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Bei 19 Ja- und 18 Gegenstimmen fällt Erklärung im Gemeinderat knapp aus. Fridi Miller verhindert "Nein".

Villingen-Schwenningen - Klimaschutz - nun stand das Wort "endlich" auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Und trotzdem hagelte es von jungen Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung herbe Kritik, ehe der Klimanotstand in VS ausgerufen wurde.

Man wolle mit den Einlassungen der Verwaltung zum Klimaprozess in VS "suggerieren", dass wirklich etwas getan werde, prangerte Dominik Drengner, stellvertretend für die Demonstranten, in der Bürgerfrageviertelstunde zu Beginn der Gemeinderatssitzung am Mittwoch an. Er servierte dem Gremium eine langen Auflistung von Versäumnissen in der Vergangenheit. Das wollen sich die Jugendlichen nicht mehr länger gefallen lassen. "Bitte handeln Sie jetzt wirklich", so Drengners Appell – wenn schon nicht aus Pflichtgefühl in ihrem Mandat, dann doch wenigstens "als Vater oder Mutter". Zuvor waren Jugendliche in einem Klimaprotestzug zur Neckarhalle gezogen und machten ihren Unmut, aber auch Ohnmacht wegen der Versäumnisse in der Vergangenheit deutlich.

Die Grünen hatten mit Unterstützung weiterer Gemeinderäte gefordert, dass VS den Klimanotstand ausrufen solle. Die Verwaltung hielt dagegen und forderte das Gremium dazu auf, zuzustimmen, dass "die Ausrufung eines Klimanotstandes nicht erforderlich ist" und den Antrag der insgesamt 17 Stadträte abzulehnen.

Roth: "Wir haben keinen Notstand, aber wir haben weltweit ein richtiges Problem!"

OB Jürgen Roth ging zunächst auf die Forderungen der Jugendlichen ein. VS beschäftige sich in diesem Gremium nur mit den Dingen, auf die die Stadt selbst Einfluss hat. "Befassen dürfen wir uns mit allem", so Roth, beschließen aber dürfe der Gemeinderat eben nur in einigen Bereichen. Das Engagement der Jugendlichen für den Klimaschutz lobte Roth er dennoch. Wenngleich viele der von den Fridays-for-Future-Demonstranten formulierten Forderungen an die Bundesregierung gerichtet werden müssten, nicht an den Gemeinderat. An dem Wort "Notstand" stößt er sich, gab Roth zu – "wir haben keinen Notstand, aber wir haben weltweit ein richtiges Problem!"

"Wir haben es wohl noch immer versäumt, es konkret messbar zu machen, was wir umgesetzt haben", so Roth, man müsse daher deutlich machen, was in VS bereits getan werde. Und man sei bereit zu mehr, machten Roth, aber auch Bürgermeister Detlev Bührer an seiner Seite, deutlich. "Was wir brauchen, ist der gemeinsame Wille!", so Bührer. Viele der von den 24 von den Fridays-for-Future-Anhängern genannten Forderungen fielen in bereits beackerte Felder – seien aber offenbar nicht bekannt. "Wir beziehen beispielsweise für unsere Liegenschaften, das ist ein älterer Beschluss des Gemeinderates, ausschließlich Ökostrom" und durchaus selbstkritisch: vielleicht "haben wir das zu wenig kommuniziert".

Doch die 17 Gemeinderäte, und auch die demonstrierenden Jugendlichen wollen mehr. Eingebracht wurde die Resolution zur Ausrufung des Klimatnotstands in VS federführend von der Grünen-Fraktion. Für sie sprach im Gemeinderat Joachim von Mirbach. An den Forderungen der Grünen hielt er stellvertretend für seine Fraktion und weitere Unterstützer weiterhin fest. Ganz tief ins Detail ging Grünen-Stadträtin Ulrike Salat, als sie die Ausführungen zum laufenden Klimaschutzprozess der Stadt durchleuchtete. Viele von der Verwaltung positiv bewerteten Bereiche bilanzierte sie dabei eher negativ.

Klaus Martin, Fraktionssprecher der CDU, befürwortete zwar den auch von der Verwaltung vorgeschlagenen Beitritt der Stadt zum Klimaschutzpakt Baden-Württemberg, die Teilnahme am European Energy Award, und ein jährliches Bilanz-Ziehen in Sachen Klimaschutzprozess für VS ebenfalls, sprach sich aber gegen das Ausrufen des Klimanotstands in VS aus.

Edgar Schurr: "Es tut nicht weh!"

Ulrike Heggen von den Freien Wählern, die den Antrag der Grünen als eine von drei Freien Wählern mit unterzeichnet hatte, sah die Resolution als Signal an die Jugend, "dass wir sie ernst nehmen und dass wir sie nicht nur als Freizeitdemonstranten (….) und Schulschwänzer hinstellen – denen geht es wirklich um die Sache und ist es bitterernst". Man müsse sich zum Klimaschutz verpflichten – "was vergeben wir uns, wenn wir den Klimanotstand ausrufen?" Edgar Schurr (SPD) warb für eine breite Mehrheit – auch seine Fraktion hatte die Resolution geschlossen befürwortet. "Es tut nicht weh", versuchte er die Hemmschwelle vor dem Begriff Klimanotstand abzubauen, nachdem er die Definition verlesen hatte. Die Erderwärmung sei Fakt, so Frank Bonath (FDP). Über Begriffe könne man streiten. Entscheidend sei: "Was können wir tun?" VS beginne damit nicht erst heute, freute er sich, "aber wir müssen da besser werden". Den "Klimanotstand" lehne die FDP trotzdem ab, so Bonath, vielmehr als an einer solchen und womöglich auch personalintensiven Struktur müsse an tatsächlichen Maßnahmen gearbeitet werden. Ganz anders, nämlich pauschal mit einer Schelte auf Grünen-Politiker oder Klimaschutz-Aktivisten, lehnte AfD-Sprecher Martin Rothweiler das Ausrufen des Klimanotstands ab. Jannik Glatz ergriff seitens des Jugendgemeinderates das Wort und appellierte an das Gremium, den Klimanotstand anzuerkennen – "die Jugend wird es Ihnen danken".

Denkbar knapp fiel im Anschluss die Abstimmung aus, zumindest was das eigentliche Ausrufen des Klimanotstands anbelangt: Bei 19 Ja-Stimmen und 18 Gegenstimmen hat der Gemeinderat am Mittwochabend den Klimanotstand erklärt. Oberbürgermeister Jürgen Roth – erklärter Gegner dieser Ausrufung – wies angesichts des knappen Ergebnisses auf seine "Nicht-Stimme" hin, weil er noch immer den Status eines Amtsverwesers hat wegen Fridi Millers Wahlanfechtung, hat er kein Stimmrecht im Gremium.

Begleitend zur Ausrufung des Klimanotstands fielen, bei breiterer Mehrheit noch weitere Beschlüsse für mehr Klimaschutz in VS – etwa ein "Klimacheck", wonach künftig bei allen Entscheidungen der Kommune Auswirkungen auf den Klimaschutz zu berücksichtigen seien.