Kann die Schweiz die noch ausstehende Ratifizierung des Staatsvertrages im Bundestag über ein Hintertürchen umgehen? Foto: dpa

Deutsches Bundesaufsichtsamt will Züricher Flughafen wie Inland behandeln. Bürgerinitiative schlägt Alarm.

Villingen-Schwenningen - Der Fluglärmstreit eskaliert erneut. Kann die Schweiz die noch ausstehende Ratifizierung des Staatsvertrages im Bundestag über ein Hintertürchen umgehen?

Die baden-württembergische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Gisela Splett (Grüne), wollte für diesen Freitag den Fluglärmbeirat einberufen. Anlass ist der Antrag der Schweiz, neue satellitengestützte Anflugverfahren auf den Flughafen Zürich zuzulassen. Dafür sollte die 220. Durchführungsverordnung, die An- und Abflüge über deutsches Gebiet regelt, geändert werden.

Die Staatssekretärin hatte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung als Genehmigungsbehörde eingeladen, in der Sitzung zu erklären, was das für die Region bedeutet. Doch Nikolaus Hermann, Direktor der Behörde, sagte ab.

Seine Begründung läßt tief blicken: "Für die mit Fluglärm belasteten Anwohner eines Flughafens ergibt sich naturgemäß kein Unterschied aus dem Umstand, ob ein sie überfliegendes Flugzeug einen inländischen oder ausländischen Flughafen ansteuert. In dem bei mir geführten Festlegungsverfahren ist es daher mein Ziel, bei ausländischen Flughäfen dieselben Beteiligungsmöglichkeiten zu gewähren, wie sie auch bei der Festsetzung von Flugverfahren für inländische Flughäfen bestehen." Es handele sich nur um eine lärm- und emissionsneutrale Änderung.

Bisher haben nur wenige Flugzeuge die technischen Voraussetzungen für das "Ground Based Augmentation System", das getestet werden soll. Allerdings werden in zehn bis 15 Jahren alle Flugzeuge mit dieser sehr teuren Technik ausgestattet werden. Die Absage des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung bestätigt für Bernd Kröber, Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Fluglärmbelastung im Schwarzwald-Baar-Kreis, "alle Befürchtungen, dass hinter verschlossenen Türen ohne Beteiligung verhandelt wird und Tatsachen geschaffen werden sollen".

Staatssekretärin appelliert an Dobrindt

Das sehr formal gehaltene Absageschreiben zeige einmal mehr, dass die, "die das Desaster mit dem Staatsvertrag angerichtet haben, nicht fähig oder nicht willens sind, die Brisanz einer DVO-Änderung auf Wunsch der Schweiz zum jetzigen Zeitpunkt zu erkennen. Die beabsichtigte Änderung wird uns wieder als ›lärm- und emissionsneutral‹ verkauft, wie schon früher die dritte Änderung der DVO, die aber in Wahrheit die Umwegflüge von Süden am Flughafen vorbei nach Norden sanktioniert und damit absolut vermeidbare Belastungen unserer Region zulässt".

Splett hat in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) appelliert, die von der Schweiz beantragten neuen Anflugverfahren nicht zu gestatten. Das Ministerium hat die Rechtsaufsicht über das Bundesaufsichtsamt. Es bestehe der Eindruck, so Splett, dass dem Bundesaufsichtsamt die "Brisanz der Angelegenheit" nicht bewusst sei. Mit der Absage werde eine Chance verpasst, "die dringend notwendige Transparenz bei den Anflügen auf den Flughafen Zürich über Südbaden herzustellen".

Das meint auch der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Donaueschinger Oberbürgermsiter Thorsten Frei (CDU). Er will heute mit Abgeordnetenkollegen aus Waldshut und Konstanz direkt im Bundesverkehrsministerium für Verkehr vorsprechen. "Ich hielte es für einen schweren Fehler, in einer Zeit, in der wir grundlegende Nachbesserungen zum Staatsvertragsentwurf von der Schweiz einfordern, die 220. DVO in dem von der Schweiz gewünschten Sinne zu ändern. Zunächst geht es um eine Einigung mit der Schweiz hinsichtlich des Staatsvertrages. Die Angelegenheit ist hochpolitisch und kann nicht als rein verwaltungstechnisches Verfahren behandelt werden."

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Dörflinger (CDU) fordert in einem Schreiben an Herrmann ebenfalls, den Antrag auf der Piste 14 ein satellitengestütztes Anflugverfahren zu installieren, abzulehnen. Bernd Kröber erwartet von der Landesregierung, dass sie es nicht bei dem Schreiben an Dobrindt belässt.