Lange dauert der verdiente Beifall vor allem für die Hauptakteure (hinten von links) Benita Borbnus, Heike Hastedt, Sung Min Song, Alexander Schmidt, Jochen Kiene, Erkentrud Seitz und Marius Mack. Davor sind die jungen Sängerinnen der ­Villinger Klosterspatzen zu sehen. Foto: Kouba Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Aufführung in Villingen rüttelt Hunderte Menschen auf / Von Engelsgesang bis zum Kanonendonner

Es ist wohl das größte und bekannteste sakrale Werk des 20. Jahrhunderts: das "War Requiem" von Benjamin Britten. Die Aufführung von ungezählten Akteuren im Franziskaner-Konzerthaus traf ins Mark.

VS-Villingen. Die Aufführung sollte Höhepunkt einer Themenschwerpunkt-Serie werden, die unter der Devise "Nie wieder!" zu einer religiösen und künstlerischen Auseinandersetzung zum Thema Krieg vieler Menschen wurde.

Doch: nie wieder? Täglich fallen Bomben auf Aleppo, immer wieder gibt es Selbstmordattentate, immer wieder treten Amokläufer auf, und immer wieder gibt es Fehden im wirtschaftlichen oder privaten Sektor.

Mit der Villinger Interpretation wurden Hunderte Menschen aufgerüttelt und auf musikalischer Ebene zu grausame Schrecken hingeführt und die fürchterliche Maske klirrender Waffen gezeigt. Eigentlich müsste das oratorische Werk Anti-War-Requiem heißen. Die Sprache der Musik und der des Lyrikers Wilfred Owen, der in jungen Jahren sein Leben an der Front ließ, bewegten sich auf zwei entgegen gesetzten Ebenen.

Die rund eineinhalbstündige Aufführung hielt den Spannungsbogen von Engelsgesang bis Kanonendonner, von zarten Harfenklängen bis zum Trommelfeuer der Snare-Drums und infernalischen Szenen in beeindruckender Weise durch. Die Gefühlswallungen ließen nicht nach, und die immer wieder kehrend Dramatik zeigte Wirkung beim Publikum, das gebannt und gespannt den expressiven Klangbildern folgte.

Die Vokalsolisten sangen textgetreu mit sinnfälliger Tongebung und tiefgehendem Ausdruck. Die beiden Männerstimmen standen für zwei Soldaten, die die Owen-Texte vermittelten, und die Sopranistin verkörperte himmlische Boten. Die lateinische Form der Totenmesse blieb beibehalten, nur im Offertorium gab es einen Einschnitt: Hier folgt dem herrlich gesungenen Duett "Lay not the hand upon the lad" das widerstreitende "Doch der Alte wollte nicht und schlachtete seinen Sohn. Und so auch die halbe Saat Europas, Mann für Mann".

Projektchor ganz im Sinne Brittens

Ausdrucksvoll gestalteten Sung Min Song mit seinem feinsinnigen Tenor und Alexander Schmidt mit seinem weich-sonoren Bariton ihre Parts. Die Erfahrung als Oratoriensängerin ließ Benita Borbonus in ihrem lyrisch-konzertanten Sopran in rezitativischen Momenten und ariosen Gesängen aufblühen und wirkte nachhaltig mit den Seufzern des "Lacrymosa".

Ganz im Sinne Brittens gesellten sich großer Projektchor, der besonders bei Pianostellen gefiel, die viele Orchesterfarben einbringende Württembergische Philharmonie Reutlingen und die Sopranistin in einem Block unter Leitung von Heike Hastedt auf der Hauptbühne.

Gegenübergestellt wurden auf der Empore ein heimisches Kammerorchester unter Dirigent Marius Mack und die Villinger Klosterspatzen zusammen mit dem Chor der Musikakademie. Hier hatten die Einstudierung beziehungsweise die Leitung Erkentrud Seitz und Jochen Kiene übernommen. Reizvoll war der Kinderchor (Boys’ Choir) vor allem beim innigen "Let us sleep now" zu hören.

Als das Schluss-Amen verklang, herrschte lange, gebannte Stille bis der Applaus losbrandete.