Überaus brutal gingen drei Männer im Februar gegen einen Mann vor dem Schwenninger Bahnhofsgebäude vor. Fotos: Herfurth/pixabay Foto: Schwarzwälder Bote

Prozess: 24-Jähriger wegen des versuchten Totschlags angeklagt / Opfer hat durch Glück überlebt

Äußerst brutal gingen drei junge Männer in der Nacht auf den 3. Februar gegen einen damals 37-Jährigen vor dem Schwenninger Bahnhofsgebäude vor. Videomaterial zeigt die überaus erschreckende Tat. Nun steht der Versuch des Totschlags im Raum.

VS-Schwenningen. Es sind brutale Szenen, die sich Anfang Februar dieses Jahres vor dem Schwenninger Bahnhofsgebäude ereignet hatten. Drei junge Männer schlugen und traten gemeinsam auf einen einzigen Mann ein, bis dieser reglos am Boden lag. Das zeigte auch entsprechendes Videomaterial von den Überwachungskameras am Tatort. Nun wirft die Staatsanwaltschaft dem 24-Jährigen Haupttäter einen versuchten Totschlag vor, die beiden 21-jährigen Mittäter aus dem Iran und Afghanistan müssen sich vor dem Konstanzer Landgericht wegen der gefährlichen Körperverletzung verantworten.

Eine gute Absicht wird dem zum Tatzeitpunkt 37-Jährigen an diesem frühen Morgen zum Verhängnis. Der Geschädigte aus Villingen-Schwenningen wartete an besagtem Tag, nachdem er mit Freunden in der dortigen Lokalität den Super Bowl angeschaut hatte, vor dem Bahnhofsgebäude auf ein Taxi. Vor Gericht gab er an, einen Streit zwischen einem der Angeklagten und einer weiteren Person mitbekommen zu haben und einschreiten wollte. "Mein Erinnerungsvermögen ist fast komplett weg, aber ich weiß noch, dass mich zwei Personen davon abgehalten haben, zwischen einen Streit zu gehen", erzählt er. Dabei soll es sich um die beiden jüngeren Mittäter gehandelt haben.

Es soll zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sein, bis der 24-Jährige Haupttäter handgreiflich wurde. Die Angeklagten behaupten, dass auch der 37-Jährige gegen sie vorgegangen sei und sie beleidigt hätte. Was genau gesagt wurde, ist auf dem Video nicht ersichtlich, doch die Bilder sind eindeutig: Der Hauptangeklagte tritt und schlägt aggressiv und auf brutalste Weise auf das Opfer ein. Sogar als dieses bereits am Boden liegt, wird ihm auch von den beiden jüngeren Mittätern gegen den Kopf getreten.

Nach dem Vorfall ließen die Täter den 37-Jährigen, der sich nicht mehr bewegte, zunächst liegen. Der 24-Jährige hatte sich mit dem Mann, mit dem er zuvor in einen Streit geraten war, vom Tatort entfernt . "Ich bin nach Hause gegangen, habe geduscht, was gegessen und mich schlafen gelegt", erzählt er vor Gericht wie selbstverständlich. Seinen Freunden hätte er gesagt, sie sollen auf den Geschädigten aufpassen.

An den genauen Tatvorgang könne er sich nicht mehr erinnern. Auf die Fragen der Staatsanwältin, wie die Auseinandersetzung stattgefunden habe, weicht er aus. "Es war nicht mit Absicht", beteuert er gegenüber der Kammer. "Ich war betrunken." Er gibt zu, ihn ein paar mal geschlagen zu haben, auch die jüngeren Täter räumen ein, den Mann getreten zu haben. "Ich war wütend, weil er mich beleidigt hat", sagt einer der beiden.

Die beiden 21-jährigen Angeklagten, von denen einer ebenfalls zu Tatzeit alkoholisiert gewesen war, kamen nach wenigen Minuten zurück und versuchten, dem Opfer aufzuhelfen. "Ich habe ihn gefragt, ob alles okay ist", schildert einer der Täter. Das Video zeigt, wie sie dem Geschädigten aufhelfen wollen und dieser durch die Bewusstlosigkeit erneut auf dem Boden aufschlägt. Danach holten sie in der dortigen Lokalität Hilfe, das Personal sendete einen Notruf ab. "Die beiden Täter wollten weglaufen", schildert der Betriebsleiter des Lokals. Einer der Angeklagten sei extrem aggressiv gewesen.

Alle drei Angeklagten entschuldigten sich bei dem Geschädigten für den brutalen Vorfall. Dieser hat für die drei Täter klare Worte: "Ich bitte euch darum, aus euren Fehlern zu lernen. Man geht nicht zu dritt – egal ob unter Drogen- oder Alkoholeinfluss – auf einen allein mit so einer Aggressivität los und haut dann ab, ohne Hilfe zu holen. Macht sowas nie wieder."

Die Behandlung seiner Verletzungen habe sich über Wochen hingezogen, seine Zähne seien abgesplittert, das Gesicht sei komplett zugeschwollen gewesen. Langfristige Folgen, sowohl physisch als auch psychisch habe er von dem Vorfall nicht davon getragen. "Er hat Glück gehabt", berichtet ein forensischer Gutachter in Bezug auf die Verletzungen des Geschädigten. Es sei sinngemäß lediglich ein Zufall gewesen, dass das Opfer im Zuge der Bewusstlosigkeit nicht an seinem Blut erstickt sei. Der Gutachter vermutet, dass mindestens neun Mal mit entsprechenden Schlägen auf sein Kopf eingewirkt wurde. "Tritte können auch tödlich enden", betont er.

Der Haupttäter weist im Laufe des ersten Verhandlungstags immer wieder auf seine schlechte körperliche sowie psychische Verfassung hin. Er sei von den Geschehnissen in Afghanistan, wo er geboren und aufgewachsen ist, traumatisiert, leide an Depressionen und Schlafstörungen. Doch laut eines psychiatrischen Gutachters spiele der Angeklagte die Krankheiten willentlich und gewollt vor, um sich so einen Vorteil zu verschaffen. "Die Symptome sind keinem psychiatrischen Krankheitsbild zuzuordnen", erklärt dieser, "es gibt keine Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung. Auch von einer Minderung der Steuerungsfähigkeit durch die Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt geht der Gutachter nicht aus. Aufgrund des geordneten Nachtatverhaltens, das der Angeklagte im Laufe seiner Befragung geschildert hatte, sei dies ausschließbar.

Die Verhandlung wurde unterbrochen und wird nächste Woche vorgesetzt. Dann soll auch ein Urteil folgen.