Über die Keime im Schwenninger Trinkwasser wird viel diskutiert und spekuliert. (Symbolfoto) Foto: Hyrma – stock.adobe.com

Stadtwerke bleiben trotz mancher Skepsis bei Klimawandel-These. Auch undichte Stelle im Verteilnetz möglich.

Villingen-Schwenningen - Warum gelangen coliforme Keime ins Netz? Wieso steigt die Wassertemperatur in den Leitungen? Ist die Klimawandel-These der Stadtwerke eher Dichtung oder Fakt? Und: Warum gibt es im Zuge der jüngsten Verkeimung kein Abkochverbot? Auch bundesweite Wasserexperten beschäftigen sich mit VS.

Nach wie vor sorgen Verkeimung des Trinkwassers und die damit verbundene erneute Chlorung in VS für Diskussionen. Nicht nur mancher Bürger aus VS zweifelt die Klimawandel-These der Stadtwerke an. Zur Erinnerung: In den Leitungen stellten die SVS erhöhte Temperaturen fest, teils rund 20 Grad, "eine elegante Temperatur für die Keime", so damals SVS-Chef Ulrich Köngeter und sprach von "Folgen des Klimawandels". Wasserexperte Nick Geiler aus Freiburg nimmt die Klimawandel--These aus VS mit zu einer Experten-Konferenz nach Berlin, zur Wasserwirtschaftlichen Jahrestagung des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft BDEW. Sein Fazit: "Die einen lachen, wenn Sie ›Schwenningen‹ hören, berichtet er, "Ja, ja, die Mär aus Schwenningen." Die anderen gestehen zu, dass tatsächlich beunruhigende Entwicklungen in Folge des Klimawandels im Gange wären.

Unruheherde fürs Netz

Aber auch, weil mehr "Unruhe" ins Netz komme, hieß es: Beispielsweise, wenn Landwirte vermehrt Standrohre angeschlossen haben, um ihre Kulturen mit Hilfe von Bewässerung vor dem Vertrocknen zu retten. Durch solche Großverbrauche würde die Fließgeschwindigkeit im Verteilungssystem örtlich stark zunehmen, so dass vermehrt der Biofilm an den Innenrohrwandungen auf- und weggerissen werde – "und die im Biofilm normalerweise festsitzenden Keime ins fließende Wasser gelangen".  "Unruhe" könne aber auch ins Netz kommen, wenn an heißen Tagen viele Gartenbesitzer gleichzeitig anfangen, den Garten zu bewässern. Auf jeden Fall zeichne sich klar ab, dass man in Zeiten des Klimawandels deutlich mehr "Rohr- und Netzpflege" betreiben müsse als bislang.

Rohrbruch ausgeschlossen

Was sagen die Stadtwerke zu den Berliner Analyen? Bleiben sie trotz mancher Skepsis bei der Klimawandelthese? Pressesprecherin Susanna Kurz auf Anfrage des Schwarzwälder Boten: "Wir wollen unsere Klimathese zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen. Durch Stagnation oder eine Störung im Biofilm in Kombination mit hohen Temperaturen entsteht ein ideales Milieu, in dem das Keimwachstum begünstigt werden kann." Eine Ursache schließt der Energieversorger sofort aus: "Der beschriebene Zusammenhang von E-Coli-Bakterien in Verbindung mit Standrohrnutzung durch Landwirte ist uns nicht bekannt."

Könnten die Keime durch eine undichte Stelle im Verteilnetz ins Trinkwasser gelangt sein?  Theoretisch ja, praktisch schließt Kurz dies jedoch aus. Dies geschehe nur dann, wenn sich im Netz an der Stelle, an der sich das Leck befinde, ein Unterdruck einstelle. Solch ein Unterdruck könnte sich beispielsweise bei einem großen Wasserrohrbruch im Netz bilden. "Doch Ereignisse dieser Art sind im Schwenninger Trinkwassernetz nicht aufgetreten." Für Experten eine argumentative Schieflage: "Selbst kleine Haarrisse können zu Kontaminierungen führen, dazu braucht es keinen Unterdruck." Lecks sind für den Fachmann nicht verwunderlich: "Wir haben eines der ältesten Wasserleitungsnetze der Welt."

Was tut die SVS in punkto Netzpflege? Gibt es Pläne zur Optimierung aufgrund der jüngsten Verkeimung? Man halte sich "strikt an die Angaben der Trinkwasserverordnung und das durch die DVGW vorgebene Regelwerk", heißt es dazu dazu. Aufgrund 2017 aufgetretener Verunreinigung habe man dieses Jahr die Probenahmezyklen erhöht. "Die SVS führt auf freiwilliger Basis 50 zusätzliche Probenahmen pro Jahr durch", (zu den bisher 100 Entnahmen). Zudem habe man die Anzahl der Probenahmestellen erhöht.

Mittlerweile liegen die Ergebnisse des Technologiezentrums Wasser Karlsruhe vor. Dieses sollte auch der Verkeimung auf den Grund gehen Auf die Ergebnisse, die nicht wenige mit Spannung erwarten, muss man jedoch noch warten. "Über weitere Erkenntnisse werden wir zu gegebener Zeit informieren." Nick Geiler dazu: "Das müssen die Stadtwerke auch. Die Wasserversorger sind dazu angehalten, alle wichtigen Fakten, die für die Kunden von Interesse sind, zu veröffentlichen." Transparenz sei geboten. "Die äußert zurückhaltende Informationspolitik der Stadtwerke in Bezug auf das TZW-Gutachten", wird der Wasser-Experte deutlich, "passt ins preußische Kaiserreich – aber nicht ins Zeitalter der Partizipation und Öffentlichkeitsbeteiligung."

Abkoch-Grund fehlt

Was manche Bürger ebenso umtreibt: Wieso gibt es 2018 kein Abkochgebot? Dazu Heike Frank, von der Pressetelle des Landratsamtes: "Die Ausgangslagen waren 2017 und 2018 unterschiedlich." Die Keimzahl sei dabei nicht entscheidend. "Das Ausmaß einer potentiellen Gefahr war 2017 weniger abschätzbar als 2018, da weniger Kontrollstellen vorhanden waren und Befunde von Hausinstallationen einen mehrwöchigen Zeitraum nahelegten." Daher habe das Gesundheitsamt von einer Abkochanordnung abgesehen.