Viele Stillleben, einige wenige Landschaften: Wendelin Renn ist begeistert von seiner Abschiedsausstellung Foto: Simon Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Eröffnung mit Vernissage am Samstag / Kunstwerke zeigen den Erlebnisraum von Licht und Farbe

VS-Schwenningen. Eine Ära neigt sich unweigerlich dem Ende zu: drei Jahrzehnte schärfte Wendelin Renn das Profil der Städtischen Galerie. Im Laufe des nächsten Monats geht er in den Ruhestand. Was wird von seinen vielen Ausstellungen in Erinnerung bleiben? Sicherlich die grandiose Ausstellung zum 99. Geburtstag von Otto Dix, mit der er in der Doppelstadt gleich zu Beginn seiner Laufbahn eine Wegmarke legte und auf alle Fälle seine Abschiedsausstellung, die am morgigen Samstag im Lovis-Kabinett eröffnet wird.

Ausstellungen zur Klassischen Moderne haben unter Renns Regie neben der Präsentation jungen Kunstschaffens in der Galerie-Tradition. Nach thematischen Werk-Vorstellungen zu Joseph Beuys, Otto Dix, Lucio Fontana oder Gustav Klimt ist nun quasi als Krönung mit Giorgio Morandi ein ganz Großer der neueren Kunstgeschichte in Schwenningen zu Gast. Zum Thema "Licht und Farbe" sind 15 Grafiken, 22 Zeichnungen, fünf Aquarelle und 20 Ölbilder, die Giorgio Morandi zwischen 1923 und 1964 geschaffen hat, zu sehen. Mit der Ausstellung können alle Werkphasen des Künstlers kennengelernt werden, so Wendelin Renn.

Die Präsentation dieser Meisterwerke aus den privaten Sammlungen von Ingrid und Werner Welle aus Paderborn und dem Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft in Freiburg sowie von der Staatlichen Graphischen Sammlung München, vom Museum für Gegenwartskunst Siegen und vom Museum Winterthur ist die größte Morandi-Ausstellung, die in den letzten 25 Jahren in Deutschland präsentiert wurde.

Warum macht sich der scheidende Galerieleiter ausgerechnet mit dem "Flaschenmaler" Morandi sein Abschiedsgeschenk? Selbstverständlich ist Giorgio Morandi (1890-1964), der selten seine Heimatstadt Bologna und sein 15 Quadratmeter großes Atelier verlassen hat, nicht nur ein Maler der Flaschen, sondern auch der Vasen und Kannen und sehr reduzierten Landschaften. Ob Zeichnung, Malerei oder Radierung, das Sujet wiederholt sich permanent. Beim genauen Schauen erkennt der Betrachter jedoch wie in Bilderrätseln die subtilen Variationen.

Wendelin Renn geht es bei dieser in einem hohen zweistelligen Millionen Eurobereich versicherten Ausstellung also ums genaue Hinschauen und somit um die Wahrnehmung. Was "sehen" die Besucher in einer Ausstellung? Wie ist ihre Wahrnehmung von dem, was Künstler mit bildnerischen Mitteln vorgeben? Ist das, was wir vermeintlich sehen auch real vorhanden? Morandi beschäftigte sich in seinem bildnerischen Denken wie kaum ein anderer mit diesen Fragestellungen zum Sehen, Wahrnehmen und Erkennen, dem Kern jeder Auseinandersetzung mit bildender Kunst. Seine Kunstwerke zeigen einzig, jedoch hoch komplex, den Erlebnisraum von Licht und Farbe.

Dass dabei die Komposition in den Stillleben durch die Veränderung der Licht- und Schattenwirkung der Gegenstände zentrale Bedeutung für den Maler hat, zeigt sich in den penibel ausgeloteten Arrangements der Flaschen, Gefäße, Büchsen, Vasen oder Kannen auf seinem Atelier-Tisch. In zuweilen monatelangen Versuchsanordnungen hielt er die Varianten fest und jede noch so kleine Veränderung wurde dokumentiert, damit eine frühere Ausstellung der Gegenstände zurückgesetzt werden konnte.

Die Ausstellung wird am Samstag, 19. Mai, um 17 Uhr eröffnet. Franz Armin Morat, ein wesentlicher Leihgeber, und Galerieleiter Wendelin Renn sprechen über das Besondere in der Kunst von Giorgio Morandi.