Foto: Die Haarspender Foto: Schwarzwälder Bote

Haarspender tun Gutes / Echthaarperücken für Kids, die eigene Haare durch Krankheit verloren haben

Für diese gute Tat braucht es Mut: Mindestens 27 Zentimeter lang müssen die abgeschnittenen Haare sein, um bei einer beispiellosen Haarspende-Aktion in Villingen den guten Zweck zu erfüllen. Mit ihnen wird kranken Kindern, die keine Haare mehr haben, ein Stück Normalität geschenkt.

VS-Villingen. Es ist eine Radikalveränderung, vor der die Haarspender stehen. Jeden Tag wachsen sie bis zu einem halben Millimeter – um 27 Zentimeter lang zu werden, müssen die Haare also bis zu 540 Tage wachsen. Ohne Formschnitt, versteht sich, sonst dauert das entsprechend länger. Doch die Haarspender von Villingen tun am 25. Februar weit mehr, als sich "nur" von alten Zöpfen zu trennen: Sie schenken Kindern ein bisschen Normalität und ein Stück Selbstvertrauen, denn ihre alten Zöpfe werden verwendet, um neue Perücken für Köpfe kranker Kinder herzustellen.

Das Thema bewegt: Eine 13-Jährige und ihre Mama, die jemanden aus ihrem Freundeskreis an ein Krebsleiden verloren haben, wollen Gutes tun und trennen sich deshalb gemeinsam von ihren langen Mähnen. Sogar ein erst siebenjähriges Mädchen aus der Doppelstadt hat das Schicksal kranker Kinder so sehr ins Herz getroffen, dass sie ihre Strähnen für kranke Kinder opfern möchte.

Glatzen sind ein Alt-Herren-Ding. Doch während sie zu älteren Semestern so selbstverständlich gehören können wie graue Schläfen, sind sie auf Kinderköpfen fehl am Platz. Ein kahler Kinderkopf steht symbolhaft für schlimme Krankheiten, weckt Mitleid und heizt die Gerüchteküche an. Hinzu kommt die natürliche geringe Hemmschwelle anderer Kinder, mit dem Finger auf einen kahlen Kopf zu zeigen. Und sie können grausam sein. Ein Kind mit Glatze wird schnell gehänselt. "Für ein Kind ist es viel schlimmer, mit so etwas zurecht zu kommen", weiß Alina Marazzita. Auf ihr Konto geht der Anstoß zu der ungewöhnlichen Haarschneide-Aktion in Villingen.

Das Thema Krebs hat sie selbst eiskalt erwischt. Ihr Vater erkrankte im vergangenen Juni an Bauchspeicheldrüsenkrebs, erzählt sie im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten und schluckt unwillkürlich, als sie davon berichtet. Momentan gehe es ihrem Papa dank verschiedener Maßnahmen recht gut. Aber ihr Leben und der Blick auf dieses hatten sich radikal verändert. Zuerst die sorgenvolle, fast gar hoffnungslose Zeit, als sie die Diagnose erfahren hatte. Kein Tag sei vergangen "ohne Weinen und Sorgen".

Dann die Gewissheit: Das Leben muss weitergehen. Und das solle es im günstigsten Fall, indem sie selbst etwas Gutes tut, die Welt – wenngleich auch nur ein kleines Stück – verändert. Das müsste doch auch ohne Millionen auf dem Bankkonto und beim knappen zeitlichen Budget der eigenen Hochzeitsvorbereitungen sowie des Hausbaus zu schaffen sein. Schließlich wurde auch noch das Budget unverhofft "frei", das sie gemeinsam mit ihrer Freundin Kira Fuhst eigentlich für die lange erträumte Reise ins Disneyland Paris mühsam zusammengespart hatte – beim Verkauf von Bastelarbeiten war ein kleines Sümmchen zusammengekommen. Doch Paris war nun für die Flitterwochen reserviert, und ein neues Ziel musste her. Warum nicht spenden, in eine gute Tat investieren statt die große Reise? Inspiriert durch die Haarspende einer Freundin, wuchs in Alina Marazzita die Idee zur Haarspende-Aktion in Villingen heran, ihre Freundin Kira Fuhst reihte sich spontan in die später länger werdende Liste von Haarspendern ein. Auf der Suche nach einer geeigneten Plattform sprach Alina Marazzita Hartmut Kersten von der Facebook-Gruppe "Stadtgeflüster VS" an, der dort einen recht erfolgreichen Spendenaufruf startete und zur Teilnahme an der Haarspende-Aktion aufgerufen hatte.

Die 27-Jährige selbst nahm Kontakt zu dem österreichischen Non-Profit-Verein "Die Haarspender" auf. Dieser legt sich für kostenlose Echthaarperücken für Kinder ins Zeug, die ihr eigenes Haar durch eine Krankheit verloren haben. Kinder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erhalten dann die für ihren Kopf maßgeschneiderten Perücken, die so täuschend nach echtem Eigenhaar ausschauen, dass die kleinen Patienten wieder selbstbewusst durchs Leben gehen und nur jenen die blanke Stirn bieten, denen sie diese auch zeigen möchten.

Im Salon Manger in der Brunnenstraße 5 in Villingen war mit der Friseurfamilie Milia und ihrem Team schnell fachkundige Unterstützung gefunden, die den Salon sogar ehrenamtlich und an einem Sonntag für die Aktion öffnet. Und als sich mit der Make-Up-Artistin Seda Saral und dem Fotografen Ralph Gravenstein dann sogar noch weitere Mitwirkende für ein professionelles Make-Up und verblüffende Vorher-Nachher-Fotos der Radikalveränderung gefunden hatten und obendrein ein Kuchenverkauf zugunsten der Haarspender-Organisation auf die Beine gestellt war, war das Event perfekt.

Der Geschäftsführer des Haarspender-Vereins, Holger Thomas Möller aus Wien, war von soviel Aktionismus in VS von Alina Marazzita beeindruckt. Für ihn stand fest: Diese Frau muss er kennenlernen. Und er gab ein Versprechen: "Wenn ihr sieben Leute zusammenbekommt, die mitmachen, komme ich persönlich aus Wien und schneide." Sieben aber wurden es auf Anhieb (noch) nicht, sondern "nur vier, und eine, die die Haare schon abgeschnitten, aber den Zopf noch hat", erzählt Alina Marazzita. Sie ließ in ihrem Tun trotzdem nicht locker – und für Möller stand fest: Er muss kommen. Und so sagte er zu, am Sonntag, 25. Februar, nach VS zur Haarspende-Aktion zu kommen.

Weitere Informationen: Teilnehmen kann jeder – wer sich von seiner mindestens 27 Zentimeter langen Haarpracht (auch gefärbtes oder behandeltes, Hauptsache aber struktur-gesundes Haar ist brauchbar) trennen möchte, kann zur besseren Planung unter Telefon 07721/2 20 91 direkt im Salon einen Termin vereinbaren. Willkommen aber sind auch alle anderen Besucher zum Spenden, Kuchen essen oder zur Information. Los geht es am Sonntag, 25. Februar, um 10.30 Uhr in der Brunnenstraße 5, die Aktion läuft bis 18 Uhr.