenbar ein leidiges. "Es ist eine ungute Situation, und daran hat sich nichts geändert", erklärt Hansjörg Böninger, im GVO-Vorstand und zuständig für Handel und Gewerbe in Schwenningen. Mehr will er dazu nicht sagen.

Auch Rudi Götz, Geschäftsführer des gleichnamigen Modehauses, hält sich zurück bei der Frage, ob es Gewerbetreibende in Schwenningen schwer haben. "Die Stadt hat noch viele Hausaufgaben zu machen", sagt er. Bis die Verkehrsführung stimme, zum Beispiel. Und bis das neue Forum gebaut sei. Das war’s auch von ihm.

Birgit Messner, die Geschäftsführerin der Boutique Casa Moda, ist ein anderer Typ. Sie ist eine Frau der offenen Worte – und wenig verwundert über viele leer stehende Geschäfte. "Es ist sehr, sehr schwer", berichtet sie über die Situation für Händler. Vonseiten der Stadt habe man "null Unterstützung". Einzige Ausnahme: das Baustellenfest kürzlich und der Einsatz der Mitarbeiterinnen der Wirtschaftsförderung.

Gerade jetzt, wo überall gebuddelt wird, wünscht sie sich Anreize für Kunden, trotzdem nach Schwenningen zu kommen: etwa durch kostenloses Parken an Samstagen. Stattdessen, kritisiert die Geschäftsfrau, brauchen Händler, die von der Stadt eine Genehmigung für Veranstaltungen bekommen wollen, einen langen Atem. Und wer vor seinem Geschäft einen sogenannten Passantenstopper platzieren möchte, benötigt ebenfalls eine Genehmigung – die kostet.

Doch auch von anderer Seite wünscht sich Birgit Messner mehr Unterstützung – vom Gewerbeverband Oberzentrum (GVO), deren Mitglied sie ist. Noch. Anders als in der Villinger Handelssparte hakt es aus ihrer Sicht in Schwenningen. "Wenn jemand da wäre, der das richtig ernst nehmen würde, wäre das besser." Birgit Messner hat aus ihren Erfahrungen den Schluss gezogen: "Ich mach meine Sachen selber."  Der Ausblick: Die vielen Leerstände in ihrer Geburtsstadt sind für Birgit Messner nur ein weiteres, trauriges Kapitel. Ohnehin fehle es an Fachgeschäften. Ihrer Meinung nach hilft nur eines: Die Stadt muss aus ihrem Schlaf aufwachen. Deshalb hofft Messner auf einen möglichen Citymanager – "wenn der Richtige kommt". Und sie hofft auf den neuen Oberbürgermeister.

Da ist die Geschäftsfrau auf einer Linie mit Beate Behrens. "Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung sollten zur Chefsache erklärt werden." Weil Behrens natürlich nicht nur Wirtschaftsförderin für Schwenningen, sondern auch für Villingen ist, hat sie eine Vision für beide Hälften der Doppelstadt. Für die Zähringerstadt wünscht sie sich mehr inhabergeführte, besondere Geschäfte, die sich von den Filialisten abheben. Und für die Neckarstadt "ganz klar: das Schwenninger Forum mit einem breiten Mix an Filialisten – sodass wir wirklich die Region anziehen".

Es sind entscheidende Monate für Villingen-Schwenningen und besonders für die Neckarstadt, wo es Gewerbetreibende ohnehin schwer haben. Umso dringender braucht VS ein Citymanagement. Davon hängt entscheidend ab, was sich künftig tun wird in der Innenstadt. Schwenningen hat noch zwei weitere, baustellenreiche Jahre vor sich. Die gilt es, so gut wie möglich zu überbrücken. Doch auch mit schön hergerichteten zentralen Plätzen und einem neuen Einkaufszentrum wird der Erfolg der Innenstadt nicht zum Selbstläufer. Das zeigt schon das gescheiterte Beispiel des "’s Rössle". Jetzt sind die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, an der es offenbar manches Mal mangelte, gefragt und frische Ideen. Vor allem aber benötigt es den Mut und den Willen der Beteiligten, das Citymanagement auf den Weg zu bringen. Auch wenn sie dafür Geld ausgeben müssen.

Der Auftrag für Beate Behrens ist klar: Sie soll ein funktionierendes Konzept für ein Citymanagement vorlegen. "Da sind wir hochgradig dran", erklärt die Geschäftsführerin der Wirtschaft- und Tourismus Villingen-Schwenningen GmbH (WTVS). Kein unbekanntes Terrain für Behrens, die vor ihrer Zeit in VS Citymanagerin im niedersächsischen Göttingen war.

Der Startschuss fiel im März mit einem Treffen in der Neuen Tonhalle. Vertreter des Gewerbeverbands Oberzentrum (GVO), von Händlern, IHK, Gemeinderatsfraktionen, Dehoga, Hoteliers, Haus und Grund sowie von der Verwaltung diskutierten dabei mit Experte Peter Markert von der Imakomm-Akademie. Aus diesen Reihen hat sich eine Arbeitsgruppe ("Task Force") gebildet, die im Sommer mehrfach tagte.

Noch gibt es kein Ergebnis. Für die Ausarbeitung eines Citymanagement-Konzepts seien viele Absprachen nötig, berichtet Behrens. Das liegt allein schon an den vielen Beteiligten – in Villingen beispielsweise ist die Zahl der Hauseigentümer und damit Vermieter von Gewerbeflächen riesig. Die vielen Gespräche machen die Vorbereitungen so langwierig.

Jetzt müssten sich die Beteiligten positionieren und sagen, was sie wollen. Doch: Position zu beziehen, bedeutet auch, Geld für das Citymanagement auszugeben. Beate Behrens ist dennoch zuversichtlich: "Ich glaube, wir kriegen ein Ergebnis." Sie rechnet damit, dass das Thema im November auf der Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung stehen könnte und sie ihre Vorschläge vortragen wird. Und dann ist die Politik, sprich der Gemeinderat, am Zug, sich zu positionieren.

Dass sich ein künftiges Citymanagement auch mit Leerständen beschäftigen muss, ist offensichtlich. Allerdings muss es weitaus mehr leisten. Behrens vergleicht die Innenstädte mit einem Parkett. Dieses könne nicht nur die Verwaltung bespielen. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten ist gefragt. "Wir haben ein Interesse daran, dass es unseren Innenstädten gut geht." Und damit meint sie nicht nur den Handel. "Wir brauchen florierende Innenstädte auch, um Fachkräfte zu kriegen."