Was geschah wirklich in Berlin? Marcel Klinge und die FDP-Kreisvorsitzende Andrea Kanold luden zur Infoveranstaltung ein. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

FDP: Bundestagsabgeordneter: Jamaika hätte nicht gehalten

Schwarzwald-Baar-Kreis (bn). Warum es nicht zu einer Jamaika-Koalition kam und was in Berlin wirklich geschah, darüber klärte am Sonntag der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcel Klinge die Mitglieder des Kreisverbandes auf. "Jamaika hätte keine vier Jahre gehalten", sagte er.

Man wolle den Liberalen vor Ort zum derzeit dominierenden Thema, dem Scheitern der Sondierungsgespräche, Informationen und Argumente an die Hand geben. Der Eindruck, man habe kurz vor der Einigung gestanden, als Christian Lindner den Ausstieg der FDP erklärte, sei falsch, sagte Klinge.

Vielmehr habe Lindner damit einen mutigen, von der FDP-Basis nach ein paar Schrecksekunden mittlerweile hochgelobten Schritt getan, um zu zeigen: "Wir sind kompromissbereit, aber nicht zum Preis der Selbstaufgabe. "Seit Merkel ist man eine solche Haltung nicht mehr gewöhnt", ätzte Klinge und fügte hinzu "Ich bin stolz auf uns".

230 zentrale Punkte waren nach fünf Wochen Verhandlungen noch mehr als strittig. Wie sehr, das machte Klinge anhand von Beispielen deutlich. Die FDP sei beim Thema Zuwanderung und Integration für ein rechtsstaatliches Konzept zur Begrenzung der Flüchtlingsströme eingestanden. Dabei seien bei den Parteien "Welten" aufeinandergeprallt. Die FDP wolle Steuerentlastungen ("Geld ist da") und das Auslaufen des Solis, wie bei dessen Einführung vor 30 Jahren versprochen. Man wolle keine EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Es fließe viel Geld dorthin zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit. "Das wollen wir unter dieser Führung nicht mehr", betonte Klinge. Ein "riesiger Dissenz" habe auch beim Thema Klimaschutz bestanden.

Die FDP lehne weitere Steuerbelastungen und die Idee der Grünen "alles abzuschalten", Fahrverbote und die "kalte Enteignung" von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab. Es könne nicht sein, so Klinge, dass man hernach "dreckigen Kohlstrom aus Polen und Atomstrom aus Frankreich" zur Sicherung der Grundversorgung beziehen müsse. Auch beim Thema Bildung sei man nicht zusammengekommen. Die FDP plädierte für eine finanzielle Beteiligung des Bundes, denn "ein neuer Realschulbau wie derzeit in Donaueschingen für 30 Millionen Euro ist für viele Kommunen nicht zu schaffen". Klinge bedauerte neben den strittigen Punkten auch das Vertrauen, das sich die Verhandlungspartner von Anfang an nicht entgegenbrachten. "Jetzt sollen die anderen mal machen". Es tue der politischen Kultur in Berlin gut, wenn mal jemand zu seinen Prinzipien stehe – davon ist bei der FDP nicht nur Marcel Klinge überzeugt