Kirche als Gastraum: Ein Blick von der Empore der Pauluskirche Schwenningen während des Gottesdienstes. Foto: Trenkle

Zum 17. Mal geöffenet. Eröffnung in der evangelischen Pauluskirche.

VS-Schwenningen - Mehr als 7500 Gäste kamen innerhalb der vier Wochen im vergangenen Jahr zur Vesperkirche. Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde am Sonntag in der evangelischen Pauluskirche in Schwenningen die Vesperkirche 2020 eröffnet.

Auch diesmal wurde der Kirchensaal wieder komplett umstrukturiert. Dort, wo sonst Kirchenbänke stehen, finden sich nun Tische und Stühle ähnlich einer Gaststätte, damit Menschen einkehren, essen und trinken oder sich schlicht einfach treffen können.

"Die Pauluskriche verwandelt sich wieder in eine ›Gaststätte am Weg‹", so Pfarrer Andreas Güntter. Willkommen sind alle Menschen, ganz besonders jene, welche wenig Geld haben und eine warme Mahlzeit für einen Euro in der kalten Jahreszeit besonders zu schätzen wissen. Menschen mit und ohne festen Wohnsitz, alte und junge, solche "mit dünnem und dickem Geldbeutel."

Zahlreiche Helfer

Rund 400 Helfer sind bei der 17. Vesperkirche mit dabei, 143 von ihnen zum ersten Mal. Die Intension, Menschen nicht auszuschließen, sondern durch eine möglichst offene Kirchentür einzuladen, griff in seiner zentralen Eröffnungspredigt Bezirksdiakoniepfarrer Markus Arnold gezielt auf. Pfarrer Andreas Güntter hatte seinen Kollegen aus dem Kirchenbezirk Tuttlingen zum Gottesdienst eingeladen. Offene Türen seien eine Basis des Christentums. Wer den Glauben brauche, um zwischen sich und anderen eine Trennlinie zu ziehen, der sei nicht auf der Spur Jesu, so Arnold. Dies gelte nicht nur für Trennlinien finanzieller Art, sondern gerade auch für solche des Glaubens selbst.

Arnold sieht eine Einteilung zwischen Gläubigen diesseits und Ungläubigen jenseits eher als eine unrealistische und naive Vorstellung an. Immer wieder werde der eigene Glaube erschüttert. Das Leben schwanke zwischen den beiden Polen der Zuversicht und der Angst vor dem, was kommt. "Manchmal ist Gott ganz nah und manchmal so weit entfernt." Arnold zitierte einen Mann aus dem Markus-Evangelium, welcher einen "schonungslos ehrlichen Gebetsschrei" von sich gebe, in dem er zwar glaube, gleichzeitig Jesus aber darum bitte, seinem aufflackernden Unglauben zu begegnen. "Es ist eines der großen Geheimnisse unseres Glaubens, dass wir ihn nie so ganz besitzen", so Arnold eindrücklich. 

Bis zum 16. Februar offen

Glaube könne auch täuschen: "Ich habe früher als Kind noch ganz andere Dinge geglaubt", so der Bezirksdiakoniepfarrer in bewusst unterhaltsamem Ton: "Ich glaubte beispielsweise, dass Geldscheine tatsächlich in Geldautomaten wachsen oder dass Erdbeeren im Erdbeerjoghurt sind." Solch irrigen Glauben könne man mit dem Erwachsenwerden ablegen. Der Glaube an Gott hingegen stütze den Menschen in seiner Entwicklung. Dennoch: Gerade, wenn das Leben einen aus der Bahn werfe, stelle man den Glauben oft in Frage. Gott strecke die Hand aus und zeige, dass keiner wertvoller als der andere sei. Ähnliches betonte auch noch einmal Pfarrer Andreas Güntter: "Die Spaltung zwischen Glückskind und Pechvogel ist vom Menschen gemacht, und nicht von Gott gewollt!"

Unterstützt wurde der feierliche Gottesdienst vom Posaunenchor des CVJM-Schwenningen unter der Leitung von Lukas Jakob. Neben den vielen Helfern breite Unterstützung findet die 17. Vesperkirche Schwenningens bis zum 16. Februar erneut durch Sachspenden und Sponsoring vieler Firmen und Institutionen aus der Region. Darüber hinaus leisten viele Menschen Hilfen durch praktische Mitarbeit, der Bereitschaft, vereinsamten Menschen ein freundliches Gegenüber zu sein und durch Kuchenspenden. "Wir erwarten auch diesmal wieder ein Kuchenwunder", so Pfarrer Andreas Güntter.

Die Schwenninger Vesperkirche findet bis zum 16. Februar statt. Geöffnet ist die evangelische Pauluskirche dafür täglich von 11 bis 15 Uhr. Warmes Essen wird von 12 Uhr bis 14 Uhr serviert. Während der gesamten Öffnungszeit gibt es Kaffee und Kuchen (solange der Vorrat reicht) – zur Hauptessenszeit nur in der Kaffeestube auf der Orgelempore. An den fünf Vesperkirchen-Sonntagen finden dennoch Gottesdienste statt, jeweils um 10 Uhr. Es komme immer wieder vor, dass alle Essensplätze besetzt seien, so das Vesperkirche-Team, "dann bitten wir die weiteren Gäste zunächst in die Warteschleife auf die Empore. In der Regel können wir dann bereits nach 15 Minuten freie Plätze an den Esstischen anbieten".

Auch die Hunde von Menschen ohne Wohnung sollen satt werden. Auf Anfrage steht Hundefutter und Wasser bereit. Je nach Tagesform dürfen die Hunde auch in die Vesperkirche hereingebracht werden.